Deep Purple. Jürgen Roth
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Название: Deep Purple

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783854454144

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СКАЧАТЬ wo viele Jahre später ein gewisser Johnny Rotten und noch mehr Jahre später ein gewisser Pete Doherty hausen werden. Da haben sich zufällig diverse Protagonisten der seinerzeit monstermäßig angesagten „Verschmelzung“ von Rock und Klassik einquartiert: Denny Laine von The Moody Blues zum Beispiel, David Knights von Procol Harum und ein etwas älterer, schnauzbärtiger Orgler namens Jon Lord, der mit Art Wood – dessen kleiner Bruder später bei The Creation, den Faces und noch viel später bei den Rolling Stones Gitarre spielen wird – und The Artwoods bis vor kurzem versucht hat, The Move Konkurrenz zu machen, und jetzt nicht recht weiß, wie es weitergehen soll. Er hat Curtis auf einer Party bei Vicki Wickham kennengelernt: „Chris sagte: ‚Ich habe ein Konzept!‘ Es war Sommer 1967, da waren Konzepte immer wunderbar. Drei Leute sollten den Kern bilden. Der dritte war ein Bassist, den ich nie gesehen habe; keine Ahnung, ob es ihn überhaupt gab. Wir würden dann je nach Lust und Laune andere Leute dazuholen, die auf das Karussell aufsteigen und wieder abspringen sollten.“ – „Ich denke sehr schnell, auch heute noch“, beschrieb sich Curtis 1998 in einem Interview mit Spencer Leigh selbst, „und Leute, die mich kennen, sagen: ‚Oh, er wieder!‘ Leute, die mich nicht kennen, könnten durchaus glauben, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank.“

      Zumindest hat Curtis nun eine Bleibe. „Er kam eines Tages mit vier Koffern an und fragte, ob er über Nacht hierbleiben kann“, erzählt Jon Lord später. „Aus der Nacht wurde dann eine Woche und aus der Woche ein Monat und so weiter.“ Rauswerfen mag den kuriosen, quirligen Neuankömmling niemand, denn er redet zwar nächtelang Blech über sein verstiegenes Projekt, hat aber andererseits, wie er sagt, ein finanzkräftiges Management im Rücken – und er verblüfft seinen Mitbewohner Lord mit einem inzwischen noch weiter gewachsenen Bekanntenkreis und Daimler-Limousinen, die ihn abholen und durch die Stadt zu „Terminen“ gondeln. Die Rechnung für den Fahrservice landet später auf Tony Edwards’ Schreibtisch.

      Am 7. Dezember 1967 folgt ein skeptischer Jon Lord der Einladung von Chris Curtis zu einer Ladeneröffnung in der Baker Street 94: Es ist die Apple-Boutique der Beatles, die da eingeweiht wird, und nachdem Chris – den, sagen wir mal: etwas zurückhaltenden – Jon seinen „alten Freunden“ George Harrison und John Lennon vorgestellt und ihn in einer gemieteten Luxuskarosse durch London kutschieren hat lassen, überwindet Lord seine Skepsis und erklärt sich bereit, bei Roundabout mitzutun. Da endlich hat Chris Curtis zum erstenmal das Gefühl, nicht mehr hinterherzulaufen und nicht bloß zu träumen: Die Band, die er ein Jahr zuvor im Kopf gegründet hat, nimmt Gestalt an. Und Jon Lord, das ist dem ehemaligen Beat-Schießbuden-Klopfer sofort klar, ist musikalisch ein anderes Kaliber als die Leute, mit denen er bis dahin zu tun gehabt hat. Der Mann heißt nicht ganz umsonst mit Nachnamen „Gott“.

      John Douglas Lord, am 9. Juni 1941 in Leicester (auf halber Strecke zwischen London und Liverpool) geboren, bekam als Kind vom Zweiten Weltkrieg immerhin noch mit, daß der grollende Weltenbrand auch eine musikalische Seite hatte: Als sein Vater Reginald zur örtlichen Feuerwehr einberufen wurde, gründete er dort umgehend die Fire Service Band – Leicester gehörte seit dem verheerenden „Blitz“-Angriff am 19. und 20. November 1940 nicht mehr zu den bevorzugten Zielen deutscher Bomber, daher wurde mehr musiziert als gelöscht. Vor dem Krieg hatte Reginald Lord bei wochenendlichen Tanzveranstaltungen ins Saxophon geblasen und war mit seiner Schwester als Duo aufgetreten; die Show hieß „Reg & Molly – Ein Lächeln und ein Lied“. Damit aus dem kleinen John kein Muttersöhnchen werde, schleppte er ihn schon als Knirps zum Nachmittagstanztee. Bald entdeckte der Bub auch zu Hause ein tönendes Möbel: das alte Klavier, das ihn derart faszinierte, daß er, kaum daß die Schultüte leer­gegessen war, auch schon Klavierstunden nehmen durfte. Sein zweiter Lehrer, der BBC-Radiopianist und Kirchenorgler Frederick All, brachte dem Neunjährigen das Spielen nicht nur einfach so bei, sondern infizierte ihn auch mit einer Leidenschaft: „Er lehrte mich, Musik zu genießen und sie so gut wie möglich spielen zu wollen.“

