Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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»Kemp«, sagte er, »ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen – kaum eine Stunde hie und da genickt. Ich muss schlafen, und das bald.«
»Gut, Sie können mein Zimmer haben – dieses Zimmer.«
»Aber wie kann ich schlafen? Wenn ich schlafe, entwischt er mir. Bah! Was liegt daran?«
»Was ist es mit Ihrer Schusswunde?«, fragte Kemp.
»Nichts. Eine blutige Schramme. O Gott! Wie ich mich nach Schlaf sehne!«
»Warum legen Sie sich nicht nieder?«
Der Unsichtbare schien Kemp zu beobachten. »Weil ich einen besonderen Widerwillen dagegen habe, mich von meinen Mitmenschen fangen zu lassen«, sagte er langsam.
Kemp fuhr in die Höhe.
»Narr, der ich bin!«, sagte der Unsichtbare, mit der Faust auf den Tisch schlagend. »Jetzt habe ich Sie selber auf den Gedanken gebracht.«
18. Kapitel – Der Unsichtbare schläft
So krank und erschöpft der Unsichtbare auch war, genügte ihm dennoch Kemps Wort nicht, dass seine Freiheit gewahrt bleiben sollte. Er untersuchte die beiden Fenster des Schlafzimmers und öffnete die Läden, um sich davon zu überzeugen, dass ein Rückzug auf diesem Wege, wie Kemp behauptete, möglich sei. Die Nacht war ruhig und still, und der neue Mond stand hoch über der Düne. Dann untersuchte er die Schlösser der Schlafzimmertüren und vergewisserte sich, dass auch diese ihm und seiner Freiheit Schutz boten. Endlich erklärte er sich befriedigt. Er stand am Kamin, und Kemp hörte ihn gähnen.
»Es tut mir leid«, sagte der Unsichtbare, »dass ich Ihnen heute nicht alles erzählen kann, was ich getan habe. Aber ich bin erschöpft. Es ist fantastisch, gewiss. Es ist sogar entsetzlich! Aber glauben Sie mir, Kemp, trotz Ihrer Beweisführung von heute Morgen ist es möglich. Ich habe eine Entdeckung gemacht. Ich wollte sie für mich behalten. Es geht aber nicht. Ich muss einen Helfer haben. Und Sie – wir werden Dinge ausführen –. Aber morgen. Jetzt, Kemp, habe ich das Gefühl, als ob ich schlafen müsse – – oder sterben.«
Kemp stand in der Mitte des Zimmers und starrte auf das kopflose Gewand. »Ich muss Sie wohl verlassen«, sagte er. »Es ist – unglaublich. Noch ein solches Erlebnis, das meine Berechnungen so über den Haufen wirft – und ich würde verrückt werden. Aber es ist Wirklichkeit! Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Nur mir ›Gute Nacht!‹ sagen«, erwiderte Griffin. »Gute Nacht!«, sagte Kemp und schüttelte eine unsichtbare Hand. Dann ging er seitwärts zur Tür.
Plötzlich folgte ihm der Schlafrock hastig. »Verstehen Sie mich wohl«, sagte der Schlafrock, »machen Sie keinen Versuch, mich zu belästigen oder zu fangen – sonst –«
Kemp wechselte ein wenig die Farbe. »Ich denke, Sie haben mein Wort!«, sagte er.
Er schloss die Tür leise hinter sich und sofort wurde der Schlüssel hinter ihm umgedreht. Während er dann noch mit dem Ausdruck dumpfer Verblüffung stehenblieb, hörte er, wie sich rasche Schritte der Tür zum Ankleidezimmer näherten, und wie auch diese verschlossen wurde. Er strich sich mit der Hand über die Brauen. »Träume ich? Ist die Welt verrückt geworden, oder bin ich es?«
Er lachte und legte die Hand an die verriegelte Tür. »Durch eine lächerliche Sinnestäuschung aus meinem eigenen Schlafzimmer vertrieben!«, murmelte er.
Er ging zur Treppe, wandte sich um und starrte auf die verschlossene Tür. »Es ist Tatsache«, sprach er zu sich. Dann legte er die Hand an seinen leicht verletzten Nacken. »Unleugbare Tatsache!«
Er schüttelte hoffnungslos den Kopf, wendete sich um und ging hinunter.
Im Speisezimmer zündete er die Lampe an, nahm eine Zigarre und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Von Zeit zu Zeit sprach er mit sich selbst.
»Unsichtbar!«, sagte er.
»Gibt es ein unsichtbares Tier? … Im Meer – gewiss. Tausende – Millionen. Alle Larvae, alle die kleinen Nauplii und Tornarias, alle die mikroskopischen Dinge. Im Meere gibt es mehr unsichtbare als sichtbare Dinge. Ich habe früher niemals daran gedacht … Und auch in den Teichen! All die kleinen Infusorien, die darin leben – farblose, durchsichtige Gallerte! … Aber in der Luft! Nein!
Es kann nicht sein.
Aber schließlich – warum nicht?
Wenn ein Mensch aus Glas wäre, bliebe er doch noch sichtbar.«
Er dachte angestrengt nach. Drei Zigarren hatten sich als weiße Asche auf den Teppich gelagert, bevor er wieder sprach. Und dann war es nur ein Ausruf. Er wandte sich ab, schritt aus dem Zimmer und ging in sein kleines Sprechzimmer, wo er das Gas anzündete. Es war ein kleiner Raum, denn Dr. Kemp lebte nicht von seiner Praxis, und die Tageszeitungen waren dort aufbewahrt. Das Morgenblatt war nachlässig geöffnet und beiseite geworfen worden. Er hob es auf, blätterte um und las den Bericht über die »seltsamen Ereignisse in Iping«, welche der Matrose in Port Stowe Marvel so mühsam vorbuchstabiert hatte. Kemp überflog rasch den Artikel.
»Vermummt!«, sagte er. »Maskiert!« »Er verbarg es!« »Niemand scheint eine Ahnung von seinem Unglück gehabt zu haben!« »Was zum Teufel hat er eigentlich vor?«
Er ließ die Zeitung sinken und sein Auge schweifte suchend umher. »Ah!«, sagte er und nahm die »St. James-Gazette« auf, die noch zusammengefaltet dalag, wie man sie am Abend gebracht hatte. »Jetzt werden wir die Wahrheit erfahren.« Er riss das Blatt auf. Ein paar Spalten fielen ihm in die Augen. »Ein ganzes Dorf in Sussex verrückt geworden!«, war die Aufschrift.
»Großer Gott!«, sagte Kemp, eifrig einen unglaublichen Bericht über die Ereignisse des denkwürdigen Nachmittags in Iping, wie sie schon geschildert wurden, durchfliegend. Auf der zweiten Seite war der Bericht aus dem Morgenblatte abgedruckt.
Er las ihn zum zweiten Mal. »Lief um sich stoßend und schlagend durch die Straßen. Jaffers besinnungslos. Mr. Huxter – heftige Schmerzen – noch unfähig zu beschreiben, was er sah. Peinliche Beschämung – der Pfarrer. Eine Frau vor Schreck krank. Eingeschlagene СКАЧАТЬ