Название: Hekate
Автор: Thomas Lautwein
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180007
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Auch Robert von Rudloff weist in seiner Studie „Hecate in Ancient Greek Religion“ (1999) schlüssig nach, dass Hekate ursprünglich keine Mondgöttin gewesen sein kann.
Doch wie kann eine Erd- gleichzeitig Sonnengöttin sein? Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand, wenn man sich einmal in die Weltanschauung eines archaischen Menschen hineinversetzt: Indem die Erde als Erzeugerin der Sonne gedacht wird, die jeden Abend die Sonne wieder in sich aufnimmt und sie am Morgen neu gebiert. Nach antiker, geozentrischer Vorstellung versinkt die Sonne nämlich abends im Westen und reist während der Nacht unterirdisch in den Osten zurück, um dort ihren Lauf von neuem zu beginnen. Die „Sonne um Mitternacht“ (Apuleius, Met. XI) wäre also die Sonne unter der Erde, die in der Nacht gen Westen geführt wird – und zwar von der großen Erdgöttin, die anfänglich auch eins mit dem Himmel gewesen ist, und erst später vom Himmel getrennt wurde, der dann mit männlichen Gottheiten besetzt wurde. Dabei wurde der Himmel (Uranos) mit der Sonne und dem Symboltier Stier assoziiert, während die Erde (Gaia) mit der unterirdischen Sonne und der Nacht verbunden wurde und das Symboltier Löwe erhielt. Da die Göttin aber nach wie vor der Ursprung von allem war, war sie natürlich auch nach wie vor die große Lichtbringerin, wie es auch die ägyptische Hathor, die keltische Brigid oder die Sternengöttin Nut (Nu, Nuit) sind.
Auch die Ekliptik, d. h. der jährliche Weg der Sonne um die Erde, führt die Sonne im Winterhalbjahr scheinbar unter die Erde. Im ptolemäischen System wird die Entstehung der Jahreszeiten dadurch erklärt, dass die Sonne sich auf ihre Bahn ab März über den Himmelsäquator erhebt und im Juni ihren höchsten Stand erreicht. Im September ist wieder auf die Höhe des Himmelsäquators zurückgekehrt und taucht nun scheinbar nach Süden unter die Erde, wobei sie im Dezember den Tiefststand erreicht und erst im März wieder auf der Höhe des Himmelsäquators ankommt. Die Ekliptik war für die Alten sehr wichtig, da sie Sommer und Winter zu machen schien und wurde nach den dahinterliegenden zwölf Sternbildern eingeteilt, die den Zodiacus von Widder, Stier, Zwillinge usw. bilden. Zusammen mit ihrer täglichen Drehung um die Erde ergibt sich im geozentrischen System ein Spirallauf der Sonne um die Erde, die Sonne beschreibt jeden Tag einen vollen Kreis um die Erde, setzt dabei aber in jedem Halbjahr jeweils ein klein wenig höher bzw. tiefer an.8
Hekate ist unserer Meinung nach also ursprünglich die Göttin der unterirdischen, nächtlichen Sonne. Diese These lässt sich mit Hilfe der hethitischen Überlieferung stützen, der wir uns nun zuwenden wollen.
Kleinasiatische Sonnengöttinnen
Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, aller Länder Königin! Im Hatti-Lande gabst du dir den Namen Sonnengöttin von Arinna, in dem Lande aber, das du zu dem der Zeder machtest, gabst du dir den Namen Hepat!
Die hethitische Königin Puduhepa, um 1250 v. Chr.
Hierzu müssen wir uns etwas näher mit der kleinasiatischen Erdgöttin beschäftigen, die seit dem Neolithikum in Anatolien nachweisbar ist. Die ältesten Funde (Catal-Hüyük und Hacilar) stammen aus dem 7. Jahrtausend v. Z. und zeigen eine Göttin, die thronend, säugend, gebärend oder in sexueller Vereinigung mit einer männlichen Gottheit dargestellt ist. Ob wir diese Kulturen wirklich als „matriarchal“ oder „matrizentrisch“ bezeichnen können, mag zweifelhaft erscheinen, doch können wir sicherlich davon ausgehen, dass die Frauen in diesen frühen Gesellschaften eine relativ starke Stellung hatte und dass die Göttin in dieser Phase als die eine allumfassende Macht gesehen wurde, die Himmel und Erde, Ober- und Unterwelt umfasste, Leben gab und Leben nahm.
