Название: Unternehmensnachfolge
Автор: Manzur Esskandari
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811440234
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Ist die Bindungswirkung bereits eingetreten, kann der Unternehmer durch folgende Maßnahmen die Bindungswirkung umgehen:
Der überlebende Unternehmer schlägt die Erbschaft fristgerecht aus (§§ 2271 Abs. 2 S. 1 HS 2, 2298 Abs. 2 S. 3 BGB) oder ficht, sofern ein Anfechtungsgrund besteht, die Verfügung an. Dadurch erlangt er seine Testierfreiheit hinsichtlich seines Vermögens zurück. Der Nachlass des Erstverstorbenen fällt dann freilich – soweit vorhanden – den Ersatzerben an. Hat der überlebende Unternehmer nach Abschluss des Erbvertrags/gemeinschaftlichen Testaments eine im Widerspruch zur Bindungswirkung stehende Verfügung von Todes wegen errichtet, wird diese nach Ausschlagung nachträglich wirksam.[71] Hat der überlebende Unternehmer die der Bindungswirkung widersprechende Verfügung von Todes wegen allerdings bereits vor Abschluss des Erbvertrags/gemeinschaftlichen Testaments errichtet, ist sie in der Regel endgültig aufgehoben.[72] Ist ein Dritter und nicht der Überlebende Bedachter des Erstversterbenden, beseitigt die Ausschlagung die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments/Erbvertrags nicht. Hier ist die Bindung des überlebenden Unternehmers endgültig, es sei denn, der Dritte schlägt seinerseits aus[73] oder verstirbt vor.
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Der Bedachte stimmt der Verfügung zu. Die Zustimmungserklärung bedarf nach umstrittener Ansicht der notariellen Form.[74] Gleichermaßen könnte der Bedachte einen Zuwendungsverzicht erklären. Nach neuer Rechtslage erstreckt sich der Zuwendungsverzicht auch auf Abkömmlinge, §§ 2352 S. 3, 2349 BGB.
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Eine etwa bestehende Bindungswirkung hindert den Erblasser nicht, unter Lebenden frei zu verfügen, § 2286 BGB. Dem Bedachten steht kein Anwartschaftsrecht auf das Vermögen des Erblassers zu. Die Eintragung einer Vormerkung bei Grundbesitz ist nicht möglich. Verschenkt der Erblasser hingegen ererbtes Vermögen, kann der Bedachte nach dem Tod des Erblassers nach § 2287 BGB (analog beim gemeinschaftlichen Testament) vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen (§ 2288 BGB für Vermächtnisnehmer). Dies setzt allerdings voraus, dass die Schenkung in der Absicht getätigt wurde, den Bedachten zu beeinträchtigen. Die Rechtsprechung verneint eine Beeinträchtigungsabsicht, wenn der Erblasser nach objektiven Kriterien ein lebzeitiges Eigeninteresse verfolgt.[75] Ein solches lebzeitiges Eigeninteresse wird beispielsweise zu bejahen sein, wenn die Schenkung der eigenen Alterssicherung oder Pflege dienen soll. Vor diesem Hintergrund ist der Schutz des Bedachten vor lebzeitigen Verfügungen des Erblassers unvollständig. Möchte der mit Bindungswirkung Bedachte sicherstellen, dass er etwa ein bestimmtes Betriebsgrundstück erhält, bietet sich ein Verfügungsunterlassungsvertrag des Erblassers an, mittels dessen eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen werden kann.[76]
bb) Gegenständliche Erbeinsetzung
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Die Anordnung einer gegenständlich abgegrenzten Miterbengemeinschaft, nach der beispielsweise ein Miterbe das Privatvermögen und der andere Miterbe das Einzelunternehmen erhält, ist bekanntlich nicht möglich. Vielmehr fällt die Erbschaft den Miterben gesamt zu, die im Wege der Erbauseinandersetzung einzelne Nachlassgegenstände gegenseitig zuordnen können. Der Erblasser kann eine gegenständliche Zuweisung bestimmter Vermögenswerte, etwa des Einzelunternehmens, nur durch folgende Maßnahmen erreichen:
– | Teilungsanordnung, |
– | (Voraus)Vermächtnis, |
