Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор: Marge Piercy
Издательство: Автор
Жанр: Книги о войне
isbn: 9783867548724
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Ich saß also auf dem Stuhl und sagte geradeheraus: »Gut, Henri, hör zu. Ich werde mit dir schlafen. Aber nicht heute. Erhol dich erst von deiner Schlägerei.«
»Ich habe mich schon genug erholt, ich schwöre es, dafür habe ich mich genug erholt.«
»Aber ich schwöre, für mich wäre es kein Genuss, mit einem Mann zu schlafen, wenn ich jeden Augenblick Angst haben müsste, ihm mehr wehzutun als das Faschistengesindel. Willst du, dass ich es genieße, oder ist dir das egal?« Ein billiges Argument, aber eines, dessen Wirkung ich nicht bezweifelte.
Er versicherte mir, ihm läge nichts mehr am Herzen als mein Genuss, und er sei fest entschlossen, mich in einen Taumel der Lust zu versetzen, sobald ich mich in sein Bett begäbe. Ich erinnerte ihn daran, dass Albert erst am Monatsende zum Arbeitseinsatz eingezogen wird. Ich möchte ungern Albert zum Zeugen haben. Die Intimsphäre ist mir wichtig.
»Du willst mich nur abwimmeln.«
»Henri, habe ich dir je versprochen, mit dir zu schlafen?«
Er gab zu, dass ich das immer abgelehnt hatte.
»Jetzt verspreche ich es. Wenn Albert nach Deutschland abgereist ist. Bis dahin wirst du wieder heile Haut und Haare haben –«
»Du liebst mich nicht ohne Haare.«
»Im Moment siehst du aus wie eine Zwiebel. Aber dann werde ich tun, was du verlangst.«
»Das ist nicht mal mehr einen Monat hin.«
Ich wusste, ich hatte ihn überredet. Ich fand auch, ich hatte Gott eine Chance gegeben, mich zu retten, wenn er es will, und dem Schicksal, wenn es mir geneigt ist. Und so, mein Tagebuch, habe ich mein Versprechen gegeben. Nicht, dass ein simples, recht lästig platziertes Häutchen mir irgendetwas bedeutet. Es geht mir eher darum, dass ich für mein Empfinden eine gewisse Klarheit besitze, die mir bei den meisten Frauen nicht begegnet. Ständig tun oder lassen sie etwas oder glauben oder bezweifeln etwas oder kommen oder gehen, weil der Mann, an dem sie hängen geblieben sind, es so will. Wenn ich nun in Zukunft mit Henri schlafen muss, so will ich versuchen, gelassen zu bleiben und einen klaren Kopf zu bewahren und nie zu glauben, nur weil wir unsere Körper zusammentun, mache ihn das intelligenter, als er ist, oder zu einer Art Genie.
6 juillet 1942
Heute habe ich mein Versprechen eingelöst. Am Tag, als Albert abreiste und wir ihn zum Zug brachten, bekam ich meine Regel. Ich sehe das als den letzten Versuch meines Körpers, das Unvermeidliche abzuwenden. Heute hatte ich keine Ausrede mehr. Wie es schließlich auch Scheherazade ergangen sein muss, mir fiel nichts mehr ein, und mein Moment der Wahrheit kam, doch mein König Henri zeigte keine Gnade.
Ich war zu ängstlich, um viel zu spüren außer Unbehagen und etwas Schmerz, aber ich denke, ich werde mich an den Geschlechtsakt gewöhnen und ihn genießen lernen. Es wäre dumm von mir, es nicht zu tun, da ich genötigt bin, ihn zu vollziehen; ich kann mir ebenso gut einige Techniken und ein wenig Hingabe aneignen. Ich habe viele Fragen, die ich Henri stellen möchte, aber mir ist aufgefallen, dass intelligente Fragen oder auch nur der Wunsch, Beobachtungen während des Aktes zur Sprache zu bringen, ihn schrumpfen lassen, also werde ich warten, bis er sich mir gegenüber selbstsicherer fühlt.
Ich wollte besonders seinen Penis sorgfältig untersuchen, doch er wollte zwar, dass ich ihn in die Hand nahm, schien aber nicht angenehm berührt von meinem Wunsch, ihn als unbekannten Gegenstand zu erkunden. Ich denke, es wird die Zeit kommen, um auch diese Neugier zu befriedigen.
Ich empfand keine Verzückung, und der eigentliche Verkehr war eher schmerzhaft. Ich blute stark, als hätte meine Regel wieder eingesetzt, was genau das war, was ich Maman gesagt habe. Unsere Körper sind in dieser Zeit so sonderbar, bei der Ernährung oder vielmehr dem Mangel daran, dass uns keine ungewöhnlichen Wehwehchen oder Schmerzen oder Unregelmäßigkeiten überraschen.
