Название: Hekate
Автор: Thomas Lautwein
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180007
isbn:
16 Mahlstedt, S. 92.
17 Alfred Laumonier: Les cultes indigènes en Carie. Paris 1958, S. 414 f. Meine Übersetzung.
18 Fritz Graf: Gottesnähe und Schadenszauber. München 1996, S. 15.
Teil I
Hekate in archaischer Zeit
Hekate ist geheimnisvoll und unter den antiken Göttinnen eine der vielgestaltigsten (polymorphos). Die Forschung hat sie lange vernachlässigt, da sie in Kunst und Mythos der Antike weniger augenfällig ist als andere Gottheiten. Hinzu kam, dass sie als unheimliche Göttin der Verstorbenen und der Hexerei alle denkbaren Vorurteile gegen „Okkultismus“, Magie und Aberglauben aktiviert. Mit der spätantiken Überlieferung der Zauberhandschriften, Verfluchungstäfelchen und neuplatonischen Theurgie, in denen unsere Göttin eine überragende Stellung erlangt, mochte man sich in der Altertumswissenschaft lange nicht gern beschäftigen, da diese Epoche als dekadente Verfallszeit nicht hoch im Kurs stand. Man überließ diese Zeit, die ja gleichzeitig die Frühzeit des Christentums ist, lieber den Theologen, von denen man keinen unvoreingenommenen Blick auf das antike Heidentum erwarten konnte.
In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch einiges getan. Es sind einige akademische Arbeiten erschienen, die ein differenzierteres Bild der Göttin gezeichnet haben. Hervorzuheben sind die kunstgeschichtliche Monographie von Theodor Kraus (1960), Sarah Johnstons Studie über Hekate und die chaldäischen Orakel (1990), Stephen Ronans Textsammlung von 1992, von Rudloffs Studie (1999), Bergs kommentierte Ausgabe der Proklos-Hymnen (1999), die Wiener Magisterarbeit von Karin Zeleny (1999) und die Monographien von Wolfgang Fauth (2006) und Nina Werth (2007). Gemeinsam ist diesen Arbeiten, dass sie das herkömmliche Bild der „bösen“ und „dämonischen“ Hekate revidiert haben und stattdessen das Bild einer bipolaren, vermittelnden Wesenheit zeichnen, die Übergänge herstellt und beherrscht: „Sie ist keine ihrem Wesen nach dämonische Gottheit, sondern eine der Grenzbereiche, die damit befasst ist, ihren Verehrer durch gefährliche und unsichere Gebiete des Niemandslandes jenseits des Gewissen und Bekannten zu führen, wie Geburt und Tod und, auf der physikalischen Ebene, Kreuzwege und Türen.“1
Hekates Entwicklung in der Antike lässt sich in drei Phasen gliedern: eine vorklassische, eine klassisch-hellenistische und eine chäldäisch-neuplatonische ab dem 2. Jahrhundert nach Christus. In der ersten Phase ist sie eine kleinasiatische Spielart der Magna Mater (Mêter), die nach und nach in das Pantheon der Griechen integriert wird. Sie trägt ursprünglich eher erdhafte und solare Züge, ihre unheimliche Seite tritt in den ältesten Texten nicht offen zutage. In der Zeit der Klassik und des Hellenismus, also etwa ab dem 5. und 4. Jahrhundert v. Z., steigt sie zur Göttin der Geister, der Magie und der Nacht auf und wird zunehmend mit Artemis-Diana und der Mondgöttin Selene gleichgesetzt. In der dritten Phase, die ab dem 2./3. Jahrhundert nach Chr. anzusetzen ist, wird Hekate bei den Neuplatonikern zur „Göttin Natur“, zur Verkörperung der Weltseele oder des höchsten weiblichen Prinzips, während sie nach wie vor die Göttin der Magie bleibt und als solche eine bedeutende Rolle in der neuplatonischen Theurgie spielt.
Wie sich das Bild der Göttin über tausend Jahre in der Antike entwickelt hat, will ich im Folgenden aufzeigen. Dabei gehe ich von der Prämisse aus, dass die Göttin in den einzelnen Epochen auf durchaus unterschiedliche Art und Weise erschienen ist, aber im Grunde immer dieselbe blieb. Sie ist die „Vielnamige“ und „Vielgestaltige“ (Polymorphos) mit den tausend Gesichtern und tausend Namen (Isis myriônymos), die sich doch immer gleich bleibt.
