Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

isbn:

СКАЧАТЬ mich in der tiefs­ten, schmäh­lichs­ten, qual­volls­ten Not be­fin­de. Und«, füg­te er mit ei­nem Ton hin­zu, des­sen wil­der Stolz sei­ne vor­her­ge­hen­den Wor­te Lü­gen straf­te, »ich will we­der um Hil­fe noch um Trost bet­teln.«

      »He, he!« Die bei­den Sil­ben, die der Alte zu­nächst statt ei­ner Ant­wort hö­ren ließ, klan­gen wie das Krei­schen ei­ner Knar­re. Dann fuhr er fort: »Ohne Sie zu nö­ti­gen, mich an­zu­bet­teln, ohne Sie zu be­schä­men, ohne Ih­nen einen fran­zö­si­schen Cen­ti­me, einen Para aus der Le­van­te, eine si­zi­lia­ni­sche Tari, einen deut­schen Hel­ler, eine rus­si­sche Kope­ke, einen schot­ti­schen Far­thing, eine ein­zi­ge Ses­ter­ze oder einen Obo­lus der al­ten Welt noch einen Pias­ter der neu­en zu ge­ben, ohne Ih­nen ir­gend et­was von Gold, Sil­ber, Mün­zen, Bank­no­ten oder Wert­pa­pie­ren an­zu­bie­ten, will ich Sie rei­cher, mäch­ti­ger und an­ge­se­he­ner ma­chen, als es ein kon­sti­tu­tio­nel­ler Kö­nig sein kann.«

      Der jun­ge Mann glaub­te, der Alte sei kin­disch ge­wor­den, er war wie be­täubt und wag­te nicht zu ant­wor­ten.

      »Dre­hen Sie sich um«, sag­te der Händ­ler und griff plötz­lich zur Lam­pe, um ihr Licht auf die dem Bild­nis ge­gen­über­lie­gen­de Wand fal­len zu las­sen – »und be­trach­ten Sie die­ses Cha­grin­le­der«, füg­te er hin­zu.

      Der jun­ge Mann er­hob sich has­tig und zeig­te sich ei­ni­ger­ma­ßen er­staunt, als er über dem Ses­sel, auf dem er ge­ses­sen hat­te, ein Stück Cha­grin an der Wand hän­gen sah, das nicht grö­ßer als eine Fuchs­haut war; doch, ei­nem auf den ers­ten Blick un­er­klär­li­chen Phä­no­men zu­fol­ge, warf die­ses Le­der in das tie­fe Dun­kel des La­dens so leuch­ten­de Strah­len, daß man hät­te den­ken kön­nen, sie gin­gen von ei­nem klei­nen Ko­me­ten aus. Der un­gläu­bi­ge jun­ge Mann nä­her­te sich dem an­geb­li­chen Ta­lis­man, der ihn vor Un­glück be­wah­ren soll­te, und mach­te sich in­ner­lich dar­über lus­tig. Als er sich je­doch, von ei­ner be­rech­tig­ten Neu­gier­de ge­trie­ben, vor­beug­te, um die Haut von al­len Sei­ten zu be­trach­ten, ent­deck­te er bald einen na­tür­li­chen Grund für die­se son­der­ba­re Leucht­kraft. Die schwar­zen Nar­ben des Cha­grins wa­ren so sorg­fäl­tig ge­glät­tet und so vor­treff­lich po­liert, die ver­schlun­ge­nen Ril­len so klar und scharf, daß die Une­ben­hei­ten die­ses ori­en­ta­li­schen Le­ders, gleich den Fa­cet­ten ei­nes Gra­nats, eben­so vie­le klei­ne Brenn­punk­te bil­de­ten, die das Licht fun­kelnd zu­rück­war­fen. Er er­klär­te dem Al­ten wis­sen­schaft­lich den Grund die­ser Er­schei­nung, je­ner in­des, statt zu ant­wor­ten, lä­chel­te nur viel­sa­gend. Die­ses über­le­ge­ne Lä­cheln ließ den jun­gen Ge­lehr­ten ver­mu­ten, er wer­de mit ir­gend­ei­nem Ho­kus­po­kus zum bes­ten ge­hal­ten. Er woll­te kein wei­te­res Rät­sel mit in das Grab neh­men und dreh­te die Haut schnell um, wie ein Kind, das be­gie­rig ist, die Ge­heim­nis­se sei­nes neu­en Spiel­zeugs ken­nen­zu­ler­nen.

