Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Menschen im Krieg – Gone to Soldiers - Marge Piercy страница 55

Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers

Автор: Marge Piercy

Издательство: Автор

Жанр: Книги о войне

Серия:

isbn: 9783867548724

isbn:

СКАЧАТЬ ihn zu benutzen. Sie ist sehr politisch und denkt sehr progressiv.«

      Wenn sie weniger Wein getrunken und sich ihm gegenüber nicht immer noch im Ungleichgewicht gefühlt hätte, wenn sie weniger unter der immer noch wirksamen und daher unbedingt zu bekämpfenden Professor-und-Studentin-, Chef-und-Assistentin-Dynamik gestanden hätte, vielleicht wäre sie dann weniger spitz in ihren Fragen gewesen. »Wenn Sie Ihre geschiedene Frau so bewundern, wie Sie sagen, warum sind Sie dann nicht mehr verheiratet?«

      »Schwer zu sagen. Die Scheidung war nicht meine Idee.« Oscar rieb sich wieder die Nase. »Ja, ich habe eine Zeitlang mit einer anderen gelebt, aber das war nichts, um deswegen solch einen Aufstand zu machen.«

      Abra lachte. »Ich bezweifle, dass das die Sichtweise Ihrer Frau war.«

      »War es auch nicht.« Oscar seufzte. »Ich verstehe nicht, warum Frauen unbedeutende Abenteuer so furchtbar schwer nehmen. Ich hatte die feste Absicht zurückzukehren.«

      Abra hätte jetzt gern beteuert, dass sie keine Treue erwartete, doch schließlich war noch gar nichts zwischen ihnen vorgefallen. So behalf sie sich damit zu sagen: »Ich glaube, die Ehe und das Heim sind für viele Frauen wesentlich wichtiger als für mich zum Beispiel. Viele jüngere Frauen haben eine unabhängigere Haltung und weniger starre Erwartungen.«

      »Ich hätte erkennen müssen, wie wichtig Louise das war. Sie ist ohne solche Sicherheit aufgewachsen, und als die bedroht war, wollte sie mich einfach abtrennen.« Oscar schüttelte den Kopf. »Ich muss meine Tochter Kay öfter sehen. Ich habe mich völlig von Arbeit zudecken lassen. Falls wir bald nach Washington gehen, besteht umso mehr Grund, mir Zeit für sie zu nehmen.«

      Während sie ihren Kuchen aßen und einen spanischen Weinbrand tranken, behielt Abra deutlich das Gefühl, dass sie auf dem Wege waren, persönlicher zu werden. Liebende oder Freunde? Abra vermochte nicht einmal einzuschätzen, ob auf dem wimmelnden Feld seines Lebens Raum für eine Affäre mit ihr war. Sie wäre bequem einzufügen, zumindest das sprach dafür. Sie überlegte, ob sie es war, die den ersten Schritt tun musste.

      Immer stärker beschlich sie das Gefühl, sich in ein Geschwader, einen Pulk, einen Schwarm von Beziehungen zu zwängen. Anders als die meisten Männer ihrer Bekanntschaft, bei denen Familien nur als Hintergrund oder als Quelle möglicher Einmischung vorkamen, schien Oscar eine ganze Heerschar von Menschen im Schlepptau zu haben, mit denen er immer noch ständige Beziehungen unterhielt; und sie hatte das beklemmende Gefühl, noch nicht einmal die Hälfte seines Lebens zu überblicken. Ihn zum Liebhaber zu nehmen mutete an, als ließe sie sich nicht auf ihr übliches diskretes zweisames Treiben ein, sondern auf eine ganze Sippe. Seine Arbeit mochte geheim sein, aber seine Beziehungen schienen ganz offen dazuliegen, im vollen Sonnenlicht gegenseitiger Beachtung und allgemeinen Gerangels. Seine Frau, seine Tochter, seine Mutter, seine Schwestern und sein Bruder, seine früheren Geliebten, seine Freunde, alle schienen Abra anzuschauen und auf die nächsten Entwicklungen zu lauern. Vielleicht war sie betrunken, aber sie spürte fast körperlich den heißen Blick vieler dunkler Augen auf dem Gespräch ruhen.

      Naomi 3

      Der Rachen schließt sich

      Leib ging Naomi nicht aus dem Sinn, und sie hatte deswegen ein nicht ganz reines Gewissen. Da sie ihn viel toller fand als Murray, konnte sie sich nicht vorstellen, warum Ruthie Murray vorzog. In ihrer Phantasie kam Trudi ganz plötzlich um, ohne Schmerzen, und Leib ging mit ihr auf und davon. Naomi war nicht an den Jungen in ihrer Klasse interessiert, die manchmal auf ihr herumhackten und sie hänselten und Lieder sangen, dass französische Mädchen Schlüpfer aus Seidenpapier trugen und anderen unanständigen Quatsch. Sie war jetzt das drittgrößte Mädchen in der Klasse, das größte weiße Mädchen.

