Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ leg­te das Stück Le­der auf einen Am­boß und ließ mit der gan­zen Kraft, die der Zorn ver­leiht, einen so furcht­ba­ren Schlag auf den Ta­lis­man nie­der­sau­sen, wie er in sei­nen Werk­stät­ten noch nie er­dröhnt war.

      »Er zeigt sich bloß nicht!« rief Plan­chet­te und strich über das wi­der­spens­ti­ge Le­der.

      Die Ar­bei­ter lie­fen her­bei. Der Werk­meis­ter nahm das Le­der und steck­te es in die glü­hen­de Stein­koh­le sei­nes Schmie­de­feu­ers. Alle stan­den im Halb­kreis um das Feu­er und be­ob­ach­te­ten un­ge­dul­dig das Auf­lo­dern der von ei­nem un­ge­heu­ren Bla­se­balg an­ge­fach­ten Flam­men. Ra­pha­el, Spieg­hal­ter und Pro­fes­sor Plan­chet­te stan­den in der Mit­te die­ser schwar­zen lau­ern­den Men­ge. Als Ra­pha­el all die­se wei­ßen Au­gen, die­se mit Ei­sen­staub ge­pu­der­ten Köp­fe, die­se ru­ßig glän­zen­den Ar­beits­klei­der, die­se be­haar­ten Brüs­te sah, glaub­te er sich in die nächt­li­che, phan­tas­ti­sche Welt der deut­schen Bal­la­den ver­setzt. Der Werk­meis­ter er­griff schließ­lich das Le­der mit ei­ner Zan­ge, nach­dem er es zehn Mi­nu­ten lang im Feu­er ge­las­sen hat­te.

      »Ge­ben Sie es mir«, sag­te Ra­pha­el.

      Der Werk­meis­ter streck­te es Ra­pha­el wie zum Spaß hin. Der Mar­quis nahm es ein­fach in die Hand: es war kalt und ge­schmei­dig. Die Ar­bei­ter schri­en vor Ent­set­zen auf und flo­hen. Va­len­tin blieb mit Plan­chet­te al­lein in der lee­ren Werk­statt.

      »Kein Zwei­fel, es sitzt et­was Teuf­li­sches dar­in!« rief Ra­pha­el ver­zwei­felt; »kei­ne Macht der Erde kann mir also einen Tag Le­ben da­zu­ge­ben?«

      »Ich habe un­recht ge­habt«, ver­setz­te der Ma­the­ma­ti­ker mit zer­knirsch­ter Mie­ne, »wir hät­ten die­se ab­son­der­li­che Haut der Ein­wir­kung ei­nes Walz­werks aus­set­zen müs­sen. Wo hat­te ich mei­ne Au­gen, als ich Ih­nen eine hy­drau­li­sche Pres­se vor­schlug!«

      »Ich sel­ber hat­te es ge­for­dert«, er­wi­der­te Ra­pha­el.

      Der Ge­lehr­te at­me­te auf wie ein Schul­di­ger, der von zwölf Ge­schwo­re­nen frei­ge­spro­chen wird. Das selt­sa­me Pro­blem, das die­ses Stück Le­der ihm auf­gab, be­schäf­tig­te ihn den­noch, er dach­te eine Wei­le nach und sag­te schließ­lich:

      »Man muß die­sen un­be­kann­ten Stoff mit Rea­gen­zi­en be­han­deln. Wir wol­len Ja­phet auf­su­chen, viel­leicht hat die Che­mie mehr Glück als die Mecha­nik.«

      Va­len­tin trieb sein Pferd schnell an, da­mit sie den be­rühm­ten Che­mi­ker Ja­phet noch in sei­nem La­bo­ra­to­ri­um an­trä­fen.

      »Nun, al­ter Freund«, sag­te Plan­chet­te, als er Ja­phet be­grüß­te, der in ei­nem Lehn­stuhl saß und einen Nie­der­schlag be­trach­te­te, »wie geht’s der Che­mie?«

      »Sie schläft ein; nichts Neu­es. Die Aka­de­mie hat al­ler­dings die Exis­tenz des Sa­li­zin an­er­kannt, aber Sa­li­zin, Aspa­ra­gin, Vau­que­lin, Di­gi­ta­lin, das sind al­les kei­ne Ent­de­ckun­gen.«

      »Es scheint«, sag­te Ra­pha­el, »daß Sie, da sich Sub­stan­zen nicht er­fin­den las­sen, dar­auf an­ge­wie­sen sind, Na­men zu er­fin­den.«

      »Das ist bei Gott wahr, jun­ger Mann!«

      »Hier«, sag­te Pro­fes­sor Plan­chet­te zu dem Che­mi­ker, »ver­su­che doch mal, die­se Sub­stanz zu zer­le­gen; wenn du ir­gend­ein neu­es Ele­ment dar­aus ge­winnst, nen­ne ich es von vorn­her­ein Dia­bo­lin, denn als wir sie eben kom­pri­mie­ren woll­ten, ha­ben wir eine hy­drau­li­sche Pres­se zu­schan­den ge­macht.«

