Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ wir längst das To­des­ur­teil ge­spro­chen ha­ben, wie sie zu­wei­len auch die le­bens­kräf­tigs­ten Na­tu­ren ver­läßt.

      Ein sar­do­ni­sches Lä­cheln glitt über die Lip­pen des drit­ten, des Dok­tor Mau­gre­die. Er war ein aus­ge­zeich­ne­ter Kopf, aber ein Skep­ti­ker und Spöt­ter, der an nichts als ans Skal­pell glaub­te, Bris­set den Tod ei­nes Men­schen zu­ge­stand, dem es aus­ge­zeich­net ging, und wie­der­um mit Ca­me­ris­tus an­er­kann­te, daß ein Mensch noch nach sei­nem Tode wei­ter­le­ben kön­ne. Er fand in al­len Theo­ri­en et­was Gu­tes, schloß sich kei­ner an, be­haup­te­te, das bes­te Sys­tem in der Me­di­zin sei, keins zu ha­ben und sich an die Tat­sa­chen zu hal­ten. Die­ser Panurg, die­ser Kö­nig der Beo­b­ach­tung, der große Dia­gno­s­ti­ker und große Spöt­ter, der Mann der ver­zwei­fel­ten Ver­su­che, mach­te sich jetzt mit dem Cha­grin­le­der zu schaf­fen.

      »Ich möch­te mich gern von dem Zu­sam­men­hang zwi­schen Ihren Wün­schen und sei­ner Ver­klei­ne­rung mit ei­ge­nen Au­gen über­zeu­gen«, sag­te er zu dem Mar­quis.

      »Wozu denn?« rief Bris­set.

      »Wozu denn?« wie­der­hol­te Caméris­tus.

      »Ah! Sie sind sich ei­nig«, mein­te Mau­gre­die.

      »An die­ser Zu­sam­men­zie­hung ist wei­ter nichts Be­son­de­res«, mein­te Bris­set.

      »Sie ist über­na­tür­lich«, sag­te Caméris­tus.

      »Ja, in der Tat«, ver­setz­te Mau­gre­die und nahm eine erns­te Mie­ne an, wäh­rend er Ra­pha­el sein Cha­grin­le­der zu­rück­gab; »so ist zum Bei­spiel die horn­ar­ti­ge Ver­här­tung der Haut eine un­er­klär­li­che und den­noch na­tür­li­che Tat­sa­che, die seit der Er­schaf­fung der Welt die Me­di­zin und die hüb­schen Frau­en zur Verzweif­lung treibt.«

      Wie ge­nau Va­len­tin sei­ne drei Ärz­te auch be­ob­ach­te­te, er ent­deck­te bei ih­nen kei­ner­lei Mit­ge­fühl für sei­ne Lei­den. Alle drei blie­ben nach je­der Ant­wort stumm, ma­ßen ihn mit gleich­gül­ti­gen Bli­cken und frag­ten ihn aus, ohne ihn zu be­dau­ern. Hin­ter ih­rer Höf­lich­keit war küh­le Teil­nahms­lo­sig­keit zu spü­ren. Sei es, daß sie ih­rer Sa­che si­cher, sei es, daß sie in tie­fes Nach­den­ken ver­sun­ken wa­ren, ihre Wor­te flos­sen so spär­lich, so trä­ge, daß Ra­pha­el manch­mal glaub­te, sie wä­ren mit ih­ren Ge­dan­ken wo­an­ders. Von Zeit zu Zeit ant­wor­te­te le­dig­lich Bris­set: »Gut! Schön!« auf alle hoff­nungs­lo­sen Sym­pto­me, die Bian­chon auf­zeig­te. Caméris­tus ver­harr­te in ei­ner tie­fen Träu­me­rei; Mau­gre­die er­in­ner­te an einen Lust­spiel­dich­ter, der zwei Ori­gi­na­le stu­diert, um sie treu auf die Büh­ne zu brin­gen. Das Ge­sicht Bian­chons ver­riet große Sor­ge und trau­ri­ge Er­grif­fen­heit. Er war erst zu kur­ze Zeit Arzt, um vor dem Schmerz stumpf, vor dem Bett ei­nes Ster­ben­den un­er­schüt­tert blei­ben zu kön­nen; er ver­moch­te die Freun­de­strä­nen nicht zu un­ter­drücken, die einen Men­schen hin­dern, klar zu se­hen und wie ein Be­fehls­ha­ber den für den Sieg güns­ti­gen Au­gen­blick zu pa­cken, ohne auf die Schreie der Ster­ben­den zu hö­ren. Nach­dem die Au­to­ri­tä­ten un­ge­fähr eine hal­be Stun­de dar­auf ver­wen­det hat­ten, der Krank­heit und dem Kran­ken so­zu­sa­gen Maß zu neh­men, wie ein Schnei­der ei­nem jun­gen Mann für sei­nen Hoch­zeits­an­zug Maß nimmt, brach­ten sie ein paar Ge­mein­plät­ze vor, un­ter­hiel­ten sich so­gar über Po­li­tik; dann woll­ten sie sich in Ra­phaels Ar­beits­zim­mer zu­rück­zie­hen, um ihre Mei­nun­gen aus­zut­au­schen und das Ur­teil zu fäl­len.

