Название: Unternehmensnachfolge
Автор: Manzur Esskandari
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811440234
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Die Miterben können als Inhaber eines Handelsgeschäfts einen Prokuristen bestellen. Die Bestellung muss durch sämtliche Miterben erfolgen, da nur alle Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Inhaber des Handelsgeschäfts sind, § 48 Abs. 1 HGB. Einzelne Miterben können die Prokura jedoch widerrufen.[49] Ein Miterbe kann nicht zum Prokuristen bestellt werden, da er bereits Inhaber des Handelsgeschäfts ist.[50] Wird ein Prokurist Miterbe, erlischt die Prokura folgerichtig. Die Miterbengemeinschaft kann aber einzelnen Miterben Vollmacht erteilen. Handeln im alltäglichen Geschäftsablauf einzelne Miterben, können darüber hinaus die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht greifen.[51]
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Die neben der bürgerlich-rechtlichen Haftung bestehende handelsrechtliche Haftung gemäß § 27 HGB für Altverbindlichkeiten des Erblassers trifft auch die Erbengemeinschaft. Führt ein Miterbe das Unternehmen fort, haften die übrigen Miterben nur, wenn sie den tätigen Miterben zur Fortführung bevollmächtigt haben, gegebenenfalls auch stillschweigend.[52] Eine stillschweigende Bevollmächtigung kann auch darin gesehen werden, dass die Miterben die Fortführung des Unternehmens dulden. In diesen Fällen droht den Nicht-Unternehmer-Miterben nicht nur eine handelsrechtliche Haftung für Altverbindlichkeiten des Erblassers, sondern auch für durch den tätigen Miterben begründete Neuverbindlichkeiten.
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Praxishinweis:
Möchte ein Miterbe das Handelsgeschäft alleine fortführen, ohne die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen, könnte die Erbengemeinschaft dem fortführungswilligen Miterben das Unternehmen verpachten. Auf diese Weise wird zumindest die Haftung für Neuverbindlichkeiten vermieden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Pächter als neuer Inhaber im Handelsregister eingetragen wird.[53]
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Umstritten ist darüber hinaus die Frage, inwieweit ein einzelner Miterbe die Einstellung des Geschäftsbetriebs nach § 27 Abs. 2 HGB durchsetzen kann oder sich durch einseitige Erklärung aus der Trägerschaft des Handelsgeschäfts lösen kann. Nach hM bedarf die Entscheidung sowohl über die Fortführung des Unternehmens als auch über die Einstellung nach § 27 Abs. 2 HGB der Einstimmigkeit der Miterben.[54] Die Frist richtet sich in diesem Fall nach dem Miterben, für den die Frist am längsten läuft. Demgegenüber kann ein Miterbe für sich selbst nicht den Haftungsausschluss nach §§ 27, 25 Abs. 2 HGB erklären. Der einzelne Miterbe ist insoweit auf sein Recht verwiesen, jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen.[55]
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Die Fortführung des Einzelunternehmens in Erbengemeinschaft führt zu erheblichen Nachteilen:
Das Recht, die Auseinandersetzung des Nachlasses gemäß § 2042 BGB zu verlangen, kann zu einer Zerschlagung des Unternehmens führen und begründet damit eine erhebliche Instabilität. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Auseinandersetzung nicht zur Unzeit verlangt werden kann, so wie es in § 723 Abs. 2 BGB für die GbR vorgesehen ist, gibt es nicht. Lediglich die wohl bedeutend höhere Schranke des Rechtsmissbrauchs kann einem Auseinandersetzungsverlangen entgegengesetzt werden.[56]
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Das der Erbengemeinschaft zugrundeliegende Prinzip der gemeinsamen Verwaltung (§§ 2038 ff. BGB) macht Entscheidungsprozesse im Unternehmen schwierig. Für Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung ist einfache Stimmenmehrheit erforderlich, §§ 2038 Abs. 2, 745.[57] Maßnahmen, die zur Erhaltung notwendig sind, können gemäß § 2038 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB durch einzelne Miterben allein getroffen werden. Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung wiederum müssen einstimmig beschlossen werden. Das Gleiche gilt für Verfügungen, § 2040 Abs. 1 BGB. Die Abgrenzung dieser verschiedenen Bereiche ist gerade bei unternehmerischen Entscheidungen in vielen Fällen kaum möglich.
