Название: Hekate
Автор: Thomas Lautwein
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180007
isbn:
Als Sonnengöttin trug sie den Namen Estan (später Arinna und Hepat) und war die Herrin des Landes, das sie dem König in ihrer Funktion als „Throngöttin“ übertrug. Die Legitimität des Königs hing von dieser Bestätigung ab. Nicht zufällig versuchten später illegitime Könige, die die Macht an sich gerissen hatten, die matrilineare Sukzession abzuschaffen. Die Stellung der Königin, die gleichzeitig Hohepriesterin war, blieb bis weit ins 2. Jahrtausend hinein sehr stark. Die späteren Könige übernahmen dann sogar den Titel „meine Sonnengottheit“ für sich selbst.14
In Kilikien entsteht um 1500 v. Z. das hurritische Königreich Kizzuwatna, das „Land der Zauberpriesterinnen“15, das seine Unabhängigkeit von den Hethitern lange behaupten kann. In ihm wird eine Göttertrias verehrt, die aus dem Gott Tessub, der Göttin Hepat und ihrem Sohn Sarruma besteht (ähnlich der Dreiheit Osiris, Isis, Horus). Hepat, die zunächst vor allem in Nordsyrien und Südanatolien verehrt wird, ist auch mit den Namensformen DHA-A-BA-DU (Ebla), hba-eni („Mutter Heba“, Lykien) und Hipta (orphisch als Mutter des Dionysos) bezeugt.16 Kizzuwatna ist ein „Sammelbecken religiöser und magischer Überlieferungen, die manchmal bis in die hellenistische Epoche weitergereicht worden sind“17. Die Macht der Frauen ist bis 1200 v. Chr., als das Hethiterreich im Ansturm der Seevölker zusammenbricht, in ganz Kleinasien politisch und religiös noch sehr stark. Immer wieder klagen hethitische Könige darüber, dass ihre Frauen oder weiblichen Verwandten mithilfe von „Zauberweibern“ und schwarzer Magie gegen sie intrigieren. So beschuldigt König Mursili II. (1345 - 1315) die alte Königin, sie habe seine Frau von der Hexe Mezulla töten lassen und trachte auch ihm selbst und seinen Kindern nach dem Leben. Offensichtlich handelt es sich dabei um einen Machtkampf zwischen dem König, der das Prinzip der männlichen Erbfolge durchsetzten will, und der Königin-Hohepriesterin, die ihre alte Macht verteidigt:
Hier zeigt sich noch deutlich die Macht der alten Königin, die ja höchste priesterliche Würden bekleidete und sich oftmals in innenpolitischer Opposition zum König befand. Dass sich hier einst vorhandene, schon von Hattusili I. unterdrückte politische Rechte Geltung zu verschaffen suchten, steht wohl außer Frage.18
Die hethitische Geschichte liefert also ein besonders gutes Beispiel für den Übergang von einem matrilinearen Königtum mit entsprechender Thronfolge zum patrilinearen Königtum, und wie sich dieser Vorgang in der Mythologie widerspiegelt. Gerda Lerner resümiert:
Die frühe Herrschaftsform bei den Hatti stützte sich auf ein System, demzufolge das Recht der Nachfolge bei der tawananna lag, der Schwester des Fürsten. Das Königshaus der Hatti praktizierte die Geschwisterehe, ähnlich den Regelungen im ägyptischen Königshaus. Ein männlicher Herrscher heiratete seine Schwester, die als tawananna eine Priesterin mit beträchtlicher wirtschaftlicher und politischer Macht war und zum Beispiel das Recht hatte, von den Städten Steuern einzunehmen. Ihr Sohn erbte das Recht auf Thronfolge – nicht weil sein Vater König war, sondern weil das Recht auf die Thronfolge über die tawananna weitergegeben wurde. Das Amt war erblich, so dass die Tochter der tawananna, die ihr Amt erbte, eine ebenso wichtige Machtposition erhielt wie ihr Bruder. Als später die Geschwisterehe verboten wurde, blieb die tawananna in ihrem Amt als Priesterin und behielt die Macht zur Regelung der Nachfolge.19
