Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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»Hallo!«, sagte Kemp. »Das ist seltsam. Aber ich sehe doch noch nicht ganz – ich begreife, dass Sie auf diese Weise einen wertvollen Stein verderben können – aber von da bis zur eigenen Unsichtbarkeit ist noch ein weiter Weg.«
»Ganz richtig«, sagte Griffin. »Aber bedenken Sie, dass die Sichtbarkeit von dem Verhalten der sichtbaren Körper zum Licht abhängt. Lassen Sie mich Ihnen die Elementargrundsätze vortragen; als ob Sie dieselben nicht kennen würden. Es wird meine Ansicht klarer machen. Sie wissen sehr wohl, dass ein Körper das Licht entweder absorbiert oder reflektiert oder bricht, oder auch alles dieses zugleich tut. Wenn er das Licht weder reflektiert noch bricht noch absorbiert, kann er nicht durch sich selbst sichtbar sein. Sie sehen zum Beispiel eine undurchsichtige, rote Schachtel, weil die Farbe einen bestimmten Teil des Lichts absorbiert und den Rest, das ganze Rot des Lichts, reflektiert. Wenn sie gar keinen Teil des Lichts absorbieren, sondern das Ganze reflektieren würde, wäre es ein leuchtender, weißer Gegenstand. Silber! Eine Schachtel aus Diamant würde weder viel Licht absorbieren, noch von der Oberfläche reflektieren; nur hie und da würde das Licht, wo es gerade auf günstig geneigte Flächen auffällt, reflektiert und gebrochen werden, sodass man den Eindruck von blendenden Rückstrahlungen und unermesslichen Tiefen erhielte. Eine Art Lichtskelett. Eine Schachtel aus Glas wäre nicht so glänzend, nicht so deutlich sichtbar wie eine Diamantschachtel, weil die Reflexion und Brechung geringer wären. Ist Ihnen das klar? Von gewissen Punkten aus könnte man ganz ungehindert durchsehen. Einige Glasarten wären deutlicher sichtbar als andere – eine Schachtel aus Flintglas würde heller glänzen als eine aus gewöhnlichem Fensterglas. Eine Schachtel aus sehr dünnem, gewöhnlichem Glas wäre bei schlechter Beleuchtung kaum sichtbar, weil sie das Licht fast gar nicht mehr absorbieren und nur sehr wenig brechen oder reflektieren würde. Und wenn man eine gewöhnliche, weiße Glasscheibe in Wasser oder, noch besser, in irgendeine dichte Flüssigkeit taucht, so verschwindet sie fast ganz, weil das Licht, welches durch das Wasser auf das Glas fällt, nur schwach reflektiert oder gebrochen und auch sonst in keiner Weise affiziert wird. Die Scheibe ist fast so unsichtbar wie Kohlenstoff oder Hydrogen in der Luft. Und zwar aus ganz demselben Grunde!«
»Ja«, sagte Kemp, »das ist klar. Heutzutage weiß das jeder Schuljunge.«
»Und noch eine andere Tatsache muss jeder Schuljunge kennen. Wenn eine Glasscheibe zerbrochen und zu Pulver zerrieben wird, wird sie viel leichter sichtbar; schließlich wird ein undurchsichtiges, weißes Pulver daraus. Dies entsteht durch die Pulverisierung, wodurch die Glasflächen, auf welchen das Licht gebrochen oder reflektiert wird, vervielfältigt werden. Die Glasscheibe hat nur zwei Flächen, bei dem Pulver wird das Licht von jedem Glaskörnchen reflektiert oder gebrochen, und nur ein sehr kleiner Teil dringt widerstandslos durch das Pulver durch. Wenn aber das weiße, pulverisierte Glas in Wasser getaucht wird, verschwindet es sofort. Das pulverisierte Glas und das Wasser haben so ziemlich denselben Brechungswinkel, das heißt das Licht erleidet eine sehr kleine Brechung oder Reflexion, wenn es von dem einen zu dem anderen übergeht.