      »Schau, schau!« rief der Che­mi­ker ver­gnügt, »das gibt viel­leicht ein neu­es Ele­ment.«

      »Mon­sieur«, sag­te Ra­pha­el, »es ist wei­ter nichts als ein Stück Esels­haut.«

      »Mon­sieur«, woll­te der Che­mi­ker ernst er­wi­dern, aber der Mar­quis gab ihm das Cha­grin­le­der mit der Be­mer­kung: »Ich ma­che kei­nen Spaß.«

      Baron Ja­phet prüf­te das Le­der zu­nächst mit den Pa­pil­len sei­ner Zun­ge, die dar­in ge­übt war, Sal­ze, Säu­ren, Al­ka­li­en und Gase her­aus­zu­schme­cken, und mein­te nach ei­ni­gen Ver­su­chen: »Ge­schmack hat es kei­nen. Nun wol­len wir ihm ein­mal ein biß­chen Fluß­säu­re zu trin­ken ge­ben.«

      Das Le­der wur­de mit die­sem Stoff be­han­delt, das tie­ri­sche Ge­we­be so­fort zer­setzt, wies aber kei­ner­lei Ver­än­de­run­gen auf.

      »Das ist kein Cha­grin!« rief der Che­mi­ker. »Nun wol­len wir die­ses ge­heim­nis­vol­le Un­be­kann­te wie ein Mi­ne­ral be­han­deln und ihm or­dent­lich ein­hei­zen. Tun wir es also in einen Schmelz­tie­gel, in dem ich ge­ra­de rote Pot­ta­sche habe.«

      Ja­phet ging hin­aus und kam bald zu­rück.

      »Bit­te Mon­sieur«, sag­te er zu Ra­pha­el, »las­sen Sie mich ein Stück­chen von die­ser ku­rio­sen Sub­stanz ab­neh­men, sie ist so selt­sam, daß …«

      »Ein Stück­chen?« rief Ra­pha­el; »nicht ein Haar­breit geht da­von ab. Üb­ri­gens«, füg­te er dann mit ei­nem Aus­druck hin­zu, der zu­gleich düs­ter und spöt­tisch war, »ver­su­chen Sie es!«

      Der Ge­lehr­te zer­brach bei dem Ver­such, et­was von dem Le­der ab­zu­schnei­den, ein Ra­sier­mes­ser; er ver­such­te es mit Hil­fe ei­ner star­ken elek­tri­schen La­dung zu zer­tei­len; dann un­ter­warf er es der Wir­kung der Vol­tai­schen Säu­le; kurz, alle Blit­ze sei­ner Wis­sen­schaft wur­den an dem schreck­li­chen Ta­lis­man zu­nich­te. Es war sie­ben Uhr abends. Plan­chet­te, Ja­phet und Ra­pha­el merk­ten nicht, wie die Zeit ent­schwand; sie war­te­ten auf das Er­geb­nis ei­nes letz­ten Ver­su­ches. Je­doch das Cha­grin­le­der ging aus ei­nem furcht­ba­ren An­griff mit ei­ner ge­hö­ri­gen Do­sis Chlor­stick­stoff sieg­reich her­vor.

      »Ich bin ver­lo­ren!« rief Ra­pha­el. »Gott will es. Ich muß ster­ben.« Er ließ die bei­den Ge­lehr­ten be­stürzt zu­rück.

      »Wir wol­len uns hü­ten, die­ses Aben­teu­er der Aka­de­mie zu er­zäh­len, un­se­re Kol­le­gen wür­den sich über uns lus­tig ma­chen«, sag­te Plan­chet­te zu dem Che­mi­ker nach ei­ner lan­gen Pau­se, in der sie ein­an­der an­ge­se­hen hat­ten, ohne daß sie aus­zu­spre­chen wag­ten, was sie dach­ten.

      Die bei­den Ge­lehr­ten ka­men sich wie Chris­ten vor, die aus ih­ren Grä­bern auf­er­stan­den sind und kei­nen Gott im Him­mel ge­fun­den ha­ben. Die Wis­sen­schaft? Ohn­mäch­tig! Die Säu­ren? Kla­res Was­ser! Die rote Pot­ta­sche? Bla­miert! Die Vol­tai­sche Säu­le und der elek­tri­sche Fun­ke? Zwei Gau­kel­männ­chen!

      »Eine hy­drau­li­sche Pres­se zer­bro­chen wie ein Stück Brot!« rief Plan­chet­te.

      Es trat wie­der Schwei­gen СКАЧАТЬ