Название: Hekate
Автор: Thomas Lautwein
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180007
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Will man sie in ihrem Aspekt als Unterweltsgöttin beschwören, so begibt man sich zu Höhlen oder man gräbt eine Grube, bringt blutige Opfer dar und spricht die Beschwörungen:
[Frühmorgens] begibt sich der Beschwörungspriester nach Nera-Lala und bringt dort dem Wettergott von Nerik ein Schaf als Blutopfer dar. Drei Schafe bringt er der Ereškigal – der Wurunsemu – und den uralten Göttern als Blutopfer dar. Man schlachtet die Schafe in eine Höhle hinab... Und der Beschwörungspriester ruft dreimal in die Höhle hinunter: ‚Herbei, herbei, Dämon der Erde, Dämon der Erde!’ Und dort spricht er fernerhin eine Beschwörung.
Sie öffnet den Unterweltsgöttern das „Tor der Unterwelt“, auf dass sie hervorkommen und das „Böse an Füßen und Händen fesseln“ und es „hinab in die Unterwelt schaffen“. Die Unterweltsgötter nehmen als Figürchen geformt an den Beschwörungshandlungen teil. Die Ritualhandlungen z.B. gegen Behexung werden als prozessuales Geschehen betrachtet: Kläger ist der Behexte, Beklagter der Hexer, Richter aber sind die Unterweltsgötter.24
Das Opfertier dient dabei als Substitut für den Behexten, wobei kein Zweifel besteht, dass in besonders schweren Fällen auch Menschen geopfert wurden, um die erzürnten Götter zu besänftigen.25 In den magischen Ritualen, in denen die Sonnengöttin häufiger erscheint als in anderen Ritualtexten, erscheint sie vor allem „in der Phase, in der es zunächst um die Beseitigung des Bösen, des Übels geht (bevor das Gute/Heile wieder aufgebaut wird)“26.
Wir werden später noch griechische Texte kennen lernen, in denen Hekate in einer Höhle lokalisiert wird, oder in denen das Ausheben einer Grube geschildert wird, in der ihr dann schwarze Schafe geopfert werden. Dass Opfertiere für die Manen und Götter der Unterwelt schwarz sein müssen, erwähnt bereits Homer (Ilias III, 104 - 105; Odyssee X und XI; vgl. auch Arnobius, Adv. Nat. VI, 20); und die vermittelnde Stellung der Hekate wird uns noch in den spätantiken Zaubertexten begegnen.
In diesem kleinasiatischen Umfeld, zwischen Syrien und Phrygien, müssen wir den Ursprung der Göttin Hekate suchen. Meiner Ansicht nach erklären sich viele rätselhafte Züge der Hekate, ihre Unheimlichkeit, ihre Rolle als Hexengöttin, ihre unabhängige Stellung im griechischen Pantheon aus ihrer ursprünglichen Rolle als machtvolle kleinasiatische Sonnen- und Erdgöttin. Hekate verkörpert einen Rest spezifisch weiblicher Macht und Magie, der sich die ganze Antike hindurch behaupten konnte.
Beziehungen zwischen Griechenland und Kleinasien bestanden bereits in mykenischer Zeit, wovon sich noch Spuren in den griechischen Sagen finden, nicht zuletzt in der Sage vom trojanischen Krieg. Dass sich hethitische und mykenische Kultur in der Bronzezeit an der Westküste Asiens überschnitten und durchdrangen, lassen die archäologischen Funde (z. B. in der Umgebung von Ephesos) erkennen. An die Griechen vermittelt wurde Hekate jedoch von dem rätselhaften Volk der Karer.
Die Karer
Als die Griechen im Laufe der ägäischen Völkerwanderung, die um 1250 v. Z. einsetzte, die Karer von ihren ursprünglichen Wohnsitzen in der Ägäis vertrieben, nahmen diese die Landschaft Karien in Besitz und gaben ihr ihren Namen, wobei sie eine ältere Bevölkerung (die Leleger) ins Landesinnere abdrängten:
Von den vielen Angaben über die Carier ist dieß die allgemeinste, dass die Carier von Minos Gesetze erhielten, und damals Leleger hießen, und die Inseln bewohnten. Dann begaben sie sich auf das feste Land und besetzten einen großen Theil der Küste und des innern Landes, den sie den vorigen Besitzern entrissen. Und auch dieß waren größtentheils Leleger und Pelasger; ihnen aber entrissen wiederum die Griechen einen Theil, die Ionier nämlich und die Dorier. Ihre Liebe für das Kriegswesen beurkunden die Handhaben der Schilde, die Wappen und Helmbüsche.27
Ob Leleger und Karer anfangs unterschiedliche Völker waren, ist nicht ganz klar, eine Stelle bei Homer (Ilias 10,42828) und Strabons Kommentar dazu (XIII, 58 f.) legen dies jedoch nahe. Jedenfalls scheinen die Karer, bevor sie selbst von den Griechen ins Landesinnere abgedrängt wurden, ursprünglich selbst über das Meer gekommen zu sein. Nach einer Sage sollen sie von der Insel Samos stammen. Auf Samos wuchs ein uralter Lygos-Baum (Agnus castus, Keuschlamm) der der Hera geweiht war. Unter diesem Baum soll die Göttin die Ureinwohner der Insel geboren haben. Dieser bis zu zwei Meter hohe Strauch mit bläulichvioletten Blumen ist seit jeher eine beliebte Bienenweide. Da die Biene schon bei den Hethitern ein Symboltier der Erdgöttin war, wie wir noch sehen werden, lag es dann nahe, die Pflanze ebenfalls der Göttin zuzuordnen.
