Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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I. Implementierung eines Ad-hoc-Gremiums
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Die Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung trifft zwar den Emittenten und damit dessen Gesamtvorstand. Jedoch ist in der Praxis zu beobachten, dass er sich in größeren Unternehmen in Ad-hoc-Fragen von einem hausinternen Gremium beraten lässt. Durch ein solches Gremium lassen sich die mit einer Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht verbundenen Risiken von Bußgeldzahlungen sowie Schadensersatzansprüchen[164] reduzieren. Eine Verletzung der Ad-hoc-Pflicht kann mit einem Bußgeld bis zu 2,5 Mio. EUR oder bis zu 2 % des (Konzern-) Umsatzes des Emittenten bei juristischen Personen und bis zu 1 Mio. EUR bei natürlichen Personen geahndet werden, jedoch nur bei einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Pflichtverstoß gegen Art. 17 MAR. Hinzu kommt die Veröffentlichung der Maßnahme mit Nennung des Namens auf der Webseite der BaFin, auch vor Bestands-/Rechtskraft („naming and shaming“). Im Rahmen von § 97 Abs. 2 WpHG ist als Verschuldensgrad für einen Verstoß gegen Art. 17 MAR grobe Fahrlässigkeit erforderlich, für deren Fehlen der Emittent darlegungs- und beweispflichtig ist. Eine Leichtfertigkeit bzw. grobe Fahrlässigkeit wird dabei umso weniger gegeben sein, je qualifizierter die an der Beurteilung der Ad-hoc-Publizität beteiligten Personen sind. Daher empfiehlt sich die Implementierung eines Fachgremiums zur Beurteilung der Ad-hoc-Publizität unterhalb der Vorstandsebene. Die wesentlichen Rahmenbedingungen der Tätigkeit eines solchen Ad-hoc-Gremiums sollten im Sinne einer adäquaten Governance in einer Geschäftsordnung mit folgenden Regelungsinhalten festgehalten werden:
– | Zielsetzung, |
– | Vorsitz/Mitglieder, |
– | Grundlagen der Zusammenarbeit und Rollen, |
– | Aufgabenbereich/Entscheidung, |
– | Beschlussfähigkeit/Beschlussfassung/Eskalation, |
– | Organisation und Koordination (Einberufung Sitzungen/Sitzungsprotokoll/Gäste). |
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Bei der Definition der Aufgaben stellt sich die Frage, ob das Ad-hoc-Gremium lediglich vorbereitend für den abschließend entscheidenden Vorstand Sachverhalte auf Ad-hoc-Relevanz inklusive Selbstbefreiungsmöglichkeit beurteilen soll. Alternativ kann das Gremium auch mit weitergehenden Befugnissen ausgestattet sein. Nach dem oben Gesagten ist der Vorstand nicht gehindert, die Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht gänzlich zu delegieren. Die Letztverantwortlichkeit für die gesetzeskonforme Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflichten verbleibt jedoch bei dem Vorstand als Organ des Normadressaten „Emittent“. Da zudem die Ad-hoc-Publizitätspflicht thematisch eng mit der allgemeinen Unternehmenskommunikation verzahnt ist, auf der regelmäßig ein besonderes Augenmerk des Vorstands liegt, wird in der Praxis grundsätzlich keine Volldelegation erfolgen. Eine Teildelegation in Bezug auf die Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Selbstbefreiung ist allerdings zur rechtzeitigen Reaktion in Eilfällen empfehlenswert. Eine Selbstbefreiung kann durch das Ad-hoc-Gremium schneller herbeigeführt werden, da der regelmäßig stark formalisierte Prozess einer Vorstandsbeschlussfassung nicht initiiert werden muss. Hierdurch reduziert sich das mit dem Nachschieben einer Selbstbefreiungsentscheidung verbundene Risiko.
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Voraussetzung einer Delegation von Aufgaben an das Ad-hoc-Gremium ist ein entsprechendes Mandat, da ansonsten einer Beschlussfassung durch das Ad-hoc-Gremium die innerbetriebliche, von dem Vertretungsorgan abgeleitete, Legitimation fehlt.[165]
Von einer solchen generellen Ausstattung mit Befugnissen ist die Delegation von einzelnen Entscheidungskomponenten im Einzelfall zu unterscheiden. Dies kann z.B. Fälle betreffen, in denen das „Ob“ und/oder der konkrete Zeitpunkt einer Ad-hoc-Veröffentlichung von dem Eintritt eines oder mehrerer Ereignisse abhängt, deren Eintritt offen ist. In solchen Konstellationen kann eine Delegation der Entscheidung über die Ad-hoc-Publizität bzw. die Bestimmung des konkreten Zeitpunkts der Veröffentlichung von dem Vorstand auf das Ad-hoc-Gremium sinnvoll sein.
