Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор: Marge Piercy
Издательство: Автор
Жанр: Книги о войне
isbn: 9783867548724
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Abra stöhnte. »Aber, Karen Sue, Ready denkt doch nicht, dass du Jungfrau warst, oder?«
»Was er in der Hinsicht denkt, braucht uns im Moment nicht zu beschäftigen, Abra, und so wahr du meine Freundin bist, möchte ich nicht, dass du über Dinge aus meinem vergangenen Leben sprichst, über die du sowieso nicht die ganze Wahrheit weißt, und deswegen schafft solches Gerede nur Verdruss. Ein loser Mund setzt Schiffe auf Grund.«
Abra ging grantig nach Hause. Sie wurde nicht gern vor die Wahl gestellt, Ready eine Wahrheit zu verschweigen, die ihn interessieren mochte oder auch nicht, oder aber Karen Sue zu verärgern, die sie wirklich mochte. Verflixte Karen Sue, hatte sie vielleicht die Absicht, Abras Schwägerin zu werden? Sie konnte sich das Bild nicht recht vorstellen, aber vielleicht konnte es Karen Sue, in einem goldenen Rahmen.
Wenn sie ihren Freundinnen genau erzählt hätte, was sie tat, hätte ihnen das ebenso sehr Rätsel aufgegeben, wie die Kartoffelbroschüre sie langweilte. Im Moment schienen Oscar und sie im Altkleiderhandel tätig zu sein. Nach wie vor sammelten sie mündliche Geschichten von neu angekommenen Emigranten, insbesondere von solchen, deren vormalige Adressen oder Geburtsorte von militärischer oder industrieller Bedeutung waren. Außerdem sammelten sie Armbanduhren, Füllfederhalter, Rasierapparate, Brieftaschen, Koffer, Unterwäsche, Mäntel, Hemden. Sie bezahlten für alles und hatten eine entfernt plausible Erklärung: Sie ermittelten den Zustand der deutschen Wirtschaft, und die Verarbeitung und die Metalle einer Uhr oder die Stoffqualität eines Anzugs konnten nützliche Informationen liefern. Alles wurde in ein Lagerhaus in Washington verfrachtet, wo dieses zusammengeraffte Material Agenten ausstattete, die hinter den feindlichen Linien abgesetzt werden sollten.
Die Informationen, die sie sammelten, die Erinnerungen, gingen ebenfalls nach Washington. Der Agent, der vor ihnen diese Sammlung von Informationen und Flohmarktfutter durchgeführt hatte, war nach London versetzt worden, wo er wahrscheinlich an etwas arbeitete, das mehr nach Oscars Geschmack war. So nahm nun Oscar jede Woche den Zug nach Washington, nicht nur, um die verknautschten Beutestücke der Woche auszuliefern, sondern auch, um sich in die eigentliche Recherche- und Analyse-Arbeit hineinzutricksen und hineinzuintrigieren. Die R & A-Abteilung von OSS in Washington, knurrte Oscar, wimmele von brillanten Köpfen. Sie mussten es schaffen, nach Washington abkommandiert zu werden.
Oscar verzehrte sich vor unterdrücktem Groll. Sie arbeiteten bis spät in die Nacht, versuchten, ihr Bestes zu geben, an sechs, oft sieben Tagen in der Woche, doch Oscar trat auf der Stelle. Er hatte die Columbia nicht verlassen, um alte Kleider zu sammeln, und er gab akademischen Rivalitäten die Schuld an dem, was er als sinnlose Vergeudung seiner Talente sah. Mit wachsender Frustration geschah es, dass er sie bat, ihn Oscar zu nennen, und in der Tat begann er, sich vertraulich bei ihr zu beklagen wie bei einer Ehefrau oder Geliebten. Abra, die die Berichte der Flüchtlinge immer noch faszinierend fand, litt weniger an Ungeduld. New York war ihr Zuhause, genau wie Oscars. Obwohl sie sich mit einem möglichen Umzug nach Washington abgefunden hatte, brannte sie nicht darauf, dorthin zu kommen.
Sie beobachtete amüsiert, wie sich unter dem Druck, den er erzeugte, die Förmlichkeit zwischen ihnen nach und nach abschliff. Sie war Abra, er war Oscar. Mittags aßen sie zusammen im Deli unten auf der Madison Avenue, oder sie ging ein paar Sandwiches holen. An dem Tag, an dem Oscar einen Kommunisten befragte, der bei der Handelsmarine gewesen war und daher voller Einzelheiten über den deutschen Schiffsbestand steckte, so dass ein ganzes Dossier über ihn zu OSS nach Washington gehen konnte, an dem Tag führte er sie in ein spanisches Restaurant in der Vierzehnten Straße zum Essen aus. Dort schien der Kellner ihn zu kennen, und der Geschäftsführer kam und brachte eine Platte mit kleinen Leckereien als Geschenk des Hauses, die sie zu ihrem Amontillado knabberten.