      »Mes­sieurs«, frag­te Ra­pha­el, »kann ich der De­bat­te nicht bei­woh­nen?«

      Ge­gen die­ses An­sin­nen er­ho­ben Bris­set und Mau­gre­die leb­haf­ten Ein­spruch und lehn­ten es trotz der dring­li­chen Bit­ten des Kran­ken ab, in sei­ner An­we­sen­heit zu be­ra­ten. Ra­pha­el füg­te sich dem Brauch; er ge­dach­te aber, sich in einen klei­nen Gang zu schlei­chen, von dem aus er die me­di­zi­ni­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, die zwi­schen den drei Pro­fes­so­ren ent­bren­nen wür­den, leicht ver­fol­gen konn­te.

      »Mes­sieurs«, sag­te Bris­set, als sie ein­ge­tre­ten wa­ren, »ge­stat­ten Sie mir, Ih­nen so­fort mei­ne Mei­nung dar­zu­le­gen. Ich will sie Ih­nen we­der auf­drän­gen noch sie be­strit­ten se­hen; ers­tens ist sie be­stimmt und si­cher; sie re­sul­tiert aus ei­ner völ­li­gen Ähn­lich­keit zwi­schen ei­nem mei­ner Kran­ken und dem Pa­ti­en­ten, zu des­sen Un­ter­su­chung wir hier­her ge­ru­fen wor­den sind; zwei­tens er­war­tet man mich in mei­ner Kli­nik. Der Fall, der mei­ne An­we­sen­heit dort er­for­der­lich macht, ist so wich­tig, daß Sie ent­schul­di­gen, wenn ich als ers­ter das Wort er­grei­fe. Das ›Sub­jek­t‹, mit dem wir es zu tun ha­ben, ist in glei­cher Wei­se von geis­ti­gen Ar­bei­ten er­schöpft … Was hat er denn ge­schrie­ben, Horace?« Da­mit wand­te er sich an den jun­gen Arzt.

      »Eine Theo­rie des Wil­lens!«

      »Don­ner­wet­ter! das ist frei­lich ein weit­rei­chen­des The­ma! Er ist, sage ich, durch über­mä­ßi­ge Geis­tes­ar­beit, durch eine un­ver­nünf­ti­ge Le­bens­wei­se, durch die wie­der­hol­te An­wen­dung zu star­ker Sti­mu­lan­ti­en er­schöpft. Die stän­di­ge Auf­peit­schung des Kör­pers wie des Ge­hirns hat die Tä­tig­keit des gan­zen Or­ga­nis­mus durch­ein­an­der­ge­bracht. Mes­sieurs, es ist leicht, in den Sym­pto­men des Ge­sichts­aus­drucks und des Kör­pers eine star­ke Rei­zung des Ma­gens, die Neu­ro­se des großen Sym­pa­thi­kus, die leb­haf­te Emp­find­lich­keit des Epi­ga­stri­ums und die Ve­ren­gung des Hy­po­chon­dri­ums zu er­ken­nen. Sie ha­ben die An­schwel­lung und das Her­vor­tre­ten der Le­ber be­merkt. Schließ­lich hat Mon­sieur Bian­chon die Ver­dau­ung sei­nes Pa­ti­en­ten stän­dig be­ob­ach­tet und uns mit­ge­teilt, daß sie schwer und müh­sam ist. Gen­au­ge­sagt ist kein Ma­gen mehr da; der ei­gent­li­che Mensch ist ver­schwun­den. Der In­tel­lekt ist ge­schwächt, weil der Mann nicht mehr ver­daut. Die fort­schrei­ten­de Ver­än­de­rung des Epi­ga­stri­ums, des Zen­trums des Le­bens, hat das gan­ze Sys­tem ge­stört. Von dort wer­den die dau­ern­den und un­be­streit­ba­ren Stö­run­gen aus­ge­strahlt; sie ha­ben durch das Ner­ven­ge­flecht auf das Hirn über­ge­grif­fen, da­her die au­ßer­or­dent­li­che Reiz­bar­keit die­ses Or­gans. Es liegt eine Mo­no­ma­nie vor. Der Kran­ke wird von ei­ner fi­xen Idee ver­folgt. Für ihn wird die­ses Stück Cha­grin­le­der wirk­lich klei­ner, viel­leicht ist es aber im­mer so groß ge­we­sen, wie wir es ge­se­hen ha­ben; aber ob es sich zu­sam­men­zieht oder nicht, die­ses Cha­grin­le­der ist für ihn die Mücke auf der Nase des Groß­we­sirs. Set­zen Sie un­ver­züg­lich Blut­egel an das Epi­ga­stri­um, be­ru­hi­gen Sie die Rei­zung die­ses Or­gans, in dem das mensch­li­che Le­ben sei­nen Sitz hat, sor­gen Sie für eine stren­ge Diät, und die Mo­no­ma­nie wird wei­chen. Ich brau­che Dok­tor Bian­chon nichts wei­ter zu sa­gen; er muß die Be­hand­lung vor­neh­men, im Gan­zen wie in den Ein­zel­hei­ten. Vi­el­leicht liegt ein Zu­sam­men­wir­ken von Krank­hei­ten vor, viel­leicht sind die Atem­we­ge gleich­falls in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen; aber ich hal­te die Be­hand­lung des Ver­dau­ungs­ap­pa­ra­tes für weitaus wich­ti­ger, СКАЧАТЬ