Deep Purple. Jürgen Roth
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Deep Purple - Jürgen Roth страница 9

Название: Deep Purple

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783854454144

isbn:

СКАЧАТЬ allerdings hatten im selben Jahr drei Nummer-1-Hits gehabt. 1964 folgten „Needles And Pins“ und „Don’t Throw Your Love Away“ (wie­derum gewannen die Beatles drei zu zwei), und dann ging dem Hitmotor der Searchers langsam der Sprit aus. Das US-Publikum verschmähte ihren zunehmend honigsüßen Trällerpop – obwohl sie ihr zweites Album Meet The Searchers genannt hatten, was bei den Beatles ja schließlich geklappt hatte. Ein erster Versuch mit einer Eigenkomposition („He’s Got No Love“) auf der A-Seite leitete den langen Marsch zurück in die Vorstadtclubs und Cabaret-Beizen ein.

      Curtis ist als musikalischer Kopf der Gruppe vorläufig brav mitmarschiert, hat dabei aber mit wachsender Verzweiflung nach einem Notausgang aus dem Treppenhaus Ausschau gehalten, das seine Band in Richtung Keller hinunterstolpert. Freie Tage, Abende und Nächte verbringt er vor allem damit, allen möglichen Leuten alles mögliche zu erzählen, alle möglichen Substanzen einzupfeifen und hilflos zuzusehen, wie alle möglichen Leute alle möglichen Träume verwirklichen. „Du kannst nicht auf Dauer Zeug nehmen und gut spielen, zumindest nicht auf lange Dauer“, hat er viele Jahre später erkannt, allerdings hinzugefügt: „Bewußtseins- oder körperverändernde Drogen zu nehmen ist mir nie eingefallen. Gott hat dir deinen Körper gegeben, und du solltest keinen Unfug damit treiben.“ Zu dem immensen Schwarm von zufällig und lose Bekannten, der sich mit der Zeit um ihn gesammelt hat, gehört auch Vicki Wickham, die Produktionsassistentin der Fernsehshow Top of the Pops – für jeden, der sich popmusikalisch betätigt, so etwas wie der Heilige Gral. Eines Tages, als er mal wieder in London rumhängt, ruft ihn Vicki an und fragt, ob er sie zu einem Abendessen bei einem Klamottenhändler begleitet. Sie ahnt, daß sie dort nur eingeladen ist, um sich von wirrköpfigen Jungmanagern anbetteln zu lassen, ihre neuesten hoffnungslosen Nachwuchspöplinge in die abverkaufsträchtige Show zu manövrieren.

      Da liegt sie nicht falsch. Ihr Gastgeber ist der vierunddreißigjährige Tony Edwards, Geschäftsführer des Familienunternehmens Alice Edwards Ltd., der mit seiner Modefirma im Herzen von Swinging London gute Geschäfte macht, damit aber laut eigener Aussage „nicht besonders glücklich“ ist und nun gern einen neuen Geschäftszweig zum Swingen bringen möchte. Vorläufig ist das ein dürrer Ast, auf dem ein allerdings hübsches Vögelchen sitzt: Ayshea Hague. Edwards hat dem Photomodell einen Plattenvertrag verschafft, bei dem Label BRP Records, das sein Kumpel Chris Peers eigens zu diesem Zweck mit Harry Robinson und dem späteren Island-Records-Chef Chris Blackwell gegründet hat. Vicki soll sie nun – na klar! – in ihrer Sendung unterbringen. Freundlich, skeptisch, zunehmend angeödet von Aysheas zementiertem Lächeln an Edwards’ Seite, lauscht sie dessen Vorträgen, während Curtis auf seinem Stuhl herumrutscht – Vickis Vorstellung, das sei „Chris, der Schlagzeuger der Searchers“, hat erwartungsgemäß wenig Eindruck gemacht – und das wirre Zeug in seinem Kopf ordnet, um es endlich loszuwerden. Dann hat Vicki genug, entschuldigt sich in Richtung Toilette und läßt Ayshea und Edwards mit Curtis zurück. Der hat jetzt freie Bahn, dem Quereinsteiger, der nicht mehr bürgerlich sein möchte, zu erläutern, wie das Popgeschäft läuft und daß es aber in Zukunft keinesfalls ohne ihn laufen wird, weil sein neues Projekt alles in den Schatten stellen wird, was es bislang gab: ein popmusikalisches Jahrmarktskarussell soll es werden, ein Cross-over-Multimedia-Spektakel aus Musik, Kunst, Film, Action, Performance brabbel brabbel – Vicki ist zurück und erleichtert und lauscht schweigend/ schmunzelnd.

      Vielleicht geht Edwards Curtis’ Gerede schließlich auf die Nerven, vielleicht hält er ihn auch wirklich, wie er später behauptet, „für eine Art John Lennon“ – jedenfalls unterbricht er den Redeschwall und schlägt vor, den Abend im Haus des Kommunisten, Musicalkomponisten und Entdeckers von Tommy Steele, Lionel Bart, fortzusetzen. Der habe zu einer Privatvorführung des Riesenameisen-Science-fiction-Klassikers Them von 1954 in seinem Haus in Chelsea geladen, und das möchte man doch nicht versäumen. So oder so – als man sich spätnachts trennt, hat Chris Curtis’ freiassoziative Selbstreklamedarbietung bei dem Amateurschauspieler Tony Edwards einen tiefen Eindruck hinterlassen: Herrgottsakrament, hat der Kerl Ideen! Curtis selbst wiederum – man könnte das, unserer Geschichte vage und weit vorgreifend, „Rückkoppelungseffekt“ nennen – ist nun (um so mehr) bereit, (an) sich selbst zu glauben.

