Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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›Hierher, Schutzmann!‹ hörte ich jemand rufen. Ich fand mich wieder in meinem Bettwarenlager, an das sich eine unendliche Flucht von Abteilungen mit Kleidern anschloss. In diese stürzte ich hinein, wurde mein letztes Kleidungsstück nach verzweifeltem Zerren endlich los und stand wieder als ein freier Mann, aber keuchend und erschöpft, vor dem Schutzmann und den drei Verkäufern, welche eben um die Ecke bogen. Sie stürzten sich auf meine Jacke und packten meine Beinkleider. ›Er wirft seinen Raub weg‹, sagte einer der jungen Leute. ›Er muss irgendwo hier sein!‹
Aber sie fanden mich doch nicht.
Ich beobachtete die Jagd noch einige Zeit und verfluchte mein Missgeschick, durch welches ich die Kleider wieder verloren hatte. Dann ging ich in den Büfettraum, trank dort ein wenig Milch, setzte mich ans Feuer und überdachte meine Lage.
Ein kleines Weilchen später kamen zwei Leute herein und begannen die Ereignisse sehr aufgeregt zu besprechen. Ich hörte eine übertriebene Aufzählung aller meiner Missetaten und alle möglichen Vermutungen über meine Person. Dann fing ich wieder an, Pläne zu schmieden. Jetzt, da das Haus alarmiert war, wäre es unendlich schwierig gewesen, irgendetwas daraus zu entwenden. Ich ging in den Packraum hinab, um zu sehen, ob es möglich wäre, ein Paket zu packen und an mich zu adressieren, aber ich verstand die Art des Versandes nicht. Gegen elf Uhr begann es zu tauen, und da das Wetter schöner und etwas wärmer als am vorhergehenden Tage war, gab ich das Warenhaus als hoffnungslos auf und ging wieder auf die Straße hinaus, verzweifelt über meinen Misserfolg und ganz und gar im Ungewissen, was ich nun beginnen sollte.«
23. Kapitel – In Drury Lane
Sie werden jetzt«, fuhr der Unsichtbare fort, »alle Nachteile meiner Lage begreifen. Ich hatte kein Obdach, kein Gewand – und Kleider anlegen, hieß so viel, als mich aller meiner Vorteile zu begeben, und etwas Seltsames und Fürchterliches aus mir zu machen.«
»Daran hatte ich gar nicht gedacht«, sagte Kemp.
»Auch ich nicht. Und der Schnee hatte mir auch andere Gefahren gezeigt. Ich konnte im Schnee nicht umhergehen; er hätte sich auf mir festgesetzt und mich verraten. Auch der Regen hätte mich als den wäßrigen Umriss eines Menschen – eine Art Seifenblase – sichtbar gemacht. Überdies sammelte sich – wenn ich in London umherging – Schmutz an meinen Knöcheln, Staub auf meiner Haut. Ich wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis ich auch infolge dieses Umstandes sichtbar werden würde. Aber ich wusste recht wohl, dass es nicht gar zu lange währen könnte.«
»Keinesfalls lange in London.«
»Ich ging durch verschiedene Hintergässchen gegen die Great Portland Street zu und war bald am Ende der Straße, in der ich gewohnt hatte, angelangt. Dort machte ich halt, weil noch immer eine große Menschenmenge die rauchenden Trümmer des Hauses umstand, welches ich in Brand gesteckt hatte. Meine vornehmlichste Sorge war, mir Kleider zu verschaffen. Ich sah in einem der kleinen Trödlergeschäfte, wo Zeitungen, Süßigkeiten, Spielzeug, Papierwaren, Christschmuck usw. feilgeboten werden, eine Reihe von Masken und falschen Nasen und kam wieder auf den Gedanken zurück, den die Spielwaren im Basar in mir hervorgerufen hatten. Nicht länger ziel- und planlos, wendete ich mich um und lenkte meine Schritte, die belebten Straßen vorsichtig vermeidend, nach den Hintergässchen am Strand; denn ich erinnerte mich dunkel, in jener Gegend verschiedene Verkaufsläden mit Theaterkostümen gesehen zu haben.
Es war ein kalter Tag und ein scharfer Nordwind fegte durch die Straßen. Ich ging schnell, um von niemand überholt zu werden. Jede Kreuzung brachte Gefahr, jeder Passant musste aufmerksam beobachtet werden. Überdies hatte ich mich von neuem erkältet und lebte in fortwährender Angst, dass mein Niesen die Aufmerksamkeit auf sich lenken könnte.
Endlich erreichte ich das Ziel meines Suchens, einen schmutzigen, kleinen Laden in einer Seitengasse von Drury Lane, mit einem Schaufenster voll Theaterflitter, falscher Juwelen, Perücken, Schuhe und Dominos. Der Laden war altmodisch, dunkel und niedrig und lag in einem unfreundlichen, dunkeln, vierstöckigen Hause. Ich spähte durch das Fenster, sah niemand drinnen und trat ein. Das Öffnen der Tür setzte eine lärmende Glocke in Bewegung. Ich ließ die Tür offen und ging um eine leere Kleiderpuppe herum hinter einen hohen Stehspiegel in eine Ecke des Ladens. Eine Minute lang zeigte sich nichts. Dann hörte ich schwere Tritte durch ein Zimmer gehen und ein Mann erschien im Laden.
Ich hatte jetzt alles genau überlegt. Meine Absicht war, mich ins Haus einzuschleichen, und wenn alles ruhig sein würde, mir eine Perücke, Maske, Brille und einen Anzug zu suchen und mich der Welt in einer vielleicht komischen, aber immerhin annehmbaren Gestalt zu zeigen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich natürlich auch alles Geld, das ich fand, an mich nehmen.
Der Mann, der den Laden betreten hatte, war klein und bucklig, hatte buschige Augenbrauen, lange Arme und sehr kurze, krumme Beine. Augenscheinlich hatte ich ihn bei seinem Mahl gestört. Er blickte mit dem Ausdruck der Erwartung im Laden umher. Dieser gab einem Ausdruck der Überraschung und endlich des Zornes Raum, als er den Laden leer sah. ›Verdammte Buben!‹ sagte er. Er ging zur Tür und blickte die Straße hinauf und hinunter. Bald darauf kam er zurück, stieß die Ladentür zornig mit dem Fuß zu und ging fluchend zu der Tür, die in das Innere des Hauses führte.
Ich trat vor, um ihm zu folgen. Bei dem Geräusch meiner Bewegungen hielt er plötzlich inne. Auch ich blieb, von seinem feinen Gehör überrascht, stehen. Dann schlug er mir die Tür vor der Nase zu.
Ich zögerte. Plötzlich СКАЧАТЬ