Deep Purple. Jürgen Roth
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Deep Purple - Jürgen Roth страница 6

Название: Deep Purple

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783854454144

isbn:

СКАЧАТЬ Ungeschützt dargebotene Dummheit. Und unerwartete musikalische Schönheit und Komik – man entsinne sich bloß der Live-Kapriolen in „Wring That Neck“.

      „Ich finde es schön“, ist in Nick Hornbys High Fidelity (Köln 1996) zu lesen, „sehen zu können, wie ich in fünfundzwanzig Schritten von Deep Purple zu Howlin’ Wolf gelangt bin.“ Hornby sortiert seine Plattensammlung, und er erachtet Deep Purple für erwähnenswert. Über Fortschritt, welcher Art er sein möge, befinden wir anläßlich dessen nicht. Über Rückschritt, über Regression indes doch. Denn wir sind ein paar Jahre weiter fortgeschritten. Während Deep Purple nach der Demission von Ritchie Blackmore 1993 versuchen, ein Leben nach den Launen – temporal und nicht länger kausal nach den Launen des „banjo player“ (Ian Gillan) – zu führen, gründet der grummelige Godfather des „Dampframmen-Stils“ (H. P. Hofmann: Beat-Lexikon – Interpreten, Autoren, Sachbegriffe, Berlin 1980, VEB Lied der Zeit Musikverlag) und des Bendings Rainbow neu; spielt auf, als existierte nichts außer ihm; und startet dann im Sommer 1997 – ein Projekt. Blackmore’s Night. So heißt das. Und so heißt das bis heute, das „gar seltsame Projekt“ (Tagesspiegel, 2001).

      Mit Blackmore-Fans im speziellen ist es so eine Sache, sie sind womöglich die zähesten, die gläubigsten Deep-Purple-, die vornehmlich Mark-II-Verehrer, die Anhänger der reinen Lehre. Einer der Autoren ist auch so einer, es ist der­jenige, der gerade das Vorwort zusammentippt. Und jetzt hat er richtig zu schaffen. Denn was geschieht seit 1993?

      Deep Purple touren unverdrossen weiter, obwohl im Herbst 1993, im Jahr ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens, das Ende der Band besiegelt zu sein scheint. Die Band tourt und arbeitet weiter, erst mit Blackmore-Ersatz Joe ­Satriani, seit November 1994 mit Steve Morse (Ex-Dixie-Dregs, Ex-Kansas), und Ritchie Blackmore, der „letzte Aristokrat“ und „Ästhet“ (Rock Hard), dessen „Anschlag absolut intakt geblieben ist“, erreicht, wie erwähnt, mit Rainbow in – wieder einmal – kompletter Neubesetzung ein spieltechnisches und expressives Niveau wie lange nicht mehr. Ihm, der „Demokratie in einer Band“ für „reine Zeitverschwendung“ hält und der sich in der Rolle des „Diktators“ „äußerst wohl“ fühlt, „lag es schon immer, jungen, talentierten Musikern eine Chance zu geben, sie quasi zu entdecken“: „Der Vorteil von neuen, unbekannten Musikern ist, daß sie anpassungsfähig sind. Hätte ich dagegen ehemalige Bandmitglieder engagiert, so hätten die sofort angefangen rumzulabern.“

      Hat man ihn zu dieser Zeit auf der Bühne gesehen, wurde man nicht selten von einer Melange aus melodischen Feinheiten, dynamischer Diskretion und ausgedehnter Akrobatik überwältigt. Blackmore verfügte über einen klirrenden, beißenden und zugleich warmen, weichen, obertonreichen Sound, weil er die Mar­shall-Stacks, diese „schwer kontrollierbaren Elefanten“ (Blackmore), 1995 durch Engl-Amps, die mehr Sustain produzieren, ersetzt hatte (schon 1973 hatte er geäußert: „Ich würde lieber über einen kleinen Amp spielen“); und er besaß vor allem die alleinige Befugnis darüber, was musikalisch, oft unvorhergesehen, geschehen durfte und konnte, vorausgesetzt, Schlagzeuger Chuck Bürgi (vormals, neben diversen anderen Engagements, Al-di-Meola-Kompagnon und Drummer auf dem 1983er Rainbow-Album Bent Out Of Shape), der den beim Fußball verletzten John O’Reilly kurzfristig ersetzt hatte, verhaute die Tempi nicht.

      Anfang 1989 hatten sämtliche Deep-Purple-Mitglieder, ausgenommen der in Bälde hoch- und breitkant gefeuerte Ian Gillan, mit BMG Einzelverträge abgeschlossen, die auch etwaige Soloprojekte einschlossen. Blackmore nahm nun, Anfang 1994, seine mit zwei Millionen Dollar versüßte Option wahr und reformierte Rainbow (die Band sollte zunächst „Rainbow Moon“ heißen). Nach diversen Jams in New York engagierte Blackmore im April Doogie (Douglas) White als neuen Sänger, eine Reaktivierung Ronnie James Dios oder Joe Lynn Turners hatte er verworfen. White konnte als Schotte nicht nur das „r“ nuanciert rollen und rocken („Ich liebe vor allem seine gerollten ,rs‘ – das sollte jeder Rock­sänger draufhaben“), er war auch in der Lage, des Meisters Ansprüchen zu genügen, eine Mischung der beiden zu verkörpern und gleichzeitig in etwa wie Paul Rodgers zu tönen, der schon 1973, als Gillan und Roger Glover „Purple“ (Volksmund) den Rücken gekehrt hatten, als neuer Purple-Frontman im Gespräch gewesen war.

