Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 125

Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ zwei Pin­sel­stri­chen zwei grund­ver­schie­de­ne Aus­drücke tref­fen und aus die­sem Ant­litz ein schö­nes Bild des Ewi­gen Va­ters oder die grin­sen­de Mas­ke des Me­phi­sto­phe­les schaf­fen kön­nen, denn eng bei­ein­an­der fan­den sich er­ha­be­ne Ho­heit auf der Stirn und schnei­den­der Hohn um den Mund. Die­ser Mann muß­te, in­dem er mit ei­ner ge­wal­ti­gen Kraft al­les mensch­li­che Lei­den un­ter­drück­te, auch alle ir­di­schen Freu­den ge­tö­tet ha­ben. Der zum Ster­ben Ent­schlos­se­ne schau­der­te, da er ahn­te, daß die­ser be­jahr­te Greis in ei­ner der Welt frem­den Sphä­re da­heim war, wo er al­lein leb­te, ohne Freu­den, weil er kei­ne Il­lu­sio­nen mehr hat­te, ohne Kum­mer, weil er kei­ne Freu­de mehr kann­te. Der Alte stand un­be­weg­lich, un­er­schüt­ter­lich wie ein Stern in ei­ner lich­ten Wol­ke. Sei­ne grü­nen Au­gen voll ei­ner son­der­ba­ren sanf­ten Bos­heit schie­nen die geis­ti­ge Welt zu er­hel­len wie sei­ne Lam­pe die­ses ge­heim­nis­vol­le Ka­bi­nett.

      »Sie wün­schen das Bild Jesu von Raf­fa­el zu se­hen, Mon­sieur?« frag­te der Greis ihn höf­lich mit ei­ner Stim­me, de­ren hel­ler, knap­per Klang et­was Me­tal­li­sches hat­te.

      Und er stell­te die Lam­pe auf den Schaft ei­ner ab­ge­bro­che­nen Säu­le, so daß der brau­ne Kas­ten im hel­len Licht stand.

      Bei den hei­li­gen Na­men Je­sus Chris­tus und Raf­fa­el ent­fuhr dem jun­gen Man­ne eine Be­we­gung der Neu­gier­de, die der Kauf­mann, der eine Fe­der in Gang setz­te, er­war­tet zu ha­ben schi­en. So­fort glitt die Ma­ha­go­ni­plat­te in ei­ner Nut laut­los ab­wärts und bot die Lein­wand der Be­wun­de­rung des Un­be­kann­ten dar. Beim An­blick die­ses un­s­terb­li­chen Wer­kes ver­gaß er die Phan­ta­sie­ge­bil­de im La­den und die Aus­ge­bur­ten sei­nes Schlum­mers, wur­de wie­der Mensch, er­kann­te in dem Al­ten ein Ge­schöpf aus Fleisch und Blut, das recht le­ben­dig und kei­nes­wegs ein Trug­bild war, und leb­te wie­der in der wirk­li­chen Welt. Die lie­be­vol­le Sor­ge, die mil­de Hei­ter­keit des gött­li­chen An­ge­sichts teil­ten sich ihm mit. Ein dem Him­mel ent­ström­ter Hauch lös­te die Höl­len­qua­len, die ihm das Mark ver­zehr­ten. Der Kopf des Er­lö­sers tauch­te aus der Fins­ter­nis, die der schwar­ze Hin­ter­grund vor­stell­te; ein Strah­len­kranz um­gab sein Haar, aus dem die­ses Leuch­ten her­vor­zu­bre­chen schi­en; von der Stirn, von den Wan­gen, aus al­len Zü­gen ström­te eine be­red­te ein­dring­li­che Über­zeu­gung. Die tief ro­ten Lip­pen hat­ten das Wort des Le­bens ver­kün­det, und der Be­trach­ter lausch­te auf des­sen hei­li­gen Wi­der­hall in den Lüf­ten, be­frag­te die Stil­le nach sei­nen wun­der­vol­len Gleich­nis­sen, hör­te es in der Zu­kunft, fand es in den Leh­ren der Ver­gan­gen­heit wie­der. In der ru­hi­gen Klar­heit die­ser an­be­tungs­wür­di­gen Au­gen, zu de­nen be­küm­mer­te Her­zen sich flüch­te­ten, lag das gan­ze Evan­ge­li­um. Aus sei­nem hol­den er­ha­be­nen Lä­cheln schließ­lich, das das Grund­ge­bot: ›Lie­bet ein­an­der!‹ aus­zu­drücken schi­en, konn­te man die gan­ze ka­tho­li­sche Re­li­gi­on her­aus­le­sen. Die­ses Ge­mäl­de stimm­te zur An­dacht, rief zur Ver­söh­nung auf, tö­te­te die Selbst­sucht, weck­te alle schlum­mern­den Tu­gen­den. Gleich der Zau­ber­kraft der Mu­sik be­schwor Raf­faels Schöp­fung köst­li­che Erin­ne­run­gen, und der Sieg des Bil­des war so voll­kom­men, daß man den Ma­ler ver­gaß. Das trü­ge­ri­sche Licht ver­voll­stän­dig­te das Wun­der: für Au­gen­bli­cke schi­en es, als ob der Kopf weit ent­fernt in ei­ner Wol­ke sich be­weg­te.

