Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Die Sperrstunde kam schnell genug heran. Ich kann nicht mehr als eine Stunde auf den Matratzen gelegen sein, als die Fensterladen geschlossen und die Kunden hinausgeleitet wurden. Und dann begann eine Anzahl junger Leute mit anerkennenswerter Schnelligkeit die in Unordnung gebrachten Waren zurechtzulegen. Sowie sich das Warenhaus leerte, verließ ich mein Versteck und stieg vorsichtig in die weniger öden Abteilungen im unteren Stockwerk hinab. Ich war wirklich überrascht, zu sehen, wie schnell die jungen Leute die Waren einräumten, die Stühle auf die Ladentische stellten und sich mit einem Ausdruck von Lebhaftigkeit, wie ich ihn noch selten an Verkäufern gesehen hatte, den Türen zuwandten. Dann kam eine ganze Menge Lehrjungen mit Besen und Staubwedeln, um rein zu machen, und endlich, eine gute Stunde, nachdem das Etablissement geschlossen worden war, hörte ich die Riegel vorschieben. Stille lagerte sich über den Ort, und ich wanderte durch die weiten Magazine, Galerien, Verkaufsräume – einsam und allein.
Mein erster Gang galt dem Ort, an dem man Strümpfe und Handschuhe zum Verkauf ausgeboten hatte. Es war dunkel und ich suchte mühsam nach Zündhölzchen; endlich fand ich welche in einer Schublade des Kassenpultes. Dann musste ich mir eine Kerze suchen. Ich war gezwungen, die Hüllen herunterzureißen und eine Menge Schubladen in Unordnung zu bringen; aber endlich gelang es mir zu finden, was ich suchte. Die Aufschrift auf dem Kasten, aus dem ich sie nahm, lautete: ›Wolljacken und Wollwesten‹. Dann nahm ich Socken, ein dickes Halstuch und aus der Kleiderabteilung Beinkleider, eine lange Jacke, einen Überrock und einen breitrandigen Hut mit abwärts gebogener Krempe. Ich begann mich wieder als Mensch zu fühlen, und mein nächster Gedanke war auf Speise und Trank gerichtet.
Oben war eine Abteilung für Erfrischungen, und dort fand ich kaltes Fleisch. In einer Kanne war noch Kaffee; ich zündete das Gas an und wärmte ihn wieder, und alles in allem ging es mir nicht schlecht. Nachher, als ich den Ort nach Bettüchern durchsuchte – ich musste mich schließlich mit Daunenkissen begnügen – stieß ich auf eine große Menge von Schokolade, verzuckerten Früchten – mehr als gut für mich war – und etwas weißen Burgunder. In der Nähe war ein Spielwarenlager, und ich kam auf einen glänzenden Gedanken. Ich fand dort künstliche Nasen – für Faschingsmaskeraden – und machte mich auf die Suche nach einer dunklen Brille. Aber das Omnium hatte keine optische Abteilung. Meine Nase hatte mir wirklich Sorgen gemacht. Ich hatte ursprünglich an Schminke gedacht. Aber meine Entdeckung ließ mich mehr an Perücken und Masken denken. Endlich legte ich mich, warm und behaglich, in meinen Daunenkissen zur Ruhe.
Meine letzten Gedanken vor dem Einschlummern waren die angenehmsten, die ich seit meiner Verwandlung gehabt hatte. Ich befand mich in einem Zustande physischer Befriedigung, der sich meinem Geiste mitteilte. Ich dachte, dass es mir gelingen würde, am nächsten Morgen in meinen Kleidern unbemerkt zu entschlüpfen, mein Gesicht mit einem Tuch, welches ich zu diesem Zweck genommen hatte, zu bedecken, mit dem zusammengerafften Gelde Augengläser zu kaufen und so meine Verkleidung zu vervollkommnen. Ich verfiel in unzusammenhängende Träume über all die fantastischen Ereignisse der letzten Tage. Ich sah den hässlichen Kerl, meinen Hauswirt, in seinem Zimmer fluchen; ich sah seine beiden Söhne und das faltige Gesicht der Alten, die nach ihrer Katze fragte. Dann stand ich wieder auf dem zugigen Hügel und hörte den alten Geistlichen an meines Vaters offenem Grabe murmeln: ›Erde zur Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.‹
›Auch du‹, sagte eine Stimme, und plötzlich wurde ich gegen das Grab gedrängt. Ich wehrte mich, schrie, rief die Trauergäste um Hilfe an, aber diese folgten mit unerschütterlicher Aufmerksamkeit dem Gottesdienst. Auch der alte Geistliche wich und wankte nicht. Ich entdeckte, dass ich unsichtbar und unhörbar war und überirdische Mächte ihre Hand auf mich gelegt hatten. Umsonst widerstrebte ich, ich wurde über den Rand gedrängt, der Sarg klang hohl, als ich auf ihn fiel, und eine Schaufel Erde nach der anderen wurde mir nachgeworfen. Niemand achtete meiner, niemand gewahrte mich. Ich machte eine verzweifelte Bewegung des Widerstandes und erwachte.
Die bleiche Londoner Dämmerung war angebrochen, das Haus war von einem kalten, grauen Licht erfüllt, das sich durch die Fensterläden hindurchstahl. Ich richtete mich auf und eine Zeit lang konnte ich mich nicht besinnen, wie ich in diesen weiten Raum mit den Zahltischen, den aufgestapelten Waren und den Haufen von Kissen hineingeraten war. Dann, als mein Erinnerungsvermögen zurückkehrte, hörte ich Stimmen im Gespräch.
Weit von mir sah ich in dem helleren Licht einer Abteilung, wo die Vorhänge schon zurückgezogen waren, zwei Männer, die ihre Schritte nach meinem Zufluchtsort lenkten. Ich sprang auf die Füße und blickte mich nach einem Versteck um; schon aber hatte sie das Geräusch meiner Bewegung aufmerksam gemacht. Ich vermute, dass sie nur eine Gestalt sahen, die sich geräuschlos entfernte. ›Wer ist da?‹ rief der eine, und ›Halt!‹ schrie der andere. Ich flog um eine Ecke und kam geradeswegs – eine Gestalt ohne Gesicht, bedenken Sie das! – auf einen schlanken, fünfzehnjährigen Burschen zu. Er schrie gellend auf, ich warf ihn zu Boden, eilte an ihm vorbei, bog um eine andere Ecke und warf mich, einer glücklichen Eingebung folgend, hinter einem Ladentisch flach nieder. Im nächsten Augenblick kamen eilige Schritte an mir vorbei und ich hörte Stimmen rufen: ›Alle zu den Türen!‹
Während ich am Boden lag, verließ mich die Überlegung vollständig. So seltsam es scheinen mag, in jenem Augenblick fiel mir nicht ein, meine Kleider auszuziehen, was das klügste gewesen wäre. Wahrscheinlich hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, in denselben СКАЧАТЬ