Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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Grundvoraussetzung für eine angemessene Beurteilung potenziell ad-hoc- publizitätspflichtiger Sachverhalte ist deren rechtzeitige Kenntnisnahme durch das Ad-hoc-Gremium. Der Emittent muss hierfür durch die Implementierung geeigneter Prozesse Sorge tragen. Hierzu[167] sind die Fachabteilungen anzuweisen, potenziell erheblich kursrelevante Sachverhalte, inklusive der involvierten Mitarbeiter und Unternehmensexterner, an die Compliance-Funktion zur Aufnahme auf die Insiderliste zu melden. Die in dem Insiderverzeichnis geführten Personen müssen über die mit der Kenntnis von Insiderinformationen verbundenen rechtlichen Konsequenzen, d.h. über die Insiderverbote und die zu wahrende Vertraulichkeit informiert werden. Die BaFin hat hierzu ein Musterschreiben auf ihrer Internetseite zur Verfügung gestellt.[168] Vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten herrschenden Auffassung,[169] die die Aufklärung des Insiders als Voraussetzung für eine wirksame Selbstbefreiung ansieht, kommt der vorgenannten Aufklärungspflicht auch im Rahmen der Ad-hoc-Publizitätspflicht erhebliche Bedeutung zu.
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F. Ausblick
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Das Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung stellt keine Revolution dar, sondern eine Evolution des bisher geltenden Rechts.[170] Im Hinblick auf die Fortentwicklung zu einem echten Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen war es ein richtiger Schritt des europäischen Gesetzgebers, das Instrument der Verordnung zu nutzen, um eine Vereinheitlichung der Marktmissbrauchsregeln auf europäischer Ebene zu schaffen und Aufsichtsarbitrage vorzubeugen.
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Trotz der nun in allen EU-Mitgliedstaaten geltenden MAR wird es richtigerweise auch künftig zu Auslegungen durch nationale Aufsichtsbehörden kommen. In Deutschland hat die BaFin bereits angekündigt, den Emittentenleitfaden aus 2013 zu aktualisieren und damit über die bestehenden FAQs zur MAR hinaus den Marktteilnehmern weiterhin Hinweise zur Verwaltungspraxis gewähren. Es steht zu erwarten, dass andere nationale Aufsichtsbehörden ähnlich verfahren werden.
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Zu Beginn des Jahres 2017 veröffentlichte die ESMA ihr Arbeitsprogramm für 2017.[171] Teil dieses Programms ist die Fokussierung der ESMA auf die Konvergenz im Bereich der Aufsicht der nationalen Aufsichtsbehörden. Eine der Prioritäten ist hierbei auch die Implementierung der MAR. ESMA kündigt an, durch Q&A, Guidelines und andere Maßnahmen die Aufsichtskonvergenz zu erhöhen. Daher sind weitere Entwicklungen zur Auslegung der MAR, u.a. befeuert durch das Wechselspiel, ESMA einerseits und nationale Aufsichtsbehörden andererseits, zu erwarten, die dann auch auf die deutsche Aufsichtspraxis ausstrahlen dürften.
2. Teil Emittenten-Compliance › 3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › G. Zusammenfassung
G. Zusammenfassung
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– | Bei der Beurteilung der Ad-hoc-Publizitätspflicht inklusive der Selbstbefreiungsvoraussetzungen sieht sich der Rechtsanwender mit unbestimmten Rechtsbegriffen, einer uneinheitlichen Rechtsprechung und zahlreichen Streitfragen konfrontiert. |
– | Auch wenn die MAR einige Fragen durch Übernahme der Grundsätze des EuGH in Bezug auf die potenzielle Ad-hoc-Relevanz von Zwischenschritten kodifiziert hat, bleibt die entscheidende Frage offen, welche Kriterien für die Beurteilung der erheblichen Kursrelevanz anzulegen sind. |
– | Einem Probability Magnitude-Ansatz zur Bestimmung der erforderlichen hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit zukünftiger Umstände, wonach bei unsicheren Sachverhalten mit besonders hohem Kursbeeinflussungspotenzial geringere Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit zu stellen sind, erteilt die MAR wie der EuGH eine Absage. Es bleibt insoweit bei dem Erfordernis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit i.S.v. 50 plus 1 %. |
– | Die verschiedenen Zwischenschritte eines Sachverhaltes sind auf ihre Ad-hoc-Relevanz zu prüfen, selbst wenn das angestrebte Endergebnis nicht überwiegend wahrscheinlich ist. |
– | Resultiert die Kurserheblichkeit eines Zwischenschritts allerdings allein aus der Kurserheblichkeit des angestrebten Endergebnisses, ist zu der Bejahung der Kurserheblichkeit des Zwischenschritts eine überwiegende Eintrittwahrscheinlichkeit des Endergebnisses erforderlich. |
– | Da der Wortlaut der MAR, die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055, die ESMA und die BaFin einen Selbstbefreiungsbeschluss als eine notwendige Voraussetzung für eine wirksame Selbstbefreiung ansehen, muss der Emittent entsprechend verfahren und die Beschlussfassung dokumentieren. |
– | Bei einem Aufschub der Offenlegung der Insiderinformation ist das Vorliegen der Voraussetzungen ausführlich zu dokumentieren. |
– | Bei aufkommenden präzisen Gerüchten ist, anders als nach bisheriger Rechtslage, eine „no comment policy“ nicht mehr möglich. |
– | Um einen angemessenen Umgang mit potenziell ad-hoc-pflichtigen Sachverhalten zu gewährleisten, ist Emittenten zu empfehlen, ein Gremium zu implementieren und dessen Aufgaben und Befugnisse in einer durch den Vorstand zu beschließenden Geschäftsordnung zu dokumentieren. |
– | Soll einem Ad-hoc-Gremium die Befugnis eingeräumt werden, nicht nur Beschlussvorschläge für den Vorstand zu erarbeiten sondern über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiungsmöglichkeit auch selbst zu entscheiden, sollte der Selbstbefreiungsbeschluss unter Mitwirkung mindestens eines Vorstandsmitglieds erfolgen. |
– | Aufgrund der sich aus einem Verstoß ergebenden empfindlich erhöhten Haftungs- und Sanktions-Risiken, sollte der Emittenten der Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht weiterhin höchste Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen. |
2. Teil Emittenten-Compliance › 3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › H. Geschäftsordnungsmuster Ad-hoc-Gremium
I. Vorsitzender/Mitglieder
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1. | Ständige Mitglieder der Ad-hoc-Kommission sind[172] Leiter Compliance-Abteilung oder Leiter Rechtsabteilung – Vorsitzender – Leiter Kommunikationsabteilung Leiter Rechtsabteilung oder Leiter Compliance-Abteilung – stellvertretender Vorsitzender – |
2. |
Die Mitgliedschaft ist als ein persönlich übertragenes Amt zu betrachten. Insoweit ist eine Stellvertretung nur in begründeten Ausnahmefällen (z.B. Urlaub, Krankheit)
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