Von dem Essen und dem Wein blühte Oscar auf. Nicht, dass er auch nur im Leisesten beschwipst wurde, er entspannte sich einfach, und Entspannen hieß bei ihm, sie mit Beschlag zu belegen, zu bezaubern, sich für Privates zu öffnen, wie er es in den neun Monaten ihrer Arbeitsbeziehung bisher vermieden hatte.
»Wir waren vier«, sagte er. »Ich bin der Älteste. Als Nächster kam mein Bruder Ben, er ist immer noch in Pittsburgh und hat eine chemische Reinigung. Dann die beiden Mädchen, Bessie, die mit einem Zahnarzt verheiratet ist und so dick wie wir beide zusammen, eine wundervolle, warmherzige Mutter von fünf Kindern. Dann meine jüngste Schwester Gloria.« Er schaute finster auf seinen Teller mit Meeresfrüchten.
»Was macht sie?«
»Wenn ich das wüsste. Sie ist in Paris.«
»Immer noch? Warum ist sie nicht weggegangen, bevor der Krieg ausbrach?«
»Der Krieg hat dort zwei Jahre früher als hier angefangen, müssen Sie bedenken. Sie hat einen Franzosen aus dem niederen Adel geheiratet, und sie ist Modejournalistin. Ihr Metier, das sind die neuesten Kreationen der französischen Couturiers. Ich glaube, sie kam gar nicht auf den Gedanken, dass der Krieg Auswirkungen auf ihr Leben haben könnte. Und ich weiß nicht, ob er es tatsächlich hat.« Er rieb sich die Nase, als müsste er sie blankpolieren, und runzelte leicht die Stirn.
»Hat sie Kinder?«
»Nein, vereinbarungsgemäß nicht. Er ist ein ganzes Stück älter und hat Kinder aus einer früheren Ehe, die erbberechtigt sind.«
»Wenn er reich und adelig ist, muss er doch in der Lage sein, sie zu schützen, meinen Sie nicht?«
»Das hoffe ich. Es ist hart, nichts zu hören. Wir haben immer alle miteinander in Verbindung gestanden. Ich werde im September für die Hohen Feiertage nach Pittsburgh fahren, zu meiner Mutter. Gloria ist immer alle zwei Jahre herübergekommen, und ich habe sie in Paris besucht.« Er neigte den Kopf und schenkte von dem herben Rotwein nach. »Wie ist Ihre Familie? Stehen Sie sich nahe?«
Im Laufe der Mahlzeit bekam sie das Gefühl, dass Oscar schon andere Frauen hierher gebracht hatte und dass ein Teil des persönlicheren Tons dieses Abends nicht Berechnung oder Absicht von seiner Seite war, sondern einfach die Beibehaltung eines bereits bestehenden und angenehmen Musters. Sie musste innerlich schmunzeln. Genau wie sie war er es wahrscheinlich gewohnt, am Tisch irgendwelchen Liebsten gegenüberzusitzen, so dass beide die gewohnte Innigkeit auch an diesen Tisch mitbrachten. Dennoch wurde ihr die Zeit nicht lang wie so oft, wenn Männer über sich selbst redeten, denn ihre Neugier war von den Monaten unpersönlicher, aber tatkräftiger Zusammenarbeit gewetzt worden.
Sie erzählte ihm gerne von Ready, von Roger, von ihrem Hintergrund, der für ihn so exotisch war wie der seine für sie. Er kam aus einer Familie, die offenbar mit wenig Geld hatte auskommen müssen, in der aber seine Ausbildung an erster Stelle gestanden hatte. Vielleicht waren die mittleren Kinder ein wenig geopfert worden, oder vielleicht hatte ihnen einfach seine Begabung oder sein Ehrgeiz gefehlt. Dann, bei Gloria, waren die Zeiten einfacher gewesen und die anderen untergebracht, so dass alles nur Mögliche für sie erübrigt wurde und sie, die Schönheit, sich aufmachte, um die Welt zu erobern.
Doch die Verbindung aller untereinander, Zahnarztfrau, Reinigungsbesitzer, Akademiker und Dame von Welt, schien zu halten, unter lebhafter gegenseitiger Anteilnahme. Sie fing aus dieser Familie den würzigen Duft heftiger Gefühle auf, von verwickelten Hasslieben und Gebrüll und tränenreichen nächtlichen Telefonaten. Dennoch schien sich Oscar seiner Rangstellung ganz sicher zu sein, der Älteste, der Liebste, der ferne Mittelpunkt. Seine Mutter lebte noch und spielte eine Rolle in seinem Leben. Sein Vater war vor drei Jahren an einem Herzanfall gestorben. Seine Mutter, die offenbar die Familienschönheit besaß, erwog, wieder zu heiraten, und alle Geschwister bis auf die abgeschnittene Gloria intrigierten leidenschaftlich, um die Heirat mit einem Witwer zu fördern oder zu verhindern.
Er sprach gerade von seiner geschiedenen Frau, aber anders, als es Männer gewöhnlich taten. »Louise ist sehr stark, sehr intelligent, sehr begabt. Man sollte sie nicht СКАЧАТЬ