      »Sie ken­nen es also?« frag­te der Händ­ler und stieß zwei- oder drei­mal die Luft durch die Nase, was mehr be­sag­te als die kräf­tigs­ten Wor­te.

      »Ob es auf der Welt wohl einen Men­schen gibt, der so ein­fäl­tig wäre, an die­ses Hirn­ge­spinst zu glau­ben?« rief der jun­ge Mann, ge­reizt von die­sem stum­men La­chen voll bit­te­ren Hohns.

      »Wis­sen Sie denn nicht, daß der Aber­glau­be des Ori­ents die mys­ti­sche Form und die lüg­ne­ri­schen Schrift­zei­chen die­ses Sym­bols ge­schaf­fen hat, das eine fa­bel­haf­te Macht vor­stel­len soll? Ich glau­be, daß man mich dies­be­züg­lich nicht min­der der Al­bern­heit be­zich­ti­gen müß­te, als sprä­che ich von Sphin­xen oder Grei­fen, de­ren Exis­tenz ja auch my­tho­lo­gisch ge­wis­ser­ma­ßen be­glau­bigt ist.«

      »Da Sie Ori­en­ta­list sind, kön­nen Sie viel­leicht die­se In­schrift le­sen?«

      Er hob die Lam­pe dicht an den Ta­lis­man, den der jun­ge Mann ver­kehrt her­um hielt, und mach­te ihn auf die Schrift­zei­chen auf­merk­sam, die in das Zell­ge­we­be die­ser Wun­der­haut ein­ge­kerbt wa­ren, als ob sie das Tier, dem sie vor­mals an­ge­hört hat­te, selbst her­vor­ge­bracht hät­te.

      »Ich ge­ste­he«, rief der Un­be­kann­te, »daß mir das Ver­fah­ren, des­sen man sich be­dien­te, um die­se Buch­sta­ben so tief in die Haut ei­nes wil­den Esels ein­zu­gra­vie­ren, un­be­kannt ist.«

      Er kehr­te sich leb­haft den mit Ku­rio­si­tä­ten be­la­de­nen Ti­schen zu, und sei­ne Au­gen schie­nen dort et­was zu su­chen.

      »Was wün­schen Sie?« frag­te der Alte.

      »Ein In­stru­ment, um das Cha­grin an­zu­schnei­den, da­mit ich se­hen kann, ob die Buch­sta­ben ein­ge­prägt oder ein­ge­legt sind.«

      Der Alte reich­te dem Un­be­kann­ten sein Sti­lett; der nahm es und be­gann das Le­der an der Stel­le, wo die Wor­te ge­schrie­ben stan­den, ein­zu­schnei­den; als er aber eine dün­ne Schicht Le­der ab­ge­ho­ben hat­te, tra­ten die Buch­sta­ben dar­un­ter wie­der so deut­lich und de­nen, die auf die Ober­flä­che ein­ge­kerbt wa­ren, so völ­lig gleich, her­vor, daß er einen Au­gen­blick lang wähn­te, nichts weg­ge­nom­men zu ha­ben.

      »Die Kunst des Mor­gen­lan­des kennt Ge­heim­nis­se, um die tat­säch­lich nur sie al­lein weiß«, sag­te er und be­trach­te­te den ori­en­ta­li­schen Spruch mit ei­ner ge­wis­sen Un­ru­he.

      »Ja«, er­wi­der­te der Greis, »man tut bes­ser dar­an, sich an die Men­schen zu hal­ten als an Gott.«

      Die mys­te­ri­ösen Wor­te wa­ren fol­gen­der­ma­ßen an­ge­ord­net:

      Was in der Über­set­zung heißt:

      Wenn du mich be­sit­zest, wirst du al­les be­sit­zen.

       Aber dein Le­ben wird mir ge­hö­ren.

       Gott hat es so ge­wollt.

       Wün­sche, und dei­ne Wün­sche wer­den er­füllt wer­den.

       Aber rich­te dei­ne Wün­sche nach dei­nem Le­ben.

       Es ist in mir.

       Bei je­dem Wunsch wer­de ich ab­neh­men wie dei­ne Tage.

       Willst du mich? Nimm.

       Gott wird dich er­hö­ren.

       Sei es!

      »Ah! wie flie­ßend Sie das Sans­krit le­sen!« sag­te der Alte. »Ha­ben Sie viel­leicht Per­si­en oder Ben­ga­len be­reist?«

      »Nein, Mon­sieur«, er­wi­der­te der jun­ge Mann und be­tas­te­te neu­gie­rig das sym­bol­träch­ti­ge Le­der, das sich СКАЧАТЬ