Dichtung und Wahrheit. Johann Wolfgang von Goethe
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dichtung und Wahrheit - Johann Wolfgang von Goethe страница 29

Название: Dichtung und Wahrheit

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818869

isbn:

СКАЧАТЬ

      Der Dol­metsch hat­te ge­wagt, das Ka­bi­nett zu er­öff­nen und hin­ein­zu­tre­ten, eine Hand­lung, die höchst ver­pönt war. »Was wollt Ihr?« rief ihm der Graf zor­nig ent­ge­gen. »Hin­aus mit Euch! Hier hat nie­mand das Recht her­ein­zu­tre­ten als Saint Jean.«

      »So hal­tet mich einen Au­gen­blick für Saint Jean«, ver­setz­te der Dol­metsch.

      »Dazu ge­hört eine gute Ein­bil­dungs­kraft. Sei­ner zwei ma­chen noch nicht einen, wie Ihr seid. Ent­fernt Euch!«

      »Herr Graf, Ihr habt eine große Gabe vom Him­mel emp­fan­gen, und an die ap­pel­lie­re ich.«

      »Ihr denkt mir zu schmei­cheln! Glaubt nicht, dass es Euch ge­lin­gen wer­de.«

      »Ihr habt die große Gabe, Herr Graf, auch in Au­gen­bli­cken der Lei­den­schaft, in Au­gen­bli­cken des Zorns die Ge­sin­nun­gen an­de­rer an­zu­hö­ren.«

      »Wohl, wohl! Von Ge­sin­nun­gen ist eben die Rede, die ich zu lan­ge an­ge­hört habe. Ich weiß nur zu gut, dass man uns hier nicht liebt, dass uns die­se Bür­ger scheel an­sehn.«

      »Nicht alle!«

      »Sehr vie­le! Was! die­se Städ­ter, Reichs­städ­ter wol­len sie sein? Ihren Kai­ser ha­ben sie wäh­len und krö­nen se­hen, und wenn die­ser, un­ge­recht an­ge­grif­fen, sei­ne Län­der zu ver­lie­ren und ei­nem Usur­pa­tor zu un­ter­lie­gen Ge­fahr läuft, wenn er glück­li­cher­wei­se ge­treue Al­li­ier­te fin­det, die ihr Geld, ihr Blut zu sei­nem Vor­teil ver­wen­den, so wol­len sie die ge­rin­ge Last nicht tra­gen, die zu ih­rem Teil sie trifft, dass der Reichs­feind ge­de­mü­tigt wer­de.«

      »Frei­lich kennt Ihr die­se Ge­sin­nun­gen schon lan­ge und habt sie als ein wei­ser Mann ge­dul­det; auch ist es nur die ge­rin­ge­re Zahl. We­ni­ge, ver­blen­det durch die glän­zen­den Ei­gen­schaf­ten des Fein­des, den Ihr ja selbst als einen au­ßer­or­dent­li­chen Mann schätzt, we­ni­ge nur, Ihr wisst es!«

      »Ja­wohl! zu lan­ge habe ich es ge­wusst und ge­dul­det, sonst hät­te die­ser sich nicht un­ter­stan­den, mir in den be­deu­tends­ten Au­gen­bli­cken sol­che Be­lei­di­gun­gen ins Ge­sicht zu sa­gen. Es mö­gen sein, so viel ih­rer wol­len, sie sol­len in die­sem ih­ren küh­nen Re­prä­sen­tan­ten ge­straft wer­den und sich mer­ken, was sie zu er­war­ten ha­ben.«

      »Nur Auf­schub, Herr Graf!«

      »In ge­wis­sen Din­gen kann man nicht zu ge­schwind ver­fah­ren.«

      »Nur einen kur­z­en Auf­schub!«

      »Nach­bar! Ihr denkt mich zu ei­nem falschen Schritt zu ver­lei­ten: es soll Euch nicht ge­lin­gen.«

      »We­der ver­lei­ten will ich Euch zu ei­nem falschen Schritt, noch von ei­nem falschen zu­rück­hal­ten. Euer Ent­schluss ist ge­recht: er ge­ziemt dem Fran­zo­sen, dem Kö­nigs­leut­nant; aber be­denkt, dass Ihr auch Graf Tho­ra­ne seid.«

      »Der hat hier nicht mit­zu­spre­chen.«

      »Man soll­te den bra­ven Mann doch auch hö­ren.«

      »Nun, was wür­de er denn sa­gen?«

      »Herr Kö­nigs­leut­nant! wür­de er sa­gen, Ihr habt so lan­ge mit so viel dunklen, un­wil­li­gen, un­ge­schick­ten Men­schen Ge­duld ge­habt, wenn sie es Euch nur nicht gar zu arg mach­ten. Die­ser hat’s frei­lich sehr arg ge­macht; aber ge­winnt es über Euch, Herr Kö­nigs­leut­nant! und je­der­mann wird Euch des­we­gen lo­ben und prei­sen.«

