Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
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Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers

Автор: Marge Piercy

Издательство: Автор

Жанр: Книги о войне

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isbn: 9783867548724

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СКАЧАТЬ und enge Hosen, das Haar lang und voller Pomade, um die Faschisten auf die Palme zu bringen. Die behaupten, die zazous sind der Gipfel der Entartung und der Grund für Frankreichs Niederlage im Krieg, weil wir alle degeneriert und korrupt sind und der Jazz unseren Geist zerstört hat.

      Heute Morgen stand ich von fünf bis acht nach Brot an. Ich bin völlig fertig und habe beschlossen, mich nach meiner Philosophiestunde ein bisschen hinzulegen. Ein paar von uns, die wir von der Universität relegiert worden sind, treffen sich dreimal in der Woche. Eine Studentin im sechsten Semester unterrichtet uns aus ihren Vorlesungsnotizen, und Daniela Rubin organisiert weitere Dozenten. Professor Moussat, der gerade als Jude denunziert und aus der École des Études Orientales entfernt worden ist, wird über die Ideenwelt des Buddhismus lesen. Ich bin nicht so fasziniert, wie ich es vielleicht noch vor einem Jahr gewesen wäre, aber zumindest ist es eine Ausbildung in etwas anderem als dem Ergattern von etwas Essbarem. Daniela und ich sind die treibende Kraft hinter diesem Bemühen, eine kleine Lehranstalt zu errichten, vermittels deren wir den Versuch zu durchkreuzen hoffen, uns in Unwissenheit zu halten! Sie ist ein Jahr älter als ich und wollte Ärztin werden. Ach, Daniela hat mir erzählt, was dem jüdischen Pfadfinder geschehen ist, der uns die neuen Ausweise verschaffen wollte: erschossen. Er war Teil eines Netzes, das Juden aus Frankreich heraus in Sicherheit schmuggelt. Jetzt tut es mir leid, dass wir nicht netter zu ihm waren, aber wir waren misstrauisch.

      Nach meinen Stunden werde ich Henri besuchen gehen, obwohl es mir sehr seltsam vorkommt, den Hügel hinauf an der Sorbonne vorbeizugehen, von der ich vertrieben worden bin. Unsere »Kom«-militonen reagierten nach dem Motto: Ach, ich wusste gar nicht, dass du Jüdin bist. Sie hätten die Universität stilllegen können, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, wegen unseres Ausschlusses zu streiken. Ich würde Henri so gern ein Geschenk mitbringen, aber wir haben die Leckerbissen von Naomi längst aufgegessen.

      Gestern auf der Straße kam mir plötzlich der Gedanke, in welchem Maße man jetzt den Menschen ihre politische Gesinnung am Gesicht ablesen kann. Das heißt, die, die mit den Deutschen kollaborieren, sehen alle wohlgenährt und blühend aus. Sie bekommen etwas Richtiges zu essen – Butter, Eier, Hühnchen, manchmal sogar Fleisch –, und sie haben Seife, um sich damit zu waschen, und manche sogar Heißwasser. Wir Übrigen werden immer dünner und ausgemergelter und schmutziger. Wir Juden sind die Dünnsten und Schäbigsten von allen. Es ginge uns noch viel schlimmer, wenn ich nicht durch Henri und Céleste meine Schwarzmarktbeziehungen hätte.

      6 juin 1942

      Wenn ich auch nur etwas weniger Vertrauen zu Maman hätte, würde ich nicht wagen, heute etwas einzutragen. Aber sie ist noch nie in die Privatsphäre meines Tagebuchs eingedrungen, und ich glaube auch nicht, dass sie es je tun würde. Trotzdem halte ich es für eine gute Idee, es nach dieser Eintragung immer mitzunehmen, für alle Fälle.

      Ich war bei Henri in der Rue Royer Collard. Er saß im Bett mit einem großen Verband um den Kopf, sein Auge war blau und schwarz und scheußlich geschwollen, und seine Backe war auch geschwollen, wo ihm die Schläger von der PPF einen Zahn ausgebrochen haben.

      Diese Faschistenspiele, in Rudeln Leute auf der Straße zu verprügeln, sind für manche wie eine Droge. Es ist eine Genehmigung, ungestraft Schmerz zuzufügen. Henri sagt, es ist eine Form von amoklaufendem Infantilismus, aber ich halte es für etwas Böseres. Henri besteht darauf, es gäbe nichts Böseres als bewaffnete Kleinkinder in Horden, die wollen, was sie wollen und wann sie es wollen, und es sich nehmen. Er sagt, dass viele Leute auf der Straße vorbeigingen und niemand eingriff, und dass ein flic vorbeikam, aber als er sah, wer da prügelte und wer da verprügelt wurde, wandte er sich ab und schlenderte unauffällig davon.

