Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
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Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers

Автор: Marge Piercy

Издательство: Автор

Жанр: Книги о войне

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isbn: 9783867548724

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СКАЧАТЬ mich wahrscheinlich nie mit Henri eingelassen. Dabei fällt mir ein, ich muss verhindern, dass Henri dieses Tagebuch liest, da ich ihn in solchen Dingen nicht für so gewissenhaft halte, wie ich es von Maman immer angenommen habe. Jetzt bin ich mir offen gestanden nicht mehr so sicher.

      Ab morgen haben sich diese Ungeheuer übrigens etwas Neues ausgedacht, wie sie uns peinigen können. Es ist uns verboten, in Restaurants, Cafés, Bibliotheken und Museen zu gehen oder öffentliche Fernsprecher zu benutzen, und wir dürfen nur im letzten Wagen der Metro fahren. Viele Läden sind uns gänzlich untersagt, und wir dürfen nur zwischen vier und fünf einkaufen, wenn sowieso alles ausverkauft ist, und nur an bestimmten Tagen. Solange ich bei Henri bleibe, habe ich meinen gelben Stern abgelegt, da unser Zusammenleben natürlich verboten ist, und ich werde nicht eher nach Hause zurückkehren, als bis Maman sich für die rohen Schimpfwörter entschuldigt hat und dafür, wie sie mich geohrfeigt hat (mehrmals). Darin bleibe ich fest. Ich habe nichts Schändliches getan, und ich schäme mich nicht – außer dafür, wie sie mich behandelt!

      Eine gute Lösung ist das nicht, denn wenn ich bei Henri bleibe, muss ich den gelben Stern entfernen, aber mein Ausweis – den wir zwanzigmal am Tag vorzeigen müssen – trägt in großen roten Buchstaben den Stempel JUIVE.

      Ich habe mich etwas mehr daran gewöhnt, mit Henri zu schlafen. Er fragt mich immer, ob ich gekommen bin, und ich sage wahrheitsgemäß, dass ich das bezweifle, aber dass ich gar nicht weiß, was das für ein Gefühl ist. Ich fange jedoch an, das Vorspiel zu genießen. Küssen und Streicheln müssen nicht notwendig als sentimentaler Zeitvertreib angesehen werden, sondern haben aufgrund ihres sinnlichen Gehalts durchaus ihre Berechtigung, finde ich.

      Mit Henri zusammenzuleben ist jedoch nicht sonderlich gemütlich. Mit Maman und Rivka habe ich meine gewohnten Regeln. Es ist einfacher, zu Hause für mein Studium zu lernen, und ich habe nur mitgenommen, was ich auf dem Rücken tragen konnte. Ich vermisse meine Bücher, meinen Sessel, meine café au lait-Tasse mit den Möwen drauf, die Papas copain Georges aus Dänemark mitgebracht hat. Henri hat keinerlei hausfrauliche Talente, und das WC auf dem Flur ist widerwärtig. Das Haus besteht aus winzigen Ein- und Zweizimmerwohnungen, wovon mehrere an Prostituierte vermietet sind, deren Kunden die ganze Nacht lang die Treppe hinunterpoltern. Ich werde Maman ein oder zwei Tage geben, um sich abzuregen, und dann werde ich erscheinen, wieder ganz die Alte, und sehen, ob wir Frieden schließen können.

      Die Szene verfolgt mich mit ihrer Eruption von Unvernunft, der in uns beiden entfesselten Gewalt – wie sie mich schlägt und die Kartoffeln hinwirft – und der Heftigkeit unserer Gefühle. Ich weiß nicht, warum ich nicht so ruhig bleiben konnte, wie ich es mir vorgenommen hatte, aber je mehr sie außer sich geriet, desto mehr wiederum geriet ich außer mich vor Zorn, ein böser Kreislauf. Jedes Mal, wenn ich an diese hässliche Szene denke, bin ich entsetzt, wie wir uns benommen haben, wie wir unsere Würde verloren haben und wie wir aneinander vorbeigeredet haben. Ich bin entschlossen, wieder in Frieden mit ihr zu leben, aber zu vernünftigen Bedingungen.

      16 juillet 1942

      Ich kann fast nicht schreiben. Ich habe so lange geweint, dass meine Augen geschwollen sind und brennen und meine Nebenhöhlen völlig verstopft sind.

      Maman und Rivka sind von der Polizei in einem Bus abgeholt worden – nicht allein, sondern mit abertausend anderen. Die Polizei hat gestern fünf Arrondissements abgeriegelt und macht heute weiter, die französische Polizei – annähernd tausend Polizisten, soweit ich erfahren konnte – hat zahllose Juden verhaftet, Männer, Frauen, Kinder, alte Leute, kleine Babys, schwangere Frauen, einfach alle. Die Polizei zwang die Menschen mitzukommen, nur mit dem, was sie gerade tragen konnten, und verlud sie in alte grüne Busse. Eine Zeitung schreibt, zehntausend Juden wurden verhaftet, eine andere Zeitung schreibt achtzehntausend, wieder eine andere schreibt achtundzwanzigtausend. Aber alle Zeitungen finden es eine wunderbare Idee und sind voll des Lobes, dass das Neue Europa von solchen Läusen wie uns befreit wird.