Die Karer konnten, obwohl sie zunehmend hellenisiert wurden, doch eine gewisse kulturelle Eigenart bewahren. Um dies zu verstehen, müssen wir zunächst auf die Geographie Kariens eingehen. Karien ist eine Bergregion, die von drei großen Flüssen durchzogen wird, dem Morsynos (heute: Dandala Çay), dem Harpasos (Ahçay) und dem Marsyas (Çine Çay), die in den Mäander (Menderes) münden. Das Bergland fällt zur Küste hin steil ab, die stark zerklüftet ist. Karien erstreckte sich vom Mäander im Norden bis zum Indos in Süden und grenzte an Lydien, Lykien und Phrygien. Die Bergzüge im Norden bestehen aus Gneis, Granit und Glimmerschiefer, während im Süden mesozoisch-alttertiäre Sedimente überwiegen. Die wichtigsten Städte an der Küste waren die ionischen Siedlungen Ephesos, Milet und Halikarnassos, die Heimat des Historikers Herodot. Während die berühmten Seestädte wie Milet und Halikarnassos Handelsverbindungen bis nach Griechenland und Indien hatten, war das Hinterland fast gänzlich von der Landwirtschaft geprägt, die Wein, Oliven, Feigen und Honig erzeugte. Die Kiefern- und Pinienwälder des Latmos-Gebirges lieferten Holz für den Schiffsbau der Küstenstädte. Viele Karer aus dem Landesinneren verdingten sich als Söldner, Seeleute und Handwerker. In der Tat waren die Karer in der Antike allgemein als gute Soldaten und Seefahrer bekannt (auch als Piraten scheinen sie sich betätigt zu haben, s. Herodot 2,152). Karische Söldner werden schon in der Bibel erwähnt (2 Könige 11,4) und standen auch im Dienste der ägyptischen Pharaonen (Herodot 2,152 und 3,11).
Am Südufer des Bafa-Sees (der in der Antike noch nicht vom Meer abgeschnitten war) wurde Marmor abgebaut, der zum Bau der Tempel in Iasos, Milas, Herakleia, Aphrodisias usw. verwendet wurde. Die Siedlungsstruktur im Landesinneren war dörflich geprägt. Die Architektur der Karer, wie sie heute noch in Latmos (oberhalb von Herakleia am Nordufer des Bafa-Sees), Alinda und Labranda erkennbar ist, unterscheidet sich deutlich von der griechischen. Die Bauten wirken klobig und wuchtig, passen sich aber geschickt dem gebirgigen Gelände an und haben eine gewisse herbe Schönheit. Typisch karische Ortsnamen sind oft an der nichtgriechischen Endung auf –anda erkennbar (Labranda, Alabanda, Alinda). Karische Personennamen erkennt man an den Endungen auf –assis, -ollos und –omos. Einige karische Wörter: ala (Pferd), banda (Sieg), gela (König), gissa (Stein), Soua (Grab). Seitdem der Ägyptologe John D. Ray die karische Schrift in den 1980er Jahren entziffern konnte, hat sich herausgestellt, dass Karisch zu den anatolischen Sprachen gerechnet werden muss. 29
Über die Frühgeschichte Kariens ist wenig bekannt, da sie bisher kaum erforscht wurde. Anneliese Peschlow-Bindokat, die in den 1990er Jahren im Latmos-Gebirge steinzeitliche Felsmalereien entdeckte, nimmt aber an, dass es schon im 8. Jahrtausend v. Z. einen Kult des Wettergottes und einer großen Muttergottheit gegeben hat.30 Die Felsmalereien im Latmos stammen ihrer Ansicht nach aus dem 8. - 4. СКАЧАТЬ