Ich freue mich, dass ich in mir keine Veränderung meiner Gefühle für Henri ausmachen kann. Ich fühle mich nicht von Liebe heimgesucht wie von einem herabgestiegenen Engel, ich träume nachts nicht von ihm (ich habe neulich von Papa und ständig vom Essen geträumt, und gestern Nacht träumte ich, ich nähme ganz allein ein riesiges, heißes Schaumbad), und ich habe nicht mehr Verlangen danach, ihn zu sehen, als sonst auch. Ich bin so gern mit ihm zusammen wie vorher. Vielleicht erweisen sich meine schlimmsten Ängste als unbegründet.
Ich habe ihn gezwungen, ein Kondom zu benutzen, obwohl er protestierte, es reiche aus, wenn er sich zurückzöge, bevor er käme, und er sei darin geübt, diesen Zeitpunkt abzuschätzen. Ich erinnere mich an all die Geschichten in der Schule über Mädchen, die schwanger wurden, weil ihre Freunde einen Coitus interruptus praktizieren wollten, aber nicht schnell genug unterbrachen. Ich werde in diesem Punkt nicht mit mir reden lassen.
14 juillet 1942
Ich hatte gerade mit Maman den schlimmsten Streit meines Lebens. Henri hat mir seit letzter Woche alle möglichen Geschenke gegeben, sechs Eier, zwei Kilo Kartoffeln und eine ganze Einkaufstasche voll frischem Gemüse vom Bauernhof seines Onkels und schließlich ein Huhn. Ich dachte, Maman und Rivka würden sich riesig freuen. Das taten sie bestimmt auch, aber dann fing Maman gestern davon an, wieso uns plötzlich solche Großzügigkeit zuteil wird. Ich wehrte sie mit einem Witz ab und zog mich in meine Studien zurück.
Dann stand sie heute Morgen vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt, und sagte: »Yakova, lüg mich nicht an. Schläfst du mit diesem Henri?«
»Mutter«, sagte ich, »erstens ist mein Name Jacqueline. Das ist mein gesetzlicher Name, das ist der Name, den ich benutze, und das ist der einzige Name, auf den ich höre. Mich Yakova zu nennen ist nur ein Trick, damit ich mir wie ein Kind vorkomme. Zweitens lüge ich dich nie an. Ich habe zu viel Achtung vor beiden von uns. Wenn du mich in der Vergangenheit gefragt hast, habe ich dir immer wahrheitsgemäß geantwortet. Es wäre mir lieber, du würdest mich zu diesem Thema nicht befragen, da das meine eigene, private Entscheidung ist.«
»Schläfst du mit ihm?«, wiederholte sie.
»Jawohl«, sagte ich.
Sie ohrfeigte mich und nannte mich eine Hure! Sie sagte, sie wolle solches Essen nicht, und ging so weit, Kartoffeln auf den Fußboden zu werfen. Sie sagte mir, ich hätte ab sofort Hausarrest und dürfe Henri und keinen dieser zwielichtigen Freunde je wiedersehen. Ich sagte, das sei völliger Unsinn und ich hätte eine Verabredung mit ihm, die ich auch einzuhalten gedächte. Er sei mein Freund, der wegen seiner Solidarität zu mir zusammengeschlagen worden sei, und wir könnten alle Freunde brauchen, die wir nur hätten. Ich sagte ihr nicht, dass Céleste und Henri und ich heute Exemplare einer neuen Untergrundzeitung abholen wollen, als Beitrag zu den ungesetzlichen Feiern zum Tag der Bastille.
Sie ohrfeigte mich wieder, mehrmals, und verlor, glaube ich, völlig die Beherrschung. Wir begannen beide, uns anzukreischen wie die Straßenhuren. Schließlich habe ich mich eine halbe Stunde lang ins Badezimmer eingeschlossen, bis ich meine Beherrschung wiedergefunden hatte, und die ganze Zeit über hämmerte sie an die Tür, so dass alle Nachbarn es gehört haben müssen. Dann habe ich ein paar Sachen in meinen alten Rucksack gepackt und bin in die Rue Royer Collard gekommen, wo ich ab jetzt bleibe.
Ich bin wütend auf sie. Sie hat überhaupt keinen Versuch unternommen, meinen Standpunkt zu verstehen, und so einen völligen Mangel an Achtung vor meinem Urteilsvermögen und meinem Charakter gezeigt. Ihre СКАЧАТЬ