      Albert war heute Nachmittag weg, um auf dem Schwarzmarkt Eier zu besorgen. Henri und Albert teilen sich ein Zimmer, das zum größten Teil von Henris Vater bezahlt wird. Sein Vater, der einen Nachtclub besitzt und Henris Mutter nie geheiratet hat, gibt ihm Geld. Henri sagt, der Nachtclub ist voller Deutscher, nicht nur die hier stationierten Wehrmachtsoldaten, sondern Soldaten, die auf Fronturlaub aus ganz Europa hierher kommen, um zu erleben, was sie »Paris bei Nacht« nennen. Die Nazis haben die Namen vom Théâtre Sarah Bernhardt und von jeder Straße in Paris geändert, die nach einem Juden benannt ist, und jeden Verleger in Paris (mit Leichtigkeit) überredet, keine jüdischen Schriftsteller mehr zu veröffentlichen und die Kataloge zu bereinigen, und da sitzen sie nun im Club von Henris Vater und fünfzig anderen und schlürfen Champagner und stopfen sich voll, während immer wieder Offenbachs Cancan gespielt wird und sie die feschen Tänzerinnen beglotzen. Sie können Cancan nicht ohne die Musik von einem Juden kriegen, also tun sie, als wüssten sie von nichts. Henri und ich haben eine Vorliebe für diese Art billiger Ironie, das ist wie eine Schwäche für zu süße, aber unwiderstehliche Bonbons.

      Dann nahm er meine Hand und sah mir in die Augen, wie er es immer tut, und sagte, er hätte den Stern für mich getragen. Er sagte, dass er es nicht mehr ertragen kann, und wenn ich jetzt, wo sein Kopf kahlrasiert und er entstellt ist, nicht mit ihm schlafen will, dann kann er ebenso gut aufgeben und nach Deutschland gehen wie Albert, der zur Arbeit zwangsverpflichtet worden ist, aber er wird sich dann freiwillig melden und wenigstens etwas Geld verdienen.

      »Du versuchst mich zu erpressen«, sagte ich.

      »So weit ist es gekommen«, sagte er. »Sag mir, was ich tun soll, und ich tue es. Ich würde dich sogar heiraten, nur ist das leider verboten.«

      »Wenn es erlaubt wäre, würdest du mir den Antrag nicht machen, Henri, aber davon abgesehen finde ich die Ehe ungefähr so attraktiv wie das Dasein einer Prostituierten, und ich lasse mir meine Gunst nicht gerne bezahlen.«

      »Dein Hang zur Romantik und zur Sentimentalität macht mich noch wahnsinnig«, sagte er.

      »Wie kannst du an Beischlaf denken?«, fragte ich ihn und benutzte absichtlich das vulgäre Wort. »Du kannst dich kaum aufsetzen, du schaffst nicht einmal, die Treppe hinunter auf die Straße zu gehen, und du bist wild darauf, mich zu deflorieren!«

      »Das könnte ich noch, wenn mir die Beine amputiert wären. Gib mir eine Chance.« Er zerrte weiter an mir.

      Mir wurde klar, was ich schon seit einiger Zeit weiß, dass ich entweder aufhören muss, mich mit Henri zu treffen, oder mit ihm ins Bett gehen muss. Ich habe ihn über ein Jahr lang hingehalten, aber er wird immer zudringlicher. Ich bin nicht in ihn (oder sonst jemand) verliebt, aber ich mag ihn. Ich fürchte, ich bin im Grunde eine kalte Person, was romantische Liebe und romantisierten Sex angeht. Ich halte beides für Selbsthypnose. Ich schaue zu, wie Frauen um mich herum sich in Lebewesen verlieben, die ebenso gut große verspielte oder kleine rauflustige Hunde sein könnten, und bin verblüfft, wie das Gehirn sich einfach abschaltet, wenn die Hormone durch den Körper gepumpt werden.

      Marie Charlotte, die früher meine beste Freundin war und einmal irrtümlich für eine Jüdin gehalten wurde, weil sie immer mit mir herumlief, ist jetzt in einen deutschen Leutnant verliebt. Da er zu den herrschenden Eroberern gehört und Offizier ist, gestattet ihre Familie ihm, ihr den Hof zu machen. Sie sagen, das ist ehrenwert. Ich weiß das alles, weil Marie Charlotte immer noch auf mich wartet und mir Zeichen gibt, ihr an unsere alte Schwatzstelle im kleinen Park Georges Cain gleich bei unserem alten lycée zu folgen. Da sitzen wir dann zwischen den zerbrochenen Statuen oder unter dem alten Feigenbaum, wie wir es früher taten. Ich nehme mir immer wieder vor, sie links liegen zu lassen, aber wenn ich sie sehe, erinnere ich mich, wie nah wir uns waren, und kann nicht mit ihr brechen.

      Ich schiebe vor mir her aufzuschreiben, was ich getan habe. Ich wand mich aus Henris ziemlich enger Umarmung, bemüht, ihm nicht wehzutun. Dann setzte ich mich von ihm weg auf einen Stuhl. Ich versuchte mir darüber klar zu werden, ob ich ihn verlassen und nie wiedersehen soll, aber ich mag Henri sehr, und ohne ihn und meine anderen Freunde müssten wir noch viel mehr hungern. Rivka ist so dünn, dass es mir Sorge macht. In ihrem Alter hat bei mir die Menstruation angefangen, und so war es auch bei Maman, aber bei СКАЧАТЬ