      Seinen Unterricht setzte John fort, während er auf die Wyggeston Grammar School ging, wo er zusätzlich noch Stunden in Musiktheorie und Komposition nahm, Prüfungen am Royal College of Music bestand – und dann, mit siebzehn, plötzlich beschloß, lange genug Schüler gewesen zu sein. Die Entscheidung, gegen den Rat seiner Eltern (und mit einem einzigen „A-Level“, in Musik) die Schule abzubrechen und eine Stelle als Bürobote in einer Anwaltskanzlei anzutreten, wirft ein ziemlich helles Licht auf Lords Charakter und Persönlichkeit: Was auch immer an luftigen Ideen im Kopf anderer Siebzehnjähriger herumschwirren mag – und im Jahr 1958 schwirrte da zwischen „Great Balls Of Fire“ und „Jailhouse Rock“ eine Menge –, war für John nur interessant, wenn es sich mit einer gewissen Beständigkeit und Ernsthaftigkeit verbinden und in konkrete Ergebnisse umsetzen ließ.

      Freilich wäre unsere Geschichte hier zu Ende, wenn das alles wäre. Indes schwirrte auch im Kopf des Anwaltsgehilfen einiges herum. Er schrieb sich als Mitglied in die Leicester Little Theatre Group ein, nahm an Busfahrten zu Aufführungen außerhalb der Stadt teil und stand ab und zu, wenn es die Freizeit hergab, auch selbst in kleinen Rollen auf der Bühne.

      Die Musik ließ ihn sowieso nicht los. Jeden verfügbaren Penny trug er in Plattenläden, um Aufnahmen klassischer Komponisten zu erstehen. Dort drang eines Tages etwas ganz und gar Unklassisches an sein Ohr: eine Platte von Jerry Lee Lewis. Die ersten vier Takte von „Whole Lotta Shakin’ Going On“ verdrehten ihm, wie er später sagte, den Kopf. Allerdings focht den Musikforschenden offenbar keineswegs die rebellische Anmutung der halbstarken Hüftschüttelmusik an, sondern die Musik selbst, die sich einfach nicht reproduzieren ließ, wiewohl er doch Noten und Akkorde kannte: „Wie ein Wahnsinniger versuchte ich es hinzukriegen, daß das alte Klavier daheim genauso klang, aber es klappte nicht. Da ist mir klargeworden, daß im Rock ’n’ Roll mehr drinsteckt, als man hört.“

      Nun aber schwirrte Johns Kopf doch ziemlich. Die kleinen Rollen am Thea­ter wurden zudem mehr und größer, mit ein bißchen Textlernen war es da nicht mehr getan. Bald nach seinem neunzehnten Geburtstag platzte seinem Arbeitgeber der Kragen, als er mal wieder darum bat, früher gehen zu dürfen, weil er noch dies und das zu „erledigen“ habe. Längst wußte man dort, daß der Adoleszierende deshalb so oft unentschuldigt fehlte, weil er andere Sachen im Schilde führte; also bekam er frei. Mit der Maßgabe, gar nicht erst wiederzukommen.

      Inzwischen schrieb man 1960, und auch im traditionsversessenen Vereinig­ten Königreich schickte sich der Rock ’n’ Roll an, die Liga der Heuler und Schmachter von Johnny Ray bis Del Shannon langsam, aber energisch aus den Charts zu drängen. Was Chris Curtis derweil in Liverpool tat, wissen wir bereits – Jon Lord seinerseits war nun bereit, ein Stück von seiner Sicherheit hinzu­geben und sich auf Anraten eines Mitspielers der Theatergruppe von Leicester bei der Central School of Speech and Drama in London um Aufnahme zu bemühen, mit wenig Hoffnung zwar, doch erstaunlichem Ergebnis: Er wurde aufgenommen, sagte dem Elternhaus Lebewohl und zog zu Semesterbeginn im September in die Hauptstadt, um ernsthafter Theatermann zu werden. Nicht ganz aufs Geratewohl indes: Das hinzubewilligte Stipendium reichte für ein Ein-Zimmer-Apartment (zweiunddreißig Shilling die Woche) in Bayswater, und die Eltern trugen ihr gelegentliches Scherflein bei, den Sohn vor Hunger und Verwahr­losung zu bewahren. Die Bühnenbegeisterung weichte jedoch Johns Sicherheitsdenken noch ein bißchen weiter auf. Als sich 1962 einige seiner Dozenten dem verstaubten Altbetrieb entzogen, um eine eigene Schule zu gründen, das London Drama Center, war der gerade volljährig Gewordene dabei – und weil es dafür vom Staat kein Geld mehr gab, beschloß er, seine Tastenkünste unterhaltsichernd einzusetzen.

      Es war ein hartes Brot. Mutter Lord schickte dem Sohn ein wöchentliches Pfund, eine billigere Wohnung ohne Warmwasser in Archway nördlich der Londoner Innenstadt sorgte für weitere Kostensenkung, aber die Kneipenauftritte mit der Jazzcombo des Saxophonisten Bill Ashton brachten eine so kärgliche Gage ein, daß der hungernde Dramastudent seinen Nahrungs- und Getränkebedarf vornehmlich auf Partys decken mußte. Auf einer solchen traf er 1963 Derek Griffiths, den Gitarristen der nach ihrem Bassisten benannten Don Wilson Combo (Schlagzeuger Reg Dunnage vervollständigte das Trio), die Hochzeitsfeiern, Bar-Mizwas und Sommerfeste in Sportklubs beschallte und nebenbei unter dem Aliasnamen Red Bludd & His Bluesicians bei СКАЧАТЬ