Deep Purple. Jürgen Roth
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Название: Deep Purple

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783854454144

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СКАЧАТЬ die E-Gitarre und Speed King Ritchie Blackmore. „Black­more zersplitterte in nur fünfzig Sekunden die gängigen Konventionen der Beat-Ära und machte die sechziger Jahre der Popmusik zur Historie“, schrieb später Eclipsed. So war es, und es war so, wie es 1980 in konkret zu lesen war: „Die ­Beatles, Stones, Cream, Deep Purple, Roxy Music haben ganz selbstverständlich die deutschen Wohnzimmer infiltriert“ – auch wenn es nicht zwingend das elterliche Wohnzimmer sein mußte, in dem man heimlich das 1980 erschienene Doppel-Live-Album Deep Purple In Concert mit zwei BBC-Mitschnitten aus den Jahren 1970 und 1972 und einer ausnehmend schön scheppernden „Lucille“-Version hörte, wenn der familiäre Vorstand mal außer Haus war.

      Unterstützung in seiner Begeisterung fand man durch Airplay, sofern die Erinnerung nicht trügt, dazumal kaum, und Deep Purple waren gewiß auch keine, gleich den Sex Pistols, „kulturelle Verschwörung“ (Marcus), eher ein Haufen von britischen Musikern, die nicht selten den lichten, verspielten Klängen frönten, gewollt einfache Riffs in die Welt warfen und dabei einen zuweilen inkalkulablen „Schönlärm“ (Eugen Egner) veranstalteten. Zumal die Mark-II-Besetzung – zumindest im einst gängigen, ja zwingenden Lagerdenken, das noch heute gewisse „Rockismus“-Experten in der ihnen eigenen Manier wiederaufleben lassen – ein Widerpart zum Doom-Gebaren von Black Sabbath und zur bisweilen ein wenig dick aufgetragenen Ernsthaftigkeit von Led Zeppelin war. Und sie war schon damals alles andere als ein Pionierensemble des Heavy Metal, sondern eine ziemlich einzigartige, mitunter aufgekratzt vergnügte, mitunter überwältigende Band, deren Geschichte bedeutend genug sein dürfte, um sie zu skizzieren, subjektiv, abschweifend, aber auch griffbretthart „faktenorientiert“ (Helmut Markwort). „Die Sex Pistols schlugen eine Bresche ins Popmilieu“ (Marcus), Deep ­Purple hatten das Jahre vorher nicht nötig gehabt und ebensowenig ein Programm, das womöglich das Programm der minervaschlau hinterherdackelnden Interpreten ist. Dessenungeachtet scheint auch Greil Marcus an einem bestimmten Punkt vor der Entwicklung der jüngeren Popmusikgeschichte zu kapitulieren: „Der von den Ansprüchen der Musik ausgehende Schock wird zu dem Schock, daß etwas scheinbar so Absolutes im Lauf der Ereignisse letztlich fast unbemerkt vergehen konnte. Die Musik strebt danach, das Leben zu verändern; das Leben geht weiter, die Musik bleibt zurück; nur darüber läßt sich noch reden.“

      Reden wir darüber. Plaudern wir hier zum Beispiel darüber, wie es ist, wenn wir eine Musik, die unsere Jugend – teilweise und zuweilen obsessionsverdächtig – begleitet oder geprägt hat, wiederhören, weil wir sie wieder und wieder hören können, ohne einer ungebrochenen Obsession zu frönen oder irgend etwas zu beschwören – was womöglich dienlich wäre, wollte man Erinnerungen, wenn auch sachte, mystifizieren oder an biographischen Mythen stricken. Dann, vielleicht, erweist sich die Musik von Deep Purple, diesem „größten Kreativpool der Rock­geschichte“, wie es in Rock Hard geschrieben stand, heute als seltsam „unverbraucht“ (auch so eine speiwürdige Floskel aus dem Fundus der Popskribenten), als neu, als neuer Rock ’n’ Roll ohne Anspruch auf Veränderung der gesellschaftlichen Realität. Denn die Gesellschaft verändern zu wollen, das war wohl unter Musikern zumeist wenn nicht Illusion, so doch bei manchem bloß bare Lüge; weshalb, im Umkehrschluß, im Lager der Fortschrittlichen Deep Purple nie auf Wohlwollen hoffen durften. Denn diese fünf (und mehr) Musiker machten Musik, unter ziemlich unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen und mit ziemlich divergenten Vorstellungen und Zielen, mehr nicht. Und das ist viel, und es ist (oder war) der Skandal an Deep Purple. „Wir wollten niemandem irgend etwas predigen, weder Drogen noch Politik, noch Lifestyle“ – so hat es Roger Glover ausgedrückt.

      Oder erzählen wir statt dessen und jenseits der Deutungsmuster und -zwänge des elaborierten Popdiskurses zum Beispiel davon, was passiert, wenn einen im September 2002 zum erstenmal seit vier oder sechs Jahren der ­Rappel des Spießers packt und man seinen alten Wagen zur Waschanlage fährt.

