Dichtung und Wahrheit. Johann Wolfgang von Goethe
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Название: Dichtung und Wahrheit

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818869

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СКАЧАТЬ als sei­nen Kam­mer­die­ner und war selbst in drin­gen­den Fäl­len nicht zu be­we­gen, dass er Au­di­enz ge­ge­ben hät­te. So­bald aber der böse Geist von ihm ge­wi­chen war, er­schi­en er nach wie vor, mild, hei­ter und tä­tig. Aus den Re­den sei­nes Kam­mer­die­ners, Saint Jean, ei­nes klei­nen ha­gern Man­nes von mun­t­rer Gut­mü­tig­keit, konn­te man schlie­ßen, dass er in frü­hern Jah­ren, von sol­cher Stim­mung über­wäl­tigt, großes Un­glück an­ge­rich­tet und sich nun vor ähn­li­chen Ab­we­gen, bei ei­ner so wich­ti­gen, den Bli­cken al­ler Welt aus­ge­setz­ten Stel­le, zu hü­ten ernst­lich vor­neh­me.

      Gleich in den ers­ten Ta­gen der An­we­sen­heit des Gra­fen wur­den die sämt­li­chen Frank­fur­ter Ma­ler, als Hirt, Schütz, Traut­mann, No­th­na­gel, Jun­cker, zu ihm be­ru­fen. Sie zeig­ten ihre fer­ti­gen Ge­mäl­de vor, und der Graf eig­ne­te sich das Ver­käuf­li­che zu. Ihm wur­de mein hüb­sches hel­les Gie­bel­zim­mer in der Man­sar­de ein­ge­räumt und so­gleich in ein Ka­bi­nett und Ate­lier um­ge­wan­delt: denn er war wil­lens, die sämt­li­chen Künst­ler, vor al­len aber See­katz in Darm­stadt, des­sen Pin­sel ihm be­son­ders bei na­tür­li­chen und un­schul­di­gen Vor­stel­lun­gen höch­lich ge­fiel, für eine gan­ze Zeit in Ar­beit zu set­zen. Er ließ da­her von Gras­se, wo sein äl­te­rer Bru­der ein schö­nes Ge­bäu­de be­sit­zen moch­te, die sämt­li­chen Maße al­ler Zim­mer und Ka­bi­net­te her­bei­kom­men, über­leg­te so­dann mit den Künst­lern die Wand­ab­tei­lun­gen und be­stimm­te die Grö­ße der hier­nach zu ver­fer­ti­gen­den an­sehn­li­chen Öl­bil­der, wel­che nicht in Rah­men ein­ge­fasst, son­dern als Ta­pe­tentei­le auf die Wand be­fes­tigt wer­den soll­ten. Hier ging nun die Ar­beit eif­rig an. See­katz über­nahm länd­li­che Sze­nen, worin die Grei­se und Kin­der, un­mit­tel­bar nach der Na­tur ge­malt, ganz herr­lich glück­ten; die Jüng­lin­ge woll­ten ihm nicht eben so ge­ra­ten, sie wa­ren meist zu ha­ger; und die Frau­en miss­fie­len aus der ent­ge­gen­ge­setz­ten Ur­sa­che. Denn da er eine klei­ne di­cke, gute aber un­an­ge­neh­me Per­son zur Frau hat­te, die ihm au­ßer sich selbst nicht wohl ein Mo­dell zuließ, so woll­te nichts Ge­fäl­li­ges zu stan­de kom­men. Zu­dem war er ge­nö­tigt ge­we­sen, über das Maß sei­ner Fi­gu­ren hin­aus­zu­ge­hen. Sei­ne Bäu­me hat­ten Wahr­heit, aber ein klein­li­ches Blät­ter­werk. Er war ein Schü­ler von Brink­mann, des­sen Pin­sel in Staf­fe­lei­ge­mäl­den nicht zu schel­ten ist.

      Schütz, der Land­schaft­ma­ler, fand sich viel­leicht am bes­ten in die Sa­che. Die Rhein­ge­gen­den hat­te er ganz in sei­ner Ge­walt, so wie den son­ni­gen Ton, der sie in der schö­nen Jah­res­zeit be­lebt. Er war nicht ganz un­ge­wohnt, in ei­nem grö­ßern Maß­sta­be zu ar­bei­ten, und auch da ließ er es an Aus­füh­rung und Hal­tung nicht feh­len. Er lie­fer­te sehr heitre Bil­der.

      Traut­mann rem­brand­tis­ter­te ei­ni­ge Au­fer­we­ckungs­wun­der des Neu­en Te­sta­ments und zün­de­te ne­ben­her Dör­fer und Müh­len an. Auch ihm war, wie ich aus den Au­fris­sen der Zim­mer be­mer­ken konn­te, ein ei­ge­nes Ka­bi­nett zu­ge­teilt wor­den. Hirt mal­te ei­ni­ge gute Ei­chen- und Bu­chen­wäl­der. Sei­ne Her­den wa­ren lo­bens­wert. Jun­cker, an die Nach­ah­mung der aus­führ­lichs­ten Nie­der­län­der ge­wöhnt, konn­te sich am we­nigs­ten in die­sen Ta­pe­ten­stil fin­den; je­doch be­quem­te er sich, für gute Zah­lung, mit Blu­men und Früch­ten man­che Ab­tei­lung zu ver­zie­ren.