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Besondere Schwierigkeiten bestehen, wenn ein Miterbe minderjährig ist. Eine Genehmigung des Familiengerichts zur Fortführung des von der Erbengemeinschaft erworbenen einzelkaufmännischen Unternehmens ist zwar nicht erforderlich.[58] Der minderjährige Miterbe hat jedoch das Recht, die Haftung nach § 1629a Abs. 1 S. 1 BGB auf den Bestand des beim Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens zu begrenzen. Macht der volljährig gewordene Miterbe von diesem Recht Gebrauch, kann er seine Haftung nach §§ 1990 f. BGB beschränken, § 1629a Abs. 1 S. 2 BGB,[59] und insbesondere die Erschöpfungseinrede nach § 1990 BGB erheben. Die Haftungsbeschränkung umfasst dabei auch solche Verbindlichkeiten, die vertretungsberechtigte Personen (gegebenenfalls auch mit Zustimmung des Familiengerichts) für den Minderjährigen eingegangen sind.[60] Macht der volljährig gewordene Miterbe von seinem Recht auf Haftungsbeschränkung keinen Gebrauch, haftet er andererseits nicht nur mit dem ererbten Vermögen, sondern auch mit seinem sonstigen Vermögen. Das Recht, die Haftung zu beschränken, ist zeitlich nicht befristet. Nach § 1629a Abs. 4 S. 1 BGB wird jedoch vermutet, dass eine Verbindlichkeit erst nach Eintritt der Volljährigkeit entstanden ist, wenn der Minderjährige nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangt.[61] Falls das Geburtsdatum eines Minderjährigen entgegen § 24 HRV nicht oder falsch im Register eingetragen ist, tritt der Gutglaubensschutz des § 15 Abs. 1, 3 HGB hinter den Minderjährigenschutz zurück. § 15 HGB ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift zum Nachteil Minderjähriger nicht eingreift.[62]
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Die Erbengemeinschaft kann das Unternehmen in eine andere Rechtsform (z.B. OHG, KG) umwandeln. Eine Umwandlung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes scheidet allerdings aus, da die Erbengemeinschaft kein umwandlungsfähiger Rechtsträger ist, § 3 UmwG. Auch die Tatsache, dass die Erbengemeinschaft ein einzelkaufmännisches Unternehmen fortführt, führt nicht zu einer analogen Anwendung der Ausgliederungsvorschriften der §§ 152 ff. UmwG.[63]
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Vielmehr muss die Erbengemeinschaft alle Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf eine zuvor durch alle Miterben gegründeten neuen Rechtsträger (z.B. OHG) übertragen. Dazu müssen alle Miterben gemeinschaftlich die einzelnen Unternehmensgegenstände auf den neuen Rechtsträger übertragen, § 2040 Abs. 1 BGB. Die Erbengemeinschaft wird insoweit durch (Teil)Erbauseinandersetzung aufgehoben und beendet. Mit dem Erlöschen der Erbengemeinschaft wird die Innenbeziehung der Miterben durch die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben geregelt.
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Alternativ können alle Miterben ihre Erbanteile an die neu gegründete Gesellschaft übertragen, § 2033 BGB. Die Erbteilsübertragung bewirkt eine Gesamtrechtsnachfolge und vermeidet daher eine u. U. langwierige Einzelrechtsübertragung aller Vermögensgegenstände des Einzelunternehmens. Der Erbteilsübertragung müsste freilich eine Teilauseinandersetzung über das Privatvermögen des Erblassers vorausgehen.
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Ist ein Miterbe minderjährig, bedürfen die Fortführung des Unternehmens als OHG und der Abschluss des Gesellschaftsvertrags der Genehmigung des Familiengerichts, §§ 1822 Nr. 3, 1643 Abs. 1 BGB.[64] Darüber hinaus muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden, wenn der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen selbst Mitglied der Gesellschaft wird, §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB. Die Ergänzungspflegschaft bezieht sich allerdings nur auf den Abschluss des Gesellschaftsvertrags, nicht auf das operative СКАЧАТЬ