Название: Handbuch des Aktienrechts
Автор: Hans-Peter Schwintowski
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811443150
isbn:
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Die Rechtsprechung des BGH ist praxisgerecht. Im Hinblick auf den Charakter des genehmigten Kapitals erscheint es gerechtfertigt, dass in dem frühen Stadium der Beschlussfassung über die Schaffung des bedingten Kapitals die Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss nicht übertrieben hoch sind, um der Verwaltung die berechtigte Finanzierungsflexibiliät zu geben.[572] Ein Missbrauch des genehmigten Kapitals durch die Verwaltung ist wegen des Haftungsrisikos der §§ 93, 116 AktG in der Regel nicht zu befürchten.[573]
3.2.4 Erleichterter Bezugsrechtsausschluss
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Die Regelungen zum erleichterten Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG[574] gelten auch bei der Schaffung genehmigten Kapitals. Wie beim normalen Bezugsrechtsausschluss für genehmigtes Kapital kann die HV den erleichterten Bezugsrechtsausschluss direkt im Hauptversammlungsbeschluss beschließen oder – trotz des fehlenden Verweises von § 203 Abs. 2 S. 2 AktG auf § 186 Abs. 3 S. 4 AktG – die Entscheidung in der Ermächtigung auf den Vorstand delegieren.[575]
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Umstritten ist die Anwendung der 10-%-Regelung des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG. So könnte die HV zunächst genehmigtes Kapital in Höhe von 50 % des bisherigen Grundkapitals schaffen und dann den Vorstand ermächtigen, Bezugsaktien unter Anwendung der Regelungen zum erleichterten Bezugsrechtsausschluss in jeweils 10 % Tranchen auszugeben. Eine solche Vorgehensweise ist von der Rechtsprechung zu Recht als unzulässig bewertet worden.[576] Denn die Ermächtigung des Vorstands darf nicht weiter gehen als die Kompetenz der HV selbst. Auch die HV kann bei einem direkten, erleichterten Bezugsrechtsausschluss in dem Ermächtigungsbeschluss diesen nur beschließen, wenn die Kapitalerhöhung 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt. Soweit also genehmigtes Kapital geschaffen wird, welches mehr als 10 % des bisher vorhandenen Grundkapitals umfasst, ist ein erleichterter Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG weder im Ermächtigungsbeschluss noch später durch den Vorstand möglich.
3.3 Umsetzung der Ermächtigung
3.3.1 Beschluss des Vorstands
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Mit der Ermächtigung des Vorstands durch die HV zur Ausgabe von neuen Aktien aus genehmigtem Kapital kann die HV den Vorstand nicht zur Durchführung der Kapitalerhöhung verpflichten. Vielmehr entscheidet der Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis nach § 77 AktG über die Durchführung der Kapitalerhöhung nach pflichtgemäßem Ermessen.
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Soweit der Ermächtigungsbeschluss keine besonderen Angaben enthält, entscheidet der Vorstand bis zur zulässigen Höchstgrenze über den Umfang der Kapitalerhöhung, seine Vollziehung in verschiedenen Tranchen,[577] den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe, insbesondere den Ausgabebetrag. Wenn der Ermächtigungsbeschluss diese Kompetenz dem Vorstand überträgt, entscheidet er auch über den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre.
3.3.2 Ausgabe der neuen Aktien
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Wie bei der regulären Kapitalerhöhung[578] sollen gem. § 203 Abs. 3 S. 1 AktG die neuen Aktien nicht ausgegeben werden, solange ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch erlangt werden können. Für Versicherungsgesellschaften kann die Satzung etwas anderes bestimmen (§ 203 Abs. 3 S. 2 AktG). Die Ausgabe neuer Aktien wird auch nicht durch das Ausstehen von Einlagen in verhältnismäßig unerheblichem Umfang gehindert (§ 203 Abs. 3 S. 3 AktG). Weitere Ausnahmen gelten gem. § 203 Abs. 4 AktG bei Arbeitnehmeraktien sowie bei Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen (§§ 69 Abs. 1 S. 2 und 3, 125 S. 1 UmwG).
