Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Er machte draußen großen Lärm, um den ich mich aber nicht kümmerte, und nach einiger Zeit ging er fort.
Aber das führte in meinen Angelegenheiten zur Krisis. Ich wusste nicht, was er tun würde, nicht einmal, was er zu tun das recht hatte. In eine neue Wohnung zu ziehen, hätte einen Aufschub bedeutet, auch fehlten mir die Mittel dazu, denn insgesamt besaß ich nur noch zwanzig Pfund, die auf einer Bank lagen. Also verschwinden! Der Gedanke war unwiderstehlich. Dann würde man nachforschen, mein Zimmer durchsuchen …
Bei dem Gedanken an die Möglichkeit, dass mein Werk auf seinem Höhepunkt vereitelt oder unterbrochen werden könnte, wurde ich zornig und gewann meine ganze Tatkraft wieder. Ich eilte mit meinen drei Tagebüchern und meinem Scheckbuch – der Landstreicher hat sie jetzt – hinaus und adressierte sie an ein Postamt in Great Portland Street. Dann ging ich nach Hause, suchte geräuschlos mein Zimmer zu gewinnen und ging an die Arbeit.
An jenem Abend und in der darauffolgenden Nacht wurde es vollbracht. Während ich noch unter dem Einfluss der übelerregenden, betäubenden Mittel, die mein Blut entfärben sollten, stand, ertönte wiederholtes Pochen an der Tür. Es verstummte, Fußtritte näherten und entfernten sich wieder, dann pochte es von neuem. Jemand versuchte, unter der Tür etwas ins Zimmer zu schieben – ein blaues Papier. In einem Anfall von Wut erhob ich mich und riss die Tür weit auf. ›Was gibt es?‹ fragte ich.
Es war der Hausbesitzer mit einem amtlichen Kündigungsbogen oder etwas dergleichen. Er reichte ihn mir, sah, wie ich vermute, etwas Auffallendes an meinen Händen und erhob die Augen zu meinem Gesicht.
Einen Augenblick blieb er atemlos stehen. Dann stieß er einen unartikulierten Schrei aus, ließ Licht und Schrift fallen und taumelte durch den dunkeln Gang gegen die Treppe zu.
Ich schloss die Tür, verriegelte sie und ging zum Spiegel. Jetzt begriff ich sein Entsetzen … Mein Gesicht war weiß – weiß, wie aus Stein gehauen. Aber es war entsetzlich. Auf solche Leiden hatte ich mich nicht gefasst gemacht. Eine Nacht unsäglicher Schmerzen, begleitet von Übelkeiten und Ohnmachtsanfällen. Ich presste die Zähne zusammen; obwohl meine Haut, mein ganzer Körper brannte, lag ich da wie der starre Tod. Jetzt verstand ich, warum die Katze gejammert hatte, bevor ich sie chloroformierte. Es war ein Glück, dass ich allein war und ohne Diener wohnte. Es gab Augenblicke, wo ich schluchzte und stöhnte und mit mir selbst sprach. Aber ich gab nicht nach … Ich verlor das Bewusstsein und erwachte in der Finsternis, matt und erschöpft. Der Schmerz war vorüber. Ich dachte, ich hätte mich getötet, und es lag mir nichts daran. Nie werde ich jene Dämmerstunde vergessen und welches Entsetzen ich fühlte, als ich sah, dass meine Hände wie Milchglas geworden waren und immer dünner und durchsichtiger wurden, bis ich endlich durch sie hindurch die wüste Unordnung in meinem Zimmer sehen konnte, obwohl ich meine durchsichtigen Augenlider schloss. Meine Glieder wurden glasartig, die Knochen und Arterien verschwanden langsam und zum Schluss endlich auch die kleinen, weißen Nervenstränge. Ich knirschte mit den Zähnen und hielt bis zum Ende aus … Endlich blieben nur die Spitzen der Fingernägel und der braune Fleck von irgendeiner Säure auf meinen Fingern sichtbar.
Ich richtete mich mühsam auf. Erst war ich zum Gehen so unfähig wie ein Wickelkind – ich ging auf Beinen, die ich nicht sah. Ich fühlte mich schwach und sehr hungrig. Als ich zum Spiegel trat, erblickte ich nichts – nichts, bis auf ein dünnes Stückchen Netzhaut, das noch wie ein ganz feiner Nebel sichtbar war. Ich musste mich auf den Tisch stützen und den Kopf an das Glas pressen.
Nur mit Aufgebot meiner ganzen Willenskraft schleppte ich mich zum Apparat zurück und vollendete den Prozess.
Ich schlief den Vormittag durch, nachdem ich mir ein Tuch über die Augen gelegt hatte, um das Licht auszuschließen. Gegen Mittag wurde ich durch ein Klopfen geweckt. Meine Kraft war zurückgekehrt. Ich setzte mich auf, horchte und vernahm ein Flüstern. Da sprang ich auf und begann so geräuschlos als möglich meinen Apparat zu zerlegen und die einzelnen Teile im Zimmer zu zerstreuen, um die Möglichkeit seiner Rekonstruktion noch zu verringern. Bald darauf erneuerte sich das Klopfen, und Stimmen ertönten, erst diejenige meines Hauswirtes und dann zwei andere. Um Zeit zu gewinnen, beantwortete ich das Rufen. Das unsichtbare Kissen und der Wollstoff fielen mir in die Hand; ich öffnete das Fenster und warf sie hinaus. In diesem Augenblick wurde ein heftiger Schlag gegen die Tür geführt. Jemand musste sich darauf geworfen haben, in der Absicht, sie einzurennen. Aber die starken Riegel, mit welchen ich die Tür vor einigen Tagen versehen hatte, widerstanden dem Ansturm. Das versetzte mich in Aufregung – in Wut. Ein Zittern überfiel mich und ich fuhr mit meinen weiteren Zurüstungen eilends fort.
Ich häufte lose Papierblätter, Stroh, Packpapier und andere entzündliche Sachen in der Mitte des Zimmers zusammen und drehte den Gashahn auf. Schwere Schläge fielen auf die Tür nieder. Ich konnte die Zündhölzchen nicht finden und stieß vor Wut mit den Fäusten gegen die Wände. Dann drehte ich das Gas wieder ab, stieg aus dem Fenster auf den Deckel des Regenwasserbehälters und setzte mich, heil und unsichtbar, aber vor Erregung zitternd, nieder, um die weiteren Ereignisse abzuwarten. Ich sah, wie sie die Türfüllung einschlugen, im nächsten Augenblick die Riegel zurückschoben und nun auf der Schwelle standen. Es waren der Hauswirt und seine beiden Stiefsöhne, kräftige junge Männer von drei- oder vierundzwanzig Jahren. Hinter ihnen bewegte sich das alte Frauenzimmer vom unteren Stockwerk unruhig hin und her.
Denken Sie sich das Erstaunen, als sie das Zimmer leer fanden. Einer der jungen Leute stürzte sofort ans Fenster, riss es auf und starrte hinaus. Er war kaum einen Fuß von mir entfernt und ich war versucht, ihm einen Schlag in sein dummes Gesicht zu versetzen, aber ich hielt meine geballte Faust zurück.
Er blickte gerade durch mich hindurch. So auch die anderen, welche sich zu ihm gesellten. Der Alte spähte unter das Bett, und dann stürzten sich alle auf den Speiseschrank. Sie vermuteten schließlich, dass ich ihnen СКАЧАТЬ