– | Vor- und Nacherbschaft, indem der Erblasser neben der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft bestimmt, dass der Vorerbe im Wege eines Vorausvermächtnisses sämtliche Vermögensgegenstände erhält mit Ausnahme einiger namentlich benannter Vermögenswerte. |
cc) Bestimmungsrecht Dritter
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Der Unternehmer wird oftmals wünschen, dass ein Dritter den Unternehmensnachfolger bestimmt (z.B. bei minderjährigen Kindern). Dem steht § 2065 Abs. 2 BGB entgegen, der es dem Erblasser verbietet, die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, einem Dritten zu überlassen. Der Bundesgerichtshof legt diesen Grundsatz, anders als das Reichsgericht,[77] strikt aus.[78] Der Erblasser muss zum einen die entscheidungsberechtigte Person festlegen, ohne dass diese Aufgabe dem Nachlassgericht übertragen werden kann. Der Erblasser muss darüber hinaus hinsichtlich des zu bestimmenden Erben so genaue Angaben machen, dass auch jede andere sachkundige Person den Bedachten auf Grund dieser Angaben ohne eigenes Ermessen bezeichnen kann. Der Kreis der potentiellen Erben muss persönlich und sachlich eng eingegrenzt sein.[79] Unzulässig wäre daher etwa eine Bestimmung, wonach der Dritte auf die Eignung zur Unternehmensfortführung abstellen oder aus dem Kreis der Verwandten wählen darf (anders wohl aus dem Kreis der Abkömmlinge).[80]
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Praxishinweis:
Da der Dritte den Unternehmenserben nur nach vorgegebenen Kriterien bezeichnen darf, wird dieser Weg für einen Unternehmenserblasser i. d. R. zu unflexibel sein. Hinzu kommt, dass das Nachlassgericht u.U. einen Nachlasspfleger nach § 1960 BGB bestellen muss, wenn das Bestimmungsrecht über längere Zeit nicht ausgeübt wird und daher der Erbe nicht feststeht – ein für die Führung eines Unternehmens denkbar ungünstige Konstellation. Will der Unternehmer einem Dritten die Entscheidung über den Unternehmensnachfolger überlassen, bietet ein Vermächtnis deutlich bessere und flexiblere Mitwirkungsmöglichkeiten (vgl. Rn. 134 ff.). Eingeschränkt gilt dies auch für eine Teilungsanordnung, § 2048 S. 2 BGB (vgl. Rn. 207).
h) Ersatzerbe
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Der Erblasser kann gem. § 2096 BGB für den Fall, dass sein Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, einen Ersatzerben berufen. Die praktisch wichtigsten Fälle des Wegfalls sind das Vorversterben des erstberufenen Erben sowie dessen Ausschlagung.[81] Der Erblasser kann den Eintritt der Ersatzerbfolge auf bestimmte Wegfallgründe beschränken (z.B. Erbunwürdigkeit, Erbverzicht, Anfechtung).
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Bei der Unternehmensnachfolge ist die Frage des Ersatzerben von besonderer Bedeutung. Hat etwa der als Erbe weggefallene Unternehmensnachfolger bereits im Unternehmen mitgearbeitet und zu dessen wirtschaftlichem Erfolg beigetragen, so kann es sachgerecht sein, die Abkömmlinge des Nachfolgers entsprechend der Auslegungsregel des § 2069 BGB als Ersatzerben zu bedenken.[82] War der präsumptive Unternehmensnachfolger bislang noch nicht im Unternehmen aktiv, ist möglicherweise ein anderes Kind des Erblassers der richtige Ersatzerbe. Der Erblasser sollte diese Frage also unbedingt in seiner letztwilligen Verfügung regeln.
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Die Auslegungsregel des § 2069 BGB bestimmt, dass bei Wegfall eines Abkömmlings des Erblassers nach der Errichtung des Testaments im Zweifel dessen Abkömmlinge bedacht sind. Wenn der Erblasser jedoch eine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung vornimmt, ist die gesetzliche Vermutungsregel des § 2069 BGB obsolet. Dies ist allerdings nicht unumstritten.[83] Aus diesem Grund sollte der Erblasser eine klarstellende Formulierung in das Testament aufnehmen.
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