Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke
Автор: Honore de Balzac
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815226
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»Monsieur le Marquis, Ihr Leben ist in Gefahr, kommen Sie nicht mehr ins Kurhaus!« sagte sie zu Raphael und wich dabei ein paar Schritte zurück, als wäre ihre Tugend schon in Gefahr.
»Aber bitte, Mademoiselle«, erwiderte Valentin lächelnd, »wollen Sie sich nicht deutlicher erklären, wenn Sie schon die Freundlichkeit hatten, hierherzukommen?«
»Oh!« gab sie zurück, »wäre es nicht eine so wichtige Sache, hätte ich nie gewagt, die Ungnade von Madame la Comtesse auf mich zu lenken, denn wenn sie jemals erführe, daß ich Sie gewarnt habe …«
»Und wer sollte es ihr sagen?« rief Raphael.
»Das ist wahr«, versetzte das alte Fräulein und warf ihm einen scheuen Blick zu, wie ein Käuzchen, das der Sonne ausgesetzt wird.
»Aber denken Sie an sich«, fügte sie hinzu; »mehrere junge Leute, die Sie aus dem Bade vertreiben wollen, haben abgesprochen, Sie zu provozieren und Sie zu zwingen, sich zu duellieren.«
Aus der Ferne hörte man die Stimme der alten Dame.
»Mademoiselle«, sagte der Marquis, »meinen Dank …«
Seine Gönnerin war bereits geflüchtet, als sie die Stimme ihrer Herrin hörte, die abermals aus den Felsen gellte.
»Armes Mädchen! Die Unglücklichen verstehen und helfen einander immer«, dachte Raphael, während er sich unter einen Baum setzte.
Der Schlüssel zu allen Wissenschaften ist unbestritten das Fragezeichen; wir verdanken die meisten großen Entdeckungen dem Wie, und die Lebensweisheit besteht vielleicht darin, sich bei jeder Gelegenheit zu fragen: Warum. Aber das künstliche Vorherwissen zerstört auch unsere Illusionen. So hatte Valentin, ohne lange philosophische Erwägung, die gute Tat der alten Jungfer zum Gegenstand seiner unsteten Gedanken gemacht und fand lauter Galle darin.
»Daß ich von einer Gesellschaftsdame geliebt werde«, dachte er sich, »ist kein Wunder; ich bin siebenundzwanzig Jahre alt, bin Marquis und habe zweimal 100 000 Livres im Jahr! Aber daß ihre Herrin, die den Katzen die Palme der Wasserscheu streitig macht, sie im Boot in meine Nähe geführt hat, ist das nicht seltsam, fast wunderbar? Diese beiden Frauenzimmer, die nach Savoyen gekommen sind, um hier wie Murmeltiere zu schlafen, die des Mittags fragen, ob schon Tag ist, sollten heute vor acht Uhr aufgestanden sein, um dieses Wagstück, mich aufzuspüren, zu unternehmen!«
Bald war diese alte Jungfer und ihre vierzigjährige Unschuld in seinen Augen eine neue Verwandlung dieser künstlichen und tückischen Welt, eine elende List, ein täppisches Komplott, eine boshafte Spitzfindigkeit, die ein Priester oder eine Frau ersonnen hatte. War das Duell ein Märchen, oder wollte man ihm nur Angst einjagen? Diese dürftigen Seelen, die frech und aufdringlich wie Fliegen waren, durften sich rühmen, seine Eitelkeit erregt, seinen Stolz geweckt, seine Neugier gekitzelt zu haben. Er wollte weder ihr Narr sein noch als Feigling gelten, und da ihn diese Posse zu amüsieren anfing, ging er noch am nämlichen Abend ins Kurhaus. Er stützte sich auf den Marmor des Kamins und blieb ruhig in der Mitte des großen Salons stehen, sorgsam bedacht, sich keine Blöße zu geben; aber er prüfte die Mienen und bot vielleicht gerade durch diese Umsicht der Gesellschaft die Stirn. Wie eine Dogge, die ihrer Kraft sicher ist, wartete er den Kampf ruhig ab, ohne unnütz zu bellen. Gegen Ende des Abends schlenderte er durch den Spielsalon bis zur Tür des Billardzimmers, von wo aus er von Zeit zu Zeit einen Blick auf die jungen Leute warf, die dort eine Partie spielten. Nach kurzer Zeit hörte er seinen Namen nennen. Obwohl СКАЧАТЬ