Diese machtvolle Erdgöttin, die zugleich auch „Herrin des Himmels“ (sumerisch: GAŠAN-AN-NA) ist, spaltet sich in verschiedene Hypostasen auf, die verschiedene Funktionen erfüllen. Aus dem „negativen Elementcharakter der Erde“9 (wie Haas sich ausdrückt) gehen ambivalente Todes- und Unterweltsgöttinnen wie Ereškigal, Allatum, Allani und Lelwani hervor. Während Allani durchaus jung und verführerisch sein kann, sind die greisenhaften Schicksalsgöttinnen, die bei den Hethitern dann Istušaya-Papaya heißen, unberechenbar und gefährlich. Auch die Großmuttergöttinnen Hannahanna und Am(m)am(m)a, die mit Schicksal und Geburt zu tun haben, sind bedrohlich. Sie werden in hethitischen Texten als DINGIR.MAH.mes („mächtige Göttinnen“) bezeichnet und sitzen wie die Nornen und Parzen am Ufer des Schwarzen Meeres, wo sie mit ihren Spinnröcken und Spindeln die Lebensjahre des Königs spinnen.10
Ab dem 4. Jahrtausend gelingt es den Männern, die Frauen immer stärker von sich abhängig zu machen, und parallel dazu die ersten großen Staaten aufzubauen. Neben die großen Göttinnen treten zunehmend männliche Sturm- und Himmelsgötter, die sich mit der Göttin in der „heiligen Hochzeit“ verbinden, und als deren menschliche Ebenbilder sich die Herrscher der neuen Großreiche sehen. Das Symboltier der Göttin ist der Löwe (Kybele, Ischtar, Atargatis, Hepat), das des Gottes ist der Stier. In einem langwierigen Prozess, der sich vom 4. bis zum 1. Jahrtausend v. Z. hinzieht, bildet sich dann die eigentliche patriarchale Gesellschaft heraus:
Obwohl die Herausbildung der archaischen Staaten (...) deutliche Veränderungen in den Machtbeziehungen zwischen Männern und zwischen Männern und Frauen mit sich brachte, gab es keinen Hinweis auf einen „Umsturz“. Die Periode der „Durchsetzung des Patriarchats“ war nicht „ein Ereignis“, sondern ein Prozess, der sich in einem Zeitraum von etwa 2500 Jahren, ungefähr von 3100 bis 600 v. Chr. vollzogen hat.11
Das zentrale Ritual in dieser Zeit ist die „heilige Hochzeit“. Sie beruht auf dem Glauben, dass die Fruchtbarkeit von Land, Vieh und Mensch abhängig sei von der Zelebrierung der sexuellen Kraft der Fruchtbarkeitsgöttin. Dabei vereinte sich die Göttin (z. B. Inanna in Uruk) mit dem Hohepriester, der den Gott repräsentierte, oder mit dem König. Die jährliche Wiederholung dieser mythischen Vereinigung war eine öffentliche Zeremonie, die für das Wohl der Gemeinschaft von größter Bedeutung war. In einigen Ritualen gingen der Hochzeit der Tod und die Auferstehung des Gottes (Dumuzi, Adonis, Attis) voraus:
Die Entthronung der mächtigen Göttinnen und ihre Ablösung durch einen dominanten männlichen Gott vollzieht sich in den meisten Gesellschaften des Vorderen Orients nach dem Errichten eines starken und imperialistischen Königtums. Zunehmend wird die Funktion der Kontrolle der Fruchtbarkeit, die zuvor ganz den Göttinnen oblag, dargestellt durch die symbolische oder tatsächliche Vermählung des männlichen Gottes oder Gottkönigs mit der Göttin oder ihrer Priesterin. Schließlich werden Sexualität und Fruchtbarkeit voneinander getrennt und durch das Erscheinen von entsprechenden Göttinnen für jede dieser Funktionen symbolisiert, wobei die Muttergöttin zur Gemahlin/Gefährtin des obersten männlichen Gottes wird.12
Als die indogermanischen Luwier, Palaer und Hethiter ab 2000 v. Z. nach Kleinasien einwanderten, fanden sie die einheimische bronzezeitliche Kultur der Hattier vor, die bereits eine recht hohe Kulturstufe erreicht hatte und eine Große Göttin unter verschiedenen Namen verehrte. Die Hethiter hingegen verehrten vor allem den Himmels- und Lichtgott Sius (von idg. *Dieus), der mit dem griechischen Zeus verwandt ist. Dieser Wettergott, der hurritisch Tessub (Teššob, „hoch, herrlich“) bzw. hethitisch Tarhunt hieß, sah sich nun mit der machtvollen hattischen Erd-, Unterwelts- und Sonnengöttin konfrontiert, die Namen wie Estan, Wurunsemu, Šawoška oder Hepat trug:
Ihr hattischer Name Wurunsemu enthält das hattische Wort /wur/ „Erde“; hurritisch heißt sie Allani, gebildet aus allai „Herrin“. In ihrer Eigenschaft als Unterweltsgöttin führt sie den noch ungedeuteten Namen Lelwani oder die sumerische Bezeichnung Ereškigal „Herrin der großen Erde“. Als Mutter- und Schicksalsgöttin heißt sie auch Hannahanna, eine Reduplikation von hann- „Großmutter“. Inara СКАЧАТЬ