      »Ich habe für die­ses Bild ein Ver­mö­gen hin­ge­ge­ben«, sag­te der Händ­ler kühl.

      »Nun denn, jetzt heißt es ster­ben!« rief der jun­ge Mann, der aus sei­ner Ver­sun­ken­heit auf­fuhr; sein letz­ter Ge­dan­ke hat­te ihn über eine Ket­te ihm kaum be­wuß­ter Über­le­gun­gen von ei­ner letz­ten Hoff­nung, an die er sich ge­klam­mert hat­te, zu sei­nem un­se­li­gen Ge­schick zu­rück­ge­führt.

      »Aha! Also hat­te ich doch recht, dir zu miß­trau­en!« stieß der Alte her­vor, pack­te die Hän­de des jun­gen Man­nes und preß­te sie mit ei­ner Hand an den Hand­ge­len­ken zu­sam­men wie mit ei­nem Schraub­stock.

      Der Un­be­kann­te lä­chel­te trau­rig über die­ses Miß­ver­ständ­nis und sag­te sanft: »Fürch­ten Sie nichts, Mon­sieur, es han­delt sich um mein Le­ben, nicht um das Ihre. Wa­rum soll ich eine harm­lo­se List nicht ein­ge­ste­hen?« fuhr er fort, da er die Un­ru­he des Al­ten be­merk­te. »Ich woll­te die Nacht ab­war­ten, um mich, ohne Auf­se­hen, er­trän­ken zu kön­nen, und bin hier­her­ge­kom­men, Ihre Schät­ze zu be­sich­ti­gen. Wer wird ei­nem Mann der Wis­sen­schaft und Poe­sie die­ses letz­te Ver­gnü­gen ver­ar­gen?«

      Der miß­traui­sche Händ­ler durch­forsch­te, wäh­rend er ihm zu­hör­te, mit schar­fen Bli­cken das düs­te­re Ant­litz sei­nes an­geb­li­chen Kun­den. Der schmerz­li­che Klang der Stim­me in­des be­ru­hig­te ihn bald, viel­leicht las er auch in den fah­len Zü­gen das düs­te­re Schick­sal, vor dem vor­her die Spie­ler zu­rück­ge­bebt wa­ren, und er ließ die Hän­de los. Doch streck­te er mit ei­nem Rest von Arg­wohn, der eine min­des­tens hun­dert­jäh­ri­ge Er­fah­rung ver­riet, den Arm nach ei­nem Buf­fet aus, wie um sich auf­zu­stüt­zen, und lang­te nach ei­nem Sti­lett, wo­bei er frag­te: »Sind Sie seit drei Jah­ren Be­am­ten­an­wär­ter beim Schatz­amt und ha­ben kei­ne Son­der­zu­la­ge er­hal­ten?«

      Der Un­be­kann­te konn­te sich nicht ent­hal­ten zu lä­cheln, wäh­rend er mit ei­ner Ge­bär­de ver­nein­te.

      »Hat Ih­nen Ihr Va­ter Ihre Ge­burt zu hef­tig vor­ge­wor­fen? Oder ha­ben Sie Ihre Ehre ein­ge­büßt?«

      »Wenn ich sie ein­bü­ßen woll­te, wür­de ich am Le­ben blei­ben.«

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