      »Ihr wisst, dass ich Eure Pos­sen manch­mal lei­den kann; aber miss­braucht nicht mein Wohl­wol­len. Die­se Men­schen, sind sie denn ganz ver­blen­det? Hät­ten wir die Schlacht ver­lo­ren, in die­sem Au­gen­blick, was wür­de ihr Schick­sal sein? Wir schla­gen uns bis vor die Tore, wir sper­ren die Stadt, wir hal­ten, wir ver­tei­di­gen uns, um un­se­re Re­ti­ra­de über die Brücke zu de­cken. Glaubt Ihr, dass der Feind die Hän­de in den Schoß ge­legt hät­te? Er wirft Gra­na­ten und was er bei der Hand hat, und sie zün­den, wo sie kön­nen. Die­ser Haus­be­sit­zer da, was will er? In die­sen Zim­mern hier platz­te jetzt wohl eine Feu­er­ku­gel, und eine an­de­re folg­te hin­ter­drein; in die­sen Zim­mern, de­ren ver­ma­le­dei­te Pe­king­ta­pe­ten ich ge­schont, mich ge­niert habe, mei­ne Land­kar­ten nicht auf­zu­na­geln! Den gan­zen Tag hät­ten sie auf den Kni­en lie­gen sol­len.«

      »Wie vie­le ha­ben das ge­tan!«

      »Sie hät­ten sol­len den Se­gen für uns er­fle­hen, den Ge­ne­ra­len und Of­fi­zie­ren mit Ehren- und Freu­den­zei­chen, den er­mat­te­ten Ge­mei­nen mit Er­qui­ckung ent­ge­gen­ge­hen. An­statt des­sen verdirbt mir der Gift die­ses Par­t­ei­geis­tes die schöns­ten, glück­lichs­ten, durch so viel Sor­gen und An­stren­gun­gen er­wor­be­nen Au­gen­bli­cke mei­nes Le­bens!«

      »Es ist ein Par­t­ei­geist; aber Ihr wer­det ihn durch die Be­stra­fung die­ses Man­nes nur ver­meh­ren. Die mit ihm gleich Ge­sinn­ten wer­den Euch als einen Ty­ran­nen, als einen Bar­ba­ren aus­schrei­en; sie wer­den ihn als einen Mär­ty­rer be­trach­ten, der für die gute Sa­che ge­lit­ten hat; und selbst die an­ders Ge­sinn­ten, die jetzt sei­ne Geg­ner sind, wer­den in ihm nur den Mit­bür­ger se­hen, wer­den ihn be­dau­ern und, in­dem sie Euch Recht ge­ben, den­noch fin­den, dass Ihr zu hart ver­fah­ren seid.«

      »Ich habe Euch schon zu lan­ge an­ge­hört; macht, dass Ihr fort­kommt!«

      »So hört nur noch die­ses! Be­denkt, dass es das Un­er­hör­tes­te ist, was die­sem Man­ne, was die­ser Fa­mi­lie be­geg­nen könn­te. Ihr hat­tet nicht Ur­sa­che, von dem gu­ten Wil­len des Haus­herrn er­baut zu sein; aber die Haus­frau ist al­len Eu­ren Wün­schen zu­vor­ge­kom­men, und die Kin­der ha­ben Euch als ih­ren Oheim be­trach­tet. Mit die­sem ein­zi­gen Schlag wer­det Ihr den Frie­den und das Glück die­ser Woh­nung auf ewig zer­stö­ren. Ja ich kann wohl sa­gen, eine Bom­be, die ins Haus ge­fal­len wäre, wür­de nicht grö­ße­re Ver­wüs­tun­gen dar­in an­ge­rich­tet ha­ben. Ich habe Euch so oft über Eure Fas­sung be­wun­dert, Herr Graf; gebt mir dies­mal Ge­le­gen­heit, Euch an­zu­be­ten. Ein Krie­ger ist ehr­wür­dig, der sich selbst in Fein­des Haus als einen Gast­freund be­trach­tet; hier ist kein Feind, nur ein Ver­irr­ter. Ge­winnt es über Euch, und es wird Euch zu ewi­gem Ruh­me ge­rei­chen!«

      »Das müss­te wun­der­lich zu­ge­hen«, ver­setz­te der Graf mit ei­nem Lä­cheln.

      »Nur ganz na­tür­lich«, er­wi­der­te der Dol­met­scher. »Ich habe die Frau, die Kin­der nicht zu Eu­ren Fü­ßen ge­schickt: denn ich weiß, dass Euch sol­che Sze­nen ver­drieß­lich sind; aber ich will Euch die Frau, die Kin­der schil­dern, wie sie Euch dan­ken, ich will sie Euch schil­dern, wie sie sich zeit­le­bens von dem Tage der Schlacht bei Ber­gen und von Eu­rer Groß­mut an die­sem Tage un­ter­hal­ten, wie sie es Kin­dern und Kin­des­kin­dern er­zäh­len und auch Frem­den ihr In­ter­es­se für Euch ein­zu­flö­ßen wis­sen: eine Hand­lung die­ser СКАЧАТЬ