      Man rumpelt in die Einfahrt, tuckert durch die Vorwäsche und hält vor der Waschstraße. Vor dem Wagen lungern zwei blaugewandete Hilfskräfte mit Wasserstrahlern und Bürsten herum. Man dreht die milchige Scheibe runter, der Chef schlurft heran, man reicht ihm das Entgelt.

      Auf dem Beifahrersitz liegt zufällig eine CD. Seit Tagen. Seit Wochen vermutlich. Der Wagen hat nicht mal einen CD-Player. Keine Ahnung, was Come Hell Or High Water da verloren hat. Cheffe nimmt siebeneinhalb Euro entgegen, und sein angesichts des vorgerollten ollen Blechs mitleidig-mißmutiger Blick fällt ins Wageninnere. Cheffes Mundwinkel verziehen sich – nach oben.

      „Ist das Jan Gillaaan?“ Auf der Rückseite von Come Hell Or High Water, einem Live-Mitschnitt von der letzten Tournee, die Deep Purple im Herbst 1993 mit Ritchie Blackmore hinter sich gebracht hatten, ist Ian Gillan zu sehen, wie er ausgesprochen vergnügt und kraftfroh das Mikrophon in die Luft stemmt. Das Photo konnte schon immer gefallen. Es drückt die seltsam angestrengte, aber auch entspannte Stimmung aus, die Deep Purple auf ihren wahrscheinlich besten, verspieltesten und zugleich aggressivsten Konzerten seit der Reunion 1984 zu jenen Improvisationsaus- und -höhenflügen begleitet und geführt hatte, die eine der besten, verspieltesten und aggressivsten Bands der Rockgeschichte in ihren besten, verspieltesten und aggressivsten Momenten in den siebziger Jahren ausgezeichnet hatten.

      „Ist das Jan Gillaaan?“ Cheffe war hin und wie weg vom Fenster. „Ja“, antwortete man, und man war überwältigt. Man hätte weinen können. Jauchzen können. Vor Verwunderung. Vor Glück. Vor sonstwas. Denn wer kannte und erkannte denn heute, außerhalb der Musikbranche und außerhalb expertokratischer Zirkel, noch Ian Gillan? Und meckerte dann nicht herum, er und die anderen ollen Krawallmacher und Schweinepriester sollten doch bitte in den berühmten, in den überfälligen Rockerruhestand wechseln?

      „Ja, Ian Gillan.“ – „Der Beste!“ rief Cheffe entzückt und entrückt, und er wiederholte: „Das ist Jan Gillaaan!“

      Man reichte ihm die zerkratzte CD-Box. Er nahm sie vorsichtig in die Hand. Ein öliger Finger wanderte über die Setlist. „Supersongs. Die besten“, sprach er nun mehr zu sich, und sein breites Grinsen verwandelte sich in ein gütiges Lächeln. Recht besehen, überzog Cheffes Overall in der Vorabendsonne jetzt ein Purpurschimmer.

      „Ja, Supersongs, die besten“, sagte Cheffe, schaute den verdutzten Insassen eines verdotzten Golf an, reichte die CD zurück und gab seinen Untergebenen mit der linken Hand ein Zeichen.

      Man kurbelte die Scheibe langsam, fast in Trance wieder hinauf. Cheffe trat ein paar Schritte nach hinten und stand vor dem Wagen. Er riß die Beckerfaust in die Höhe und wies die Knechte laut und stolz an: „Volles Programm! Das Beste für diesen Mann!“

      Die beiden schrubbten wie Berserker Blackmore in seinen besten Zeiten.

      Ein Jahr danach, zehn Jahre nach Blackmores endgültigem Abschied, war die Stadt plötzlich plakatiert wie nicht gescheit. Deep Purple hier, Deep Purple da, ein neues Album und eine Deutschlandtour durch die großen Hallen wurden annonciert. Es war, als hätte nie etwas anderes Bestand gehabt als die allgemeine Ansicht, daß es nichts anderes zu begehren gebe als Deep Purple, zumindest, was die Musik betrifft. Der öffentliche Raum, in dem Rock und Pop im Grunde nur mehr stattfinden dürfen und statthaben als Werbeinszenierungen und Konsumbeschleuniger, seit die Stones und vor allem Genesis, die Bösen der Dösigen, Jahre zuvor durch unselige Koalitionen mit einem Wolfsburger Unternehmen und der Gigantomanie des Kapitals die Maßstäbe gesetzt hatten, dieser Raum des Teilbaren und – idealiter – ohne Zwang Geteilten war nun und jetzt und für einige Wochen besetzt von: Deep Purple.

      „Bananas“ stand da, schlicht, in der Würde der freigestellten Lettern, ohne graphischen Hokuspokus. Bananas. Spinnen die jetzt? Nein, sie sponnen und spunnten nicht, obschon sich der Titelsong der neuen Platte genau darum dreht: um den Wahnsinn. „I go bananas“, heißt es im Refrain eines beseligend vorwärtstreibenden Rock-’n’-Roll-Knallers, in dem die Virtuosität der solistischen Einlagen einen Platz so findet, wie sie ihn finden sollte: als Spiel, als übermütiges, kindliches Herumtollen mit Noten und Harmonien.

      Das СКАЧАТЬ