Herkunft und Erscheinung
Die Göttin kommt aus dem Osten.2 Ihr Heimatland ist das kleinasiatische Karien, das südlich des Großen Mäanders liegt und ihm Süden an das Ägäische Meer angrenzt. Ins Landesinnere erstreckt sich der Taurus, die Küste ist von vielen tiefen Meeresarmen eingeschnitten. Vor der Küste liegen die Inseln Samos, Rhodos und Kos, bekannte griechische Städte an der Küste waren Milet, Halikarnassos und Knidos. Das benachbarte Phrygien, zu dem auch Troja gehört, ist die Heimat der in orgiastischen Riten gefeierten Muttergottheit Kybele, die seit dem zweiten punischen Krieg auch in Rom von Staats wegen verehrt wurde.
Hekate stammt also aus Kleinasien und ist mit der Magna Mater (meter) verwandt, deren Kult in Anatolien seit der Steinzeit blühte. Ursprünglich hatte sie einen Partner-Gott, der den Namen Hekatos trug. Diese männliche Gottheit wurde schon bald von dem ebenfalls kleinasiatischen Apollon assimiliert, so dass „Hekatos“ zu einem Beinamen des Apollon wurde. Dadurch wurde auch Hekate in die Nähe Apollons gerückt und konnte mit dessen Schwester Artemis (Diana) identifiziert werden, was in der Spätantike auch häufig geschah. Dennoch konnte sich Hekate immer auch als eigenständige Gottheit behaupten und sich über Karien, Thrakien und Thessalien sogar bis nach Athen ausbreiten. Mit Apollon gemeinsam hat sie die Funktion als Hüter der Tore und das Glänzende ihrer Erscheinung, das sich in Beinamen wie epiphanês, epiphanestátê (Leuchtende), megistê (Große) und sôteira (Retterin) ausdrückt.
Bevor wir aber näher auf die frühen griechischen Belege für den Hekate-Kult eingehen, wollen wir ihrer orientalischen Herkunft noch etwas weiter nachgehen. Die kleinasiatische Herkunft der Göttin legt nahe, ähnlich wie bei Aphrodite nach Beziehungen zur hurritischen, hethitischen, mesopotamischen und phönizischen Götterwelt zu forschen.3
Die Bücher des Berliner Hethitologen Volkert Haas liefern hierzu ergiebiges Material.4 Ein erster Hinweis ist die Tatsache, dass es in der hethitischen Kultur eine wichtige Göttin mit dem Namen „Hepat“ (Hebat, Hepit, Khepan) gab, deren Name verdächtig ähnlich klingt. Stutzig macht auch, dass in den spätantiken chaldäischen Orakeln Hekate mit dem syrischen Wettergott Hadad verbunden wird, dessen Partnerin eigentlich die Sonnengöttin Atargatis war. Das Symboltier der Atargatis (und der Hepat!) war der Löwe, der der Hekate allerdings selten zugewiesen wird, jedoch werden beide Göttinnen als „Drachenfrauen“ mit schlangen- oder fischförmigem Unterleib dargestellt und tragen einen leuchtenden Kopfschmuck (polos, seit der Steinzeit ein häufiges Attribut der Erdgöttin).5 Das verbreitete alte Motiv der Göttin als „Herrin der Tiere“ mit zwei Löwen, das wir vor allem von Kybele-Darstellungen her kennen, taucht übrigens auch in der etruskischen Kunst auf, so auf dem Antefix im Kampanischen Provinzmuseum von Capua, das aus dem 6. Jahrhundert v. Z. stammt.6
Hekate scheint, wie aus ihren Attributen erschlossen werden kann, in ihrer frühesten Form eine Erd- und Sonnengöttin gewesen zu sein, und keinesfalls eine Mondgöttin, wie schon der englische Altphilologe Herbert J. Rose 1928 urteilt:
Eine Göttin, die wie Hekate ursprünglich eine Fruchtbarkeitsgöttin war und von der man glaubte, dass sie nachts erscheine, musste früher oder später mit dem Mond in Verbindung gebracht werden. Es wird nicht selten angenommen, dass die drei Gesichter ihrer Kultbilder für ihre drei Erscheinungen stehen, als Selene am Himmel, als Artemis auf der Erde, als Hekate in der Unterwelt. Aber da unsere früheste Quelle weder etwas von ihrer Beziehung zum Mond noch zu den unterirdischen Regionen weiß und es keinen Hinweis dafür gibt, dass Hekate und Artemis ein und dieselbe СКАЧАТЬ