      Den Schulweg ging sie mit Sandy Rosenthal, aber ihre eigentliche, geheime Freundin war Clotilde. Schwarze und weiße Mädchen durften nicht befreundet sein, deshalb verbargen sie ihr Geheimnis vor Lehrern und Kindern gleichermaßen. Beide achteten darauf, Momente zu erwischen, wo sie miteinander Französisch sprechen konnten, wo sie teilen konnten, wie fremdartig sie das Leben hier fanden, die Schule, die Stadt, das Essen, das Wetter. In ihren Augen war Clotilde schön, mit der Haut wie Holz und Asche zugleich, den großen, strahlenden graubraunen Augen, den gleichmäßigen, leuchtend weißen Zähnen, dem krauslockigen Haar, das wie Rot und Schwarz zusammen war. Clotilde war zu sanftmütig für Detroit, für die gleichgültigen Grobheiten der Schule mit den Rüpeleien, den Herausforderungen, den Prügeleien auf dem Schulhof, der Subkultur aus schweinischen Witzen und Bandenkriegen und Horrorcomics. Ihr Vater war in einem U-Boot im Pazifik, was sich für beide ziemlich furchterregend anhörte. Da musste er eine Art Diener abgeben, aber nachts auf dem Turm Wache stehen, weil, erklärte Clotilde verächtlich, die Marine meinte, Neger könnten im Dunkeln besser sehen als Weiße.

      Manchmal hatte Naomi das Gefühl, in Detroit in einen heftigen, seit Generationen andauernden Familienkrach zwischen den Farbigen und den Weißen geraten zu sein, nur dass die streitenden Parteien einander nicht einmal deutlich wahrnahmen und dass die Weißen alle Macht hatten, wie die Nazis in Frankreich. Sie hatten die Polizei, die Verwaltung, die Schulen, die Krankenhäuser, einfach alles. Naomi konnte sich ausrechnen, wer den Kürzeren zog, ohne ihre Beobachtungsgabe anzustrengen.

      Als die Sommerferien kamen, freute sie sich mehr darauf als je zuvor, denn die Schule war eine Prüfung, die nie aufhörte. Aber dann merkte sie nur allzu rasch, dass ihre Ferien keine waren, denn die Tagesstätte ging sommers weiter wie winters. Außerdem versorgten jetzt Tante Rose und Sharon auf gleichem Raum mehr Kinder als vorher. Naomi wurde einkaufen geschickt, ein schwieriges Unterfangen durch die roten Marken und die blauen Marken und welche Marken diese Woche gültig waren und welche benutzt werden mussten, bevor sie verfielen.

      Sharon sagte, was für ein Glück Naomi hatte, so früh alles über Babys zu lernen, denn sie selbst hatte vorn nicht von hinten unterscheiden können, als sie Marilyn bekam. Nun konnte Naomi bald einem Mann eine gute Frau werden, denn sie wusste bereits, wie sie ihre eigenen Babys nähren, baden, halten und anziehen musste. Sharon sagte, das war viel wichtiger als alles, was Naomi auf der Schule lernte, und hier bekam sie die richtige Erziehung.

      Naomi widersprach nicht laut, aber sie fühlte sich nicht beglückt. Sie fühlte sich eingeklemmt. An den Spätnachmittagen entfloh sie, um an einer der Ecken Völkerball oder Brennball zu spielen. Jungen und Mädchen spielten bis Einbruch der Dunkelheit. Eines Abends versuchte Brillen-Rosovsky, sie zu küssen, als sie alle auf den Verandastufen des Hauses saßen, in dem Brille wohnte, und sie trat ihn vors Schienbein. Hinterher tat es ihr leid, dass sie mit dem Tritt nicht bis nach dem Kuss gewartet hatte, um herauszufinden, wie das war, aber sehr leid tat es ihr nicht.

      Naomis Haar war so kraus wie eh und je. Sie überredete Ruthie, es ihr für den Sommer kurz zu schneiden. Tante Rose bekam einen Anfall, als sie sah, was Ruthie getan hatte, aber Naomi gefiel ihr neuer Haarschnitt. Tante Rose sagte, sie sähe aus wie ein Pudel. Naomi sagte, Pudel seien französisch und das sei sie auch. Tante Rose sagte, sie werde so frech und vorlaut wie amerikanische Mädchen, und wo sei das liebe kleine Mädchen geblieben, das zu ihnen gekommen war?

      Naomis Brüste wuchsen. Die Brustwarzen juckten. Sie fühlte sich reizbar, und ihr war langweilig und heiß. Sandy wollte ein taubenblaues Kostüm und ein Taftkleid, wenn der Krieg vorbei war. Sharon wollte einen elektrischen Kühlschrank. Naomi wollte einundzwanzig, mit der Schule fertig und woanders sein. Wenn sie daran dachte, wie lange es noch dauerte, bis sie groß genug war, um irgendwas auf eigene Faust zu tun, fühlte sie sich im Voraus erschöpft. Es dauerte einfach zu lange, groß zu werden, es lohnte kaum das Warten. Am meisten freute sie sich auf die Tage, wenn der Eismann mit seinem Pferdekarren kam und sie sich ein Stück Eis zum Lutschen erbetteln konnte. Es war so heiß, dass Boston Blackie den ganzen Tag nur unter der blauen Hortensie im Hof schlafen wollte.

      Vielleicht wurde sie mal Sekretärin wie Ruthie. СКАЧАТЬ