Dieses System wurde zuerst von König Hattuschili I. in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Z. in Frage gestellt, als er seinen Enkel zum Erben ernannte, was diesen in Konflikt mit seiner Tante brachte. Außerdem schaffte er das Amt der tawananna ab, ernannte sich selbst zum Oberpriester und begann, nach eigenem Gutdünken königliche Prinzessinnen als Priesterinnen der Göttin einzusetzen – ganz nach dem Vorbild von Sumer, in dem ähnliches schon viel früher geschehen war. Hattuschilis Dekret konnte die matrilineare Sukzession jedoch nur vorübergehend unterbrechen. Auch der Versuch von Hattuschilis Schwiegersohn Telipinu, um 1500 v. Z. die männliche Thronfolge erneut durchzusetzen, verlief im Sande. Die matrilineare Tradition bewies ihre Stärke noch gut hundert Jahre später, als König Tuthalija mit seiner Schwester in Streit geriet, da er sie beschuldigte, ihm mit Hexerei nach dem Leben zu trachten. Der Familienstreit wurde durch einen Kompromiss beendet, in dem man sich darauf einigte, dass der Sohn des Königs den Thron bestieg, die Tochter des Königs aber wieder tawananna wurde und das Amt der Priesterin des Sonnengottes (!) übernahm. Das war das letzte Mal in der Geschichte der Hethiter, dass ein Geschwisterpaar sich die weltliche und geistliche Macht teilte. Erst Schuppiluliuma I., der Gründer des „Neuen Reichs“, konnte die patrilineare Erbfolge endgültig durchsetzen, indem er das Amt der tawananna per Dekret seiner Frau übertrug.20 Doch noch König Hattuschili III. hielt es um 1250 v. Z. für angebracht, seine Frau Puduhepa zur Mitregentin zu ernennen und seine Usurpation des Thrones durch die Gunst der Göttin Ischtar zu rechtfertigen.
Dieser politischen Veränderung entsprechen Veränderungen im Götterhimmel. Die hattischen Ureinwohner Kleinasiens hatten eine Sonnengöttin Eschtan und einen Sturmgott Taru verehrt. Die hethitischen Einwanderer hingegen verehrten an der Spitze ihres Pantheons einen Sonnengott (Sius, Sawel) und einen Sturm- und Wettergott (dieus, dyew). Die Hethiter verbanden beides miteinander, machten aus der Sonnengöttin einen männlichen Sonnengott namens Ischtanu, der fortan als „Vater“ und „König“ verehrt wurde. Neben ihm wird die Sonnengöttin Arinna als „Königin“ verehrt, die die Tradition der alten Erd- und Sonnengöttin Eschtan fortsetzt. Noch später wird die Göttin Arinna zu Hepat, die dem Sturmgott Tessub (Teššub), der den Sonnengott Tiwat (luwisch) oder Tiyat (palaisch) entthront hat, als Gemahlin beigegeben wird. Der Würzburger Altorientalist Daniel Schwemer fasst das Ergebnis dieses Prozesses wie folgt zusammen:
Die in der zentralanatolischen Stadt Arinna verehrte Sonnengöttin stand neben ihrem Gemahl, dem Wettergott, an der Spitze des hethitischen Reichspantheons. Ihr hethitischer Name war Istanu; dieser wiederum geht auf den Namen der hattischen Sonnengöttin Estanu zurück. Die Göttin gehörte also bereits zum Pantheon der vor den Hethitern in Zentralanatolien siedelnden Hattier. Die Hethiter unterschieden zwei Sonnengottgestalten: Istanu, die Sonnengöttin der Erde (bzw. Unterwelt), als Nachtgestalt des Gestirns, und den männlichen Sonnengott des Himmels als seine Taggestalt. Im Zuge der Aufnahme hurritisch geprägter nordsyrisch-südanatolischer Vorstellungen in die hethitische Theologie wurde die Sonnengöttin mit der nordsyrischen Hepat identifiziert. Diese steht (...) in der Hauptszene des Felsreliefs von Yazilikaya ihrem Gemahl, dem Wettergott, gegenüber. 21
Halten wir fest, dass es neben einem männlichen Sonnengott im kleinasiatischen Bereich eine „Sonnengöttin der Erde“ Istanu-Hepat gibt, die stark nächtlich-erdhafte Züge trägt und ursprünglich einen männlichen Sonnengott als Partner hat. Volkert Haas fasst zusammen: „In der von den Hethitern übernommenen, autochthonen hattischen Vorstellung ist die Sonne sowohl eine Göttin des Himmels als auch der Unterwelt (…) Die Sonnengöttin der Erde ist die Nachtsonne und unter diesem Aspekt die Herrin der Unterwelt.“22 Dieser chthonische Aspekt der Göttin verkörpert sich in hethitischer Zeit СКАЧАТЬ