3.3.3 Bedingungen der Aktienausgabe
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Die Bedingungen der Aktienausgabe sind im Einzelnen in § 204 AktG geregelt. Nach § 204 Abs. 1 AktG entscheidet der Vorstand der AG über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe, soweit die Ermächtigung durch die HV keine Bestimmungen enthält. Der Vorstand ist damit bei der Festlegung der Bedingungen der Aktienausgabe zunächst an die Vorgaben der HV gebunden und hat diese zwingend zu befolgen.[579] Weitgehende Vorgaben durch die HV sind jedoch in der Praxis selten, da dies dem Zweck der Schaffung des genehmigten Kapitals, dem Vorstand ein flexibles Handlungsinstrument zu verschaffen, widerspräche. Wenn überhaupt, so legt die HV üblicherweise die Stückelung, die Gattung oder die Art der neuen Aktien[580], Mindest- oder Höchstbeträge für den Ausgabekurs[581] oder einen Zweck für die Ausnutzung des genehmigten Kapitals (z.B. Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen[582]) fest.
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Soweit von der HV keine Bedingungen für die Aktienausgabe und keine Inhalte der Aktienrechte festgesetzt werden, ist der Vorstand im Rahmen seines auszuübenden pflichtgemäßen Ermessens frei bei deren Bestimmung. Der Vorstand kann insbesondere die Aktienart, d.h. Inhaber- oder Namensaktien, den Ausgabekurs, die Fälligkeit der Einlageleistung und die Aktiengattung festlegen, hierbei insbesondere die Entscheidung über die Ausgabe von Stammaktien mit Stimmrecht oder stimmrechtslosen Vorzugsaktien treffen.[583] Weiterhin kann er bei wirksamem Ausschluss des Bezugsrechts über die Auswahl der Zeichner entscheiden, da diese im Gegensatz zur ordentlichen Kapitalerhöhung beim genehmigten Kapital im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses regelmäßig noch nicht feststehen.[584]
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Außerdem fällt in die Kompetenz des Vorstands – soweit die HV keine Regelung getroffen hat – die Festlegung über den Zeitpunkt der Gewinnberechtigung der neuen Aktien.[585] Zulässig, wenngleich nicht unumstritten, ist dabei die Bestimmung durch den Vorstand, dass die Aktien rückwirkend dividendenberechtigt für das abgelaufene Geschäftsjahr sind, jedenfalls solange das Bezugsrecht der Altaktionäre nicht ausgeschlossen ist.[586]
3.3.4 Besonderheiten bei Sacheinlagen
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Nach § 205 AktG kann beim genehmigten Kapital die Ausgabe von Aktien auch gegen Sacheinlagen erfolgen. Dies ist nur zulässig, wenn bereits der Ermächtigungsbeschluss der HV diese Möglichkeit vorsieht bzw. wenn die Entscheidung über die Ausgabe gegen Sacheinlagen auf den Vorstand delegiert wurde. Die Ermächtigung durch die HV kann dabei allgemein gehalten sein. Nicht erforderlich ist die Konkretisierung im Hinblick auf eine bestimmte Zweckbindung oder den potentiellen Einleger.[587] Hingegen kann der Ermächtigungsbeschluss durchaus Beschränkungen für den Vorstand enthalten, etwa die Festlegung eines Höchstbetrages an Aktien, welcher nur gegen Sacheinlagen ausgegeben werden darf.[588] Soweit im Rahmen der Vorschriften über das genehmigte Kapital keine besonderen Regelungen enthalten sind, gelten im Übrigen die allgemeinen Grundsätze zur Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Sacheinlagegegenstands, der Einbringungsverträge und der Werthaftung des Sacheinlegers.[589]
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