      Als er während der Australientournee der Searchers mit den Rolling Stones Ende 1966 von der Bühne fällt, sich böse Schnittwunden am Bein zuzieht, sich dann auch noch im Apartment einer australischen Hübschheit an einer Tür den Finger bricht und seine Mitmusiker derweil sein Säckchen voller lebensweise­rettender Tranquilizer ins Klo spülen, schreibt Curtis auf dem Heimflug auf einer Kotztüte einen letzten Song und schmeißt sofort danach seiner Band die Trommelstöcke hin (John Blunt übernimmt seinen Platz im stetig sinkenden Schiff; Chris wird über ihn sagen, er klinge, „als krabbelte eine Ratte über die Snare Drum“). Danach versucht er sich mit der trefflich betitelten Single „Aggravation“ (= „Verschlimmerung“, ein Song von Joe South übrigens) erst mal vergeb­lich als Solist, in Begleitung der Studiomusiker Jimmy Page, John Paul Jones, Joe Moretti und Vic Flick. Er schreibt Songs für Alma Cogan und andere und produziert für Paul & Barry Ryan den Hit „Have You Ever Loved Somebody“, womit er weiter am Grab der Searchers schaufelt, die gleichzeitig denselben Song als Single veröffentlichen: „Tito Burns, der sich um die Searchers kümmerte, sagte zu mir: ‚Du Bastard! Du hast die Searchers ruiniert!‘ Ich sagte: ‚Ich hatte nichts mit ihnen zu tun, sondern sie mit mir. Sie wollten superschlau sein, und das ist schiefgegangen.‘“ Und in zugedröhnten Mußestunden bastelt er an seinem Karussell, das er nun auch auf den Namen Roundabout tauft.

      Die ersten paar richtigen Musiker, die er zum Mitmachen überreden kann, gehören der Kapelle The Shakedown Sound aus Herefordshire an, sind aber sehr schnell wieder weg und gründen lieber Mott The Hoople. „Er war ein witziger Kerl“, meint Dale Griffin, „und wollte, daß wir seine neue Band Roundabout bilden. Dann marschierten wir gemeinsam in die Büros von Polydor, Chris rannte die Korridore rauf und runter und klopfte an Türen, aber keiner wollte was von ihm hören, also sagte er, wir sollten uns am nächsten Tag wieder treffen. Dann tauchte er jedoch nicht auf, und wir waren, ehrlich gesagt, ganz froh.“

      Glücklicherweise ist da aber noch der Zettel mit Tony Edwards’ Telephonnummer. Der Möchtegernmanager hat inzwischen an seiner Ayshea wenig Freude gehabt und hört mit um so aufnahmebereiteren Ohren zu, was ihm Curtis mitteilt: Das Bandprojekt Roundabout sei startbereit, es fehle nur noch jemand, der die entscheidenden Türen öffnet, und – langer Rede kurzer Sinn – nachdem Beatles-Manager Brian Epstein nun (seit dem 27. August) ja tot sei, solle sich Tony einen Ruck geben und der neue Großmogul der britischen Popszene werden. Edwards schmilzt dahin, bringt es aber irgendwie noch fertig, zu fragen, wann er sich die phantastische Wunderband denn mal ansehen könne. Das, muß Curtis gestehen, gehe denn doch noch nicht ganz; er habe die Band zwar gegründet, aber nur im Geiste: „Da“, sagt er und tippt sich hörbar an die Schläfe, „da ist sie drin! Es gibt sie nur in meinem Kopf, bis jetzt.“ Ein kleiner Fehler, der Herrn Edwards nicht weiter stört: „Angebissen habe ich trotzdem.“

      Und nicht nur er. Wenn die Sache so groß wird, wie Curtis meint, wird sie für Edwards allein vielleicht ein bißchen zu groß, fürchtet er, und da fällt ihm John Coletta ein. Der Fünfunddreißigjährige ist „Marketing Consultant“ bei der Reklamefirma Castle, Chappel & Partners, die zufällig im Dachgeschoß des­selben Hauses wie Edwards’ Modefirma residiert. Mit Popmusik hat er zwar bislang nicht das geringste am Hut gehabt; Edwards indes erklärt ihm, es gehe dabei ja auch nicht bloß um lärmende Burschen in bunten Klamotten, die sich mit Drogen vollpumpen: Da steckt auch Geld drin! „Mich interessierte der Marketingaspekt des Projekts“, wird Coletta viele Jahre später formulieren, als ihn der Marketingaspekt des Projekts noch immer sehr beschäftigt. Als dritten, finanzkräftigen und aber auch wirklich nur an Finanzen interessierten Mann holt Coletta einen Ronald Hire mit ins Boot, das nun HEC Enterprises heißt (und am 14. August 1968 offiziell als Firma eingetragen wird).

      Chris Curtis hat inzwischen beschlossen, sich in London niederzulassen, um mit seinem neuen Projekt nicht wieder von irgend jemandem rechts überholt zu werden und zugleich sicherzustellen, daß kein neuer Wahn, kein Trend, keine Mode passiert, ohne daß er in nächster Nähe ist. Unterschlupf СКАЧАТЬ