      Mir ist übel, und ich fühle mich zu elend, um noch etwas zu schreiben.

      18 juillet 1942

      Ich habe all meine Kraft darauf verwandt herauszufinden, wo Maman und Rivka festgehalten werden und was mit ihnen geschehen wird. Mir will nicht in den Kopf, wie sie Rivka etwas anhaben können, schließlich ist sie hier geboren, eine französische Jüdin von Geburt an. Und Maman ist vor zwanzig Jahren naturalisiert worden. Es erweist sich als sehr gefährlich, nach Maman und Rivka zu forschen, denn natürlich steht auch mein Name auf der Liste, die sie benutzen, um Leute abzuholen, und ich bin nur durch den Streit entkommen. Wäre ich doch bloß bei ihnen, dann könnte ich meinen kühlen Kopf einsetzen und mir die beste Strategie überlegen.

      Es ist unglaublich heiß diese Woche, la canicule. Paris ist nicht geschaffen für derartige Sommerhitze. Henris Zimmer ist einfach zu heiß, um darin zu schlafen. Wir sind sehr früh aufgestanden und hinausgegangen, hinunter an den Fluss, wo es ein bisschen kühler ist. Es ist nicht ungefährlich, auf der Straße zu sein, wenn so wenige unterwegs sind. Henri hat begonnen, seine Schwarzmarktbeziehungen anzuzapfen, um mir einen neuen Ausweis zu besorgen – einen arischen, wie es jetzt heißt.

      Aber neue Ausweise kosten sehr viel, und ich habe überhaupt kein Geld. Ich entdecke, dass ich äußerst ungern von Henri abhängig bin, und Henri ist ebenfalls überrascht davon, wie schnell sich die Situation zugespitzt hat. Ich habe das Gefühl, er möchte nicht, dass ich bei ihm wohne, obwohl er nichts gesagt hat. Anfangs fand er es toll, aber jetzt beginnen ihm die Folgen der Situation aufzugehen. Nun hat er mich am Hals, eine Jüdin, die sich verstecken muss, keinerlei Einkünfte hat, von der Universität geflogen ist und ständig weint.

      19 juillet 1942

      Ich habe herausbekommen, wo Maman und Rivka eingesperrt sind. Sie haben alle mit Kindern ins Vel d’Hiv gebracht, eine glasüberdachte Rennbahn mit großen Tribünen, wo im Winter Fahrradrennen stattfinden. Ich habe erfahren, dass tausende dort festgehalten werden. Vielleicht überprüfen sie ja bei allen die Ausweise. Rivka ist hier geboren, und Maman wurde mit achtzehn naturalisiert und hat obendrein einen hier geborenen französischen Juden geheiratet. Ich rechne damit, dass sie auf freien Fuß gesetzt werden, aber bisher scheint noch niemand entlassen worden zu sein. Ich kann nicht in Erfahrung bringen, weswegen sie festgehalten werden.

      20 juillet 1942

      Ich bin zufällig Daniela begegnet, sie ist auch entkommen. Sie sagte, sie sei durch das Netz gewarnt worden, unmittelbar bevor es passierte, so dass sie und ihre Eltern um drei Uhr früh mit nichts aus der Wohnung flohen. Sie sind gerade noch durchgeschlüpft, bevor der Polizeikordon sich geschlossen hat. Sie sagt, mit guten Papieren könnte ich durchkommen und sie wüsste, wo welche zu kriegen sind. Aber dafür brauche ich unbedingt Geld. Sobald ich nicht-jüdische Ausweispapiere habe, kann sie mir Arbeit in einem Krankenhaus besorgen, schlecht bezahlt, aber genug für den Lebensunterhalt. Ich muss mir das Geld für die Papiere besorgen, und zwar schnell.

      Ich ging nach Hause und bat Henri, seinem Vater zu sagen, er habe ein junges Mädchen geschwängert und brauche Geld für eine Abtreibung. Denn ich denke, sein Vater wird es ihm geben, zusammen mit einer Moralpredigt, von der beide kein Wort glauben werden. Henri bekam es mit der Angst, war aber einverstanden. Das wächst ihm alles über den Kopf. Er wollte nicht einmal mit mir schlafen. Nach meiner Einschätzung ist das keine stabile Situation.

      Daniela ist meiner Meinung, dass wir herausbekommen müssen, was mit unserem Volk im Vel d’Hiv geschieht. Wir haben unsere Privatuni in aller Form aufgelöst. Wir glauben beide, sichtbare jüdische Organisationen ins Leben zu rufen bedeutet nur, sich in Reih und Glied zum Abschuss aufzustellen. Daniela sagt, dass wir Widerstand leisten müssen, aber bis jetzt hat sie noch nicht gesagt, wie. In meinen Augen ist das nichts als heiße Luft, als sagte ein machtloses, zorniges Kind zu jemandem, der ihm wehgetan hat: Dich kriege ich. Dir werd ich’s zeigen.

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