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Neben den Aufgaben und Befugnissen des Ad-hoc-Gremiums ist die Frage des Vorsitzes sowie der Mitgliedschaft in der Geschäftsordnung zu regeln. Als ständige Mitglieder werden in dem Gremium regelmäßig die Compliance-, die Rechts- sowie die Kommunikations- und/oder die Investor-Relations-Abteilung fungieren. Zudem sollte auch die Finanzabteilung in dem Ad-hoc-Gremium, sei es als ständiges und ggf. stimmberechtigtes Mitglied vertreten sein oder im Einzelfall als sachverständiger Dritter hinzugezogen werden. Die Einbeziehung der Finanzabteilung ist nicht nur bei der stets wiederkehrenden Bewertung der Geschäftszahlen sinnvoll. Regelmäßig sind bei der Beurteilung der erheblichen Kursrelevanz anderweitiger Sachverhalte bilanzielle Auswirkungen ebenfalls in Betracht zu ziehen.
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Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein Vorstandsmitglied zugleich Mitglied des Ad-hoc- Gremiums sein sollte. Dies hat einerseits den Vorteil, dass der Auffassung der BaFin, nach der die Beteiligung mindestens eines ordentlichen Vorstandsmitglieds an der Entscheidung zur Selbstbefreiung erforderlich ist,[166] ohne weiteres Rechnung getragen werden kann. Andererseits erfordert die Befassung mit Ad-hoc-Themen, auch solchen, bei denen als Ergebnis eine Ad-hoc-Publizitätspflicht verneint wird, einen erheblichen Zeitaufwand und eine zeitliche Flexibilität, die in Bezug auf Vorstandsmitglieder nicht immer in dem erforderlichen Maß gegeben sein wird. Zumindest ein jederzeitiges Gastrecht kann jedoch für den Vorstandsvorsitzenden sowie das für die Compliance-Funktion zuständige Vorstandsmitglied in den Sitzungen des Ad-hoc-Gremiums sinnvoll sein.
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Des Weiteren ist in der Geschäftsordnung zu regeln, wie mit Sachverhalten zu verfahren ist, die von dem Ad-hoc-Gremium im Ergebnis als nicht ad-hoc-relevant beurteilt werden. Grundsätzlich wird in diesen Fällen eine abschließende Vorstandsbeschlussfassung vorzusehen sein, da die Entscheidung gegen eine Ad-hoc-Veröffentlichung aufgrund potenziell hoher Bußgeld- und zivilrechtlicher Haftungsrelevanz regelmäßig noch gewichtiger sein wird, als eine positive Beurteilung der Ad-hoc-Relevanz. Aus Praktikabilitätsgründen können hiervon allerdings solche Fälle ausgenommen werden, bei denen das Ad-hoc-Gremium einen Sachverhalt für offensichtlich nicht ad-hoc-relevant erachtet.
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Erstellt das Ad-hoc-Gremium ein Votum für den Gesamtvorstand, bietet sich an, einen entsprechenden Beschlussvorschlag in die vorgangsbezogene Vorstandsvorlage der Fachabteilung zu integrieren. Ist dies nicht oder nicht rechtzeitig möglich, hat das Ad-hoc-Gremium die Vorstandsentscheidung zur Ad-hoc-Publizität separat herbeizuführen.
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Ein weiteres in der Geschäftsordnung zu klärendes Thema ist die Frage, wie mit Unstimmigkeiten innerhalb des Ad-hoc-Gremiums umzugehen ist. Obwohl qua seiner Funktion jedes Mitglied dem alleinigen Interesse verpflichtet ist, den gesetzeskonformen Umgang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu gewährleisten, ist nicht auszuschließen, dass auch sachfremde Aspekte, wie etwa unzulässige Marketingerwägungen, bei der Beurteilung eine Rolle spielen können. Ein Vetorecht der Compliance-Funktion und ggf. zusätzlich der Rechtsabteilung erscheint vor diesem Hintergrund als sinnvoll. Grundsätzlich dürfte sich das Ad-hoc-Gremium jedoch um eine einvernehmliche Beschlussfassung bemühen. Ist eine solche im Einzelfall nicht möglich, sollte hierüber der Gesamtvorstand unter Darlegung der Gründe СКАЧАТЬ