      Das in den USA erst Anfang 1997 veröffentlichte, in Japan und Teilen Europas allerdings vom kaufenden Publikum bereits 1995 halbwegs wohlgelittene, radiotauglich abgeschliffene Rainbow-Album Stranger In Us All war alles andere als strange und perfekt und ließ einige vielversprechende Jam-Ideen vermissen (Doogie White berichtete von inflammierten Songs, die nie erschienen). Doch die Bühnenpräsenz der Band barst mitunter vor schierer Energie. Nicht ohne Recht ­feierte Andreas Schöwe, dem wir hier für seine treue Berichterstattung unbekannterweise danken möchten, in einem Tourreport für den Metal Hammer das „grandiose Comeback“ eines „der innovativsten Gitarristen der Rockgeschichte“. Schöwes Resümee nach dem nicht lange zurückliegenden „heftigen Ungemach bei Deep Purple“ kulminierte in der Feststellung, „daß der Gitarrist sogar im kleinsten Finger mehr Stil und Ausstrahlung besitzt als gut neunundneunzig Prozent der auf diesem Planeten nichtssagenden Unsinn verzapfenden Griffbrettwichser“.

      Ja, man fühlte sich an die siebziger Jahre erinnert, als der bescheidene Mann mal fallengelassen hatte: „Ich kann jedem Gitarristen voll den Arsch abspielen.“ Blackmore trat auf wie einer, der bei sich war und „wie ein phantastischer Irrer“ (Kay Sokolowsky) übers Griffbrett derwischte (man sehe sich nur die halbwegs leicht erhältliche WDR-Rockpalast-Aufzeichnung vom 9. Oktober 1995 an), in sich versunken und zugleich voller Aufmerksamkeit für das, was sein Spiel beim Publikum auszulösen vermochte. „Temple Of The King“ vom ersten Rainbow-Album aus dem Jahr 1975 geriet aufgrund der hartnäckigen Intervention von Doogie White vielfach zu einem nicht wiederholbaren Exerzitium der Improvisation. Einen ahnungsvollen Eindruck davon vermittelt die in Europa ver­öffentlichte Maxi-CD „Ariel“ mit der am 2. Oktober 1995 in Stockholm auf­gezeichneten „Temple“-Fassung.

      In der Offenbacher Stadthalle legte der ab und an gewiß gewissermaßen unleidliche Mann, der 1982 mal ein Konzert im Pavillon zu Paris mit zweistündiger Verzögerung begonnen hatte, am 24. Oktober 1995 dermaßen los, daß einem, im „Axe-Up-Tempo-Gewitter“ (Metal Hammer) ertrinkend, das Hören inklusive des Sehens zu vergehen drohte. Und wer nach Dokumenten gräbt, die Blackmores Ingeniosität in besagter Periode belegen, sei unter den Myriaden von Bootleg-Belegen, etwa aus Appenweiler (Schwarzwaldhalle, 12. Oktober 1996) und Bad Wörishofen (Eissporthalle, vergleiche Metal Hammer 10/1996), auf den Schmallenberg-Mitschnitt vom 1. August 1996 verwiesen, auf dem wir eine „Mistreated“-Klage, ein „Lazy“-Impromptu, ein „Still I’m Sad“ inklusive der die „Smoke On The Water“-Idee pointierenden Interpretation des Kopfthemas von Beethovens Fünfter gewärtigen; beziehungsweise die Magie des von gedämpften Slowlines davongetragenen Intros bei „Ariel“ oder im „Blues“ (in Rock Hard war von „einer traumhaft geilen Kraftfutter-Performance“ die Rede – man müßte sie symbolisch aushungern, diese Journalisten).

      Oder man entsinnt sich – bevor der ganze Kram wieder aufgrund von Black­mores Neigung, mit seinen Mitstreitern irgendwann kein Wort mehr zu wechseln und ihnen bei Bedarf live den Saft abzudrehen, in die Grütze rumpelt – des zweieinhalbstündigen Gigs vom 3. November 1995 im Londoner Hammersmith Odeon (man vergleiche die Drei-CD-Box Extra Long), als die Sub­alternen reichlich mehr als Dienstburschen abgaben und durch ein Set fegten, das von Albernheit, subtilem Stegreifchaos, witziger Launenhaftigkeit, rhythmischer Finesse bis zu ausschweifenden Solopartien alles bot, was ein Konzert mit Blackmore bieten kann (inklusive gestohlener Gitarre im Zugabenteil).

      Was Blackmore später bewog zu behaupten, er habe von Anfang an gewußt, daß der Sänger nichts tauge, bleibt eines seiner nicht eben wenigen Geheimnisse; ebenso, was ihn dazu animierte, auf Pat Boones Big-Band-Parodiealbum In A Metal Mood – No More Mr. Nice Guy (1997) für einen „Smoke On The Water“-Gastauftritt geradezustehen (der dazugehörige Film stellt allerdings das trotz ­Spinal Tap bis dato komischste Dokument über die bizarren Rituale des Heavy Metal und seiner Protagonisten dar; etwa zeitgleich, das bleibe nicht unerwähnt, spielt Blackmore für das Shadows-Tribute-Album Twang! [1996] СКАЧАТЬ