Man macht das Glas unsichtbar, indem man es in eine Flüssigkeit taucht, die ziemlich den gleichen Brechungswinkel hat. Also: etwas Durchsichtiges wird undurchsichtig, indem man es in ein Medium von demselben Brechungswinkel bringt. Und wenn Sie nur eine Sekunde darüber nachdenken wollen, so werden Sie einsehen, dass der Glasstaub in der Luft unsichtbar gemacht werden könnte, wenn man imstande wäre, seinen Brechungswinkel demjenigen der Luft gleich zu machen.«
»Ja, ja«, versetzte Kemp. »Aber der Mensch ist doch kein pulverisiertes Glas.«
»Nein«, erwiderte Griffin. »Er ist durchsichtiger!«
»Unsinn!«
»Und das sagt ein Mediziner! Wie leicht man vergisst! Haben Sie in diesen zehn Jahren alle Ihre Kenntnisse aus der Physik vergessen? Denken Sie nur an all die Dinge, welche durchsichtig sind und nicht so erscheinen! Papier, zum Beispiel, besteht aus transparenten Fasern und ist nur aus demselben Grunde weiß und undurchsichtig, wie der Glasstaub weiß und undurchsichtig ist. Durchtränken Sie weißes Papier mit Öl, füllen Sie die Zwischenräume zwischen den einzelnen Teilchen mit Öl aus, sodass außer auf der Oberfläche keine Brechung oder Reflexion mehr besteht, und es wird durchsichtig wie Glas. Und nicht allein Papier, auch Leinenfasern, Wollfasern, Holzfasern und Knochen, Kemp; Fleisch, Haar, Nägel und Nerven, Kemp; kurz, alle Teile des menschlichen Körpers bis auf das Rot im Blute und den dunkeln Farbstoff des Haares, bestehen aus einem durchsichtigen, farblosen Gewebe – so wenig genügt, uns einander sichtbar zu machen. Das Faserngewebe eines lebendigen Wesens ist zum größten Teile ebenso durchsichtig als Wasser.«
»Natürlich, selbstredend!«, rief Kemp. »Ich selbst dachte noch vergangene Nacht an die Larvae im Meere und die Gallertfische!«
»Jetzt sind Sie auf dem Punkte, wo ich Sie haben wollte! Und all dies wusste ich und trug es mit mir herum, ein Jahr, nachdem ich London verlassen hatte – jetzt vor sechs Jahren. Aber ich behielt es für mich. Ich hatte mit fürchterlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Hobbenne, mein Professor, war ein wissenschaftlicher Räuber, ein Ideendieb, ein Mensch, der Ideen stahl und unaufhörlich herumspionierte! Und Sie kennen die gewissen Schleichwege in der gelehrten Welt. Ich wollte einfach nichts veröffentlichen, weil ich ihm an meinem Erfolge keinen Anteil gönnte. Ich arbeitete rastlos weiter. Immer näher kam ich meinem Ziele, meine Theorie durch ein Experiment zu erproben – in Wirklichkeit zu verwandeln. Ich sprach zu keiner lebenden Seele davon, weil ich die Absicht hatte, mein Werk wie einen Blitz in die Welt zu schleudern und mit einem Schlage berühmt zu werden. Um verschiedene Lücken auszufüllen, wandte ich mich der Lehre von den Pigmenten zu und plötzlich – nicht nach langem Forschen, sondern rein zufällig – machte ich eine Entdeckung.«
»Ja?«
»Sie kennen den roten Farbstoff im Blute – er kann weiß – farblos – gemacht werden und doch alle seine jetzigen Funktionen beibehalten!«
Kemp stieß einen Ruf ungläubigen Erstaunens aus.
Der Unsichtbare erhob sich und schritt im Zimmer auf und ab. »Sie sind mit Recht СКАЧАТЬ