      Da ich alle die­se Män­ner von mei­ner frühs­ten Ju­gend an ge­kannt und sie oft in ih­ren Werk­stät­ten be­sucht hat­te, auch der Graf mich gern um sich lei­den moch­te, so war ich bei den Auf­ga­ben, Be­rat­schla­gun­gen und Be­stel­lun­gen, wie auch bei den Ab­lie­fe­run­gen ge­gen­wär­tig und nahm mir, zu­mal wenn Skiz­zen und Ent­wür­fe ein­ge­reicht wur­den, mei­ne Mei­nung zu er­öff­nen gar wohl her­aus. Ich hat­te mir schon frü­her bei Ge­mäl­de­lieb­ha­bern, be­son­ders aber auf Auk­tio­nen, de­nen ich flei­ßig bei­wohn­te, den Ruhm er­wor­ben, dass ich gleich zu sa­gen wis­se, was ir­gend ein his­to­ri­sches Bild vor­stel­le, es sei nun aus der bib­li­schen oder der Pro­fan-Ge­schich­te oder aus der My­tho­lo­gie ge­nom­men; und wenn ich auch den Sinn der al­le­go­ri­schen Bil­der nicht im­mer traf, so war doch sel­ten je­mand ge­gen­wär­tig, der es bes­ser ver­stand als ich. So hat­te ich auch öf­ters die Künst­ler ver­mocht, die­sen oder je­nen Ge­gen­stand vor­zu­stel­len, und sol­cher Vor­tei­le be­dien­te ich mich ge­gen­wär­tig mir Lust und Lie­be. Ich er­in­ne­re mich noch, dass ich einen um­ständ­li­chen Auf­satz ver­fer­tig­te, worin ich zwölf Bil­der be­schrieb, wel­che die Ge­schich­te Jo­se­phs dar­stel­len soll­ten: ei­ni­ge da­von wur­den aus­ge­führt.

      Nach die­sen, für einen Kna­ben al­ler­dings löb­li­chen Ver­rich­tun­gen, will ich auch ei­ner klei­nen Be­schä­mung, die mir in­ner­halb die­ses Künst­ler­krei­ses be­geg­ne­te, Er­wäh­nung tun. Ich war näm­lich mir al­len Bil­dern wohl be­kannt, wel­che man nach und nach in je­nes Zim­mer ge­bracht hat­te. Mei­ne ju­gend­li­che Neu­gier­de ließ nichts un­ge­se­hen und un­un­ter­sucht. Einst fand ich hin­ter dem Ofen ein schwar­zes Käst­chen: ich er­man­gel­te nicht, zu for­schen, was dar­in ver­bor­gen sei, und ohne mich lan­ge zu be­sin­nen, zog ich den Schie­ber weg. Das dar­in ent­hal­te­ne Ge­mäl­de war frei­lich von der Art, die man den Au­gen nicht aus­zu­stel­len pflegt, und ob ich es gleich al­so­bald wie­der zu­zu­schie­ben An­stalt mach­te, so konn­te ich doch nicht ge­schwind ge­nug da­mit fer­tig wer­den. Der Graf trat her­ein und er­tapp­te mich. – »Wer hat Euch er­laubt, die­ses Käst­chen zu er­öff­nen?« sag­te er mit sei­ner Kö­nigs­leut­nants-Mie­ne. Ich hat­te nicht viel dar­auf zu ant­wor­ten, und er sprach so­gleich die Stra­fe sehr ernst­haft aus: »Ihr wer­det in acht Ta­gen«, sag­te er, »die­ses Zim­mer nicht be­tre­ten«. – Ich mach­te eine Ver­beu­gung und ging hin­aus. Auch ge­horch­te ich die­sem Ge­bot aufs pünkt­lichs­te, so­dass es dem gu­ten See­katz, der eben in dem Zim­mer ar­bei­te­te, sehr ver­drieß­lich war – denn er hat­te mich gern um sich –, und ich trieb aus ei­ner klei­nen Tücke den Ge­hor­sam so weit, dass ich See­kat­zen sei­nen Kaf­fee, den ich ihm ge­wöhn­lich brach­te, auf die Schwel­le setz­te; da er denn von sei­ner Ar­beit auf­ste­hen und ihn ho­len muss­te, wel­ches er so übel emp­fand, dass er mir fast gram ge­wor­den wäre.

      Nun aber scheint es nö­tig, um­ständ­li­cher an­zu­zei­gen und be­greif­lich zu ma­chen, wie ich mir in sol­chen Fäl­len in der fran­zö­si­schen Spra­che, die ich doch nicht ge­lernt, mit mehr oder we­ni­ger Be­quem­lich­keit durch­ge­hol­fen. Auch hier kam mir die an­ge­bor­ne Gabe zu stat­ten, dass ich leicht den Schall und Klang ei­ner Spra­che, ihre Be­we­gung, ih­ren Ak­zent, den Ton und was sonst von äu­ßern Ei­gen­tüm­lich­kei­ten fas­sen konn­te. Aus dem La­tei­ni­schen wa­ren mir vie­le Wor­te be­kannt; das Ita­liä­ni­sche ver­mit­tel­te noch mehr, und so horch­te ich in kur­z­er Zeit von Be­dien­ten und Sol­da­ten, Schild­wa­chen und Be­su­chen so viel her­aus, dass ich mich, wo nicht ins Ge­spräch mi­schen, doch we­nigs­tens ein­zel­ne Fra­gen und Ant­wor­ten be­ste­hen konn­te. Aber die­ses war al­les nur we­nig ge­gen den Vor­teil, den mir das Thea­ter brach­te. Von mei­nem Groß­va­ter hat­te ich ein Frei­bil­let er­hal­ten, des­sen ich mich, mit Wi­der­wil­len mei­nes Va­ters, un­ter dem Bei­stand mei­ner Mut­ter, täg­lich be­dien­te. Hier saß ich nun im Par­terre vor ei­ner frem­den Büh­ne und pass­te umso mehr auf Be­we­gung, mi­mi­schen СКАЧАТЬ