Zieht euch warm an, es wird heiß!. Sven Plöger
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СКАЧАТЬ Sorge, das tun wir auch nicht im Mindesten. Leider. Summiert man unsere Emissionen von Kohlendioxid seit 1750 auf, so liegt Deutschland auf Platz 4 von 194 Ländern, und wir sind zudem das Land, das auf Platz 6 bei den aktuellen Emissionen liegt. Ein maßgeblicher Grund für diese hohen Werte ist natürlich die Nutzung der Braunkohle. Kurzum: Wir haben es sehr wohl nötig, uns zu ändern – ohne auf die anderen zu zeigen!

      Was wir nicht mit eigenen Augen sehen können, fällt für uns – und das war evolutionär sinnvoll – erst mal kaum ins Gewicht. Beim Klimaschutz erhält dieses »mit den eigenen Augen sehen« eine fast tragische Rolle. Kohlendioxid ist völlig unsichtbar und geruchlos. Stellen Sie sich mal kurz vor, dieses Gas wäre schwarzer Qualm und wir sähen nie mehr die Sonne! Unsere beliebten Urlaubsziele im Mittelmeer oder ferne Traumstrände lägen ständig in bleigrau-dämmrigem Zwielicht. Oder stellen Sie sich vor, das Kohlendioxid hätte den gleichen Geruch wie die Stinkbomben, die wir zu Schulzeiten gerne im Lehrerzimmer hochgehen ließen! Wir müssten mit klobigen Gasmasken herumlaufen, um den widerlichen Gestank auszuhalten. Dann würden wir unser Problem dauerhaft spüren und nicht nur – wie bei Extremwetter – mal hier, mal da und mit längeren Unterbrechungen. Das Thema stünde auf allen politischen Agenden auf Platz 1 und man würde schleunigst nach Lösungen suchen. Und sie auch sofort finden – denn die Nachteile wären so offensichtlich, sie würden die individuellen Vorteile im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten stellen.

      Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass CO2 natürlich ein für unser Leben sehr wichtiges Gas ist. Ohne es könnten Pflanzen – und das schließt die so wichtigen Algen ein – keine Photosynthese, die Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser in Glucose (Traubenzucker), betreiben. Als »Abfall« entsteht, nicht ganz unwichtig, Sauerstoff. Also: Kohlendioxid ist weder ein »böses Gas« noch ein »Klimakiller«, sondern einerseits wichtig und andererseits ein Treibhausgas. Es hat Vor- und Nachteile. Die Dosis macht’s und darum ist ein vernünftiges Gleichgewicht sinnvoll. Wenn wir in Rekordzeit immer mehr CO2 in die Atmosphäre drücken, wird es eben wärmer und die Wetterabläufe ändern sich. So einfach ist das.

      Die Unsichtbarkeit spielt auch beim Klimaschutz eine Rolle. Wohnt jemand, der sich stets klimafreundlich verhält, Tür an Tür mit jemandem, den man mit Fug und Recht als Umweltsau bezeichnen würde, so sehen beide die exakt gleiche Welt: Der Erfolg des eigenen Handelns bleibt unsichtbar – so unsichtbar wie das CO2 selbst. Die Erfolge von sinnvollem Klimaverhalten, wenn wir denn kollektiv erfolgreich agieren, sehen wir leider erst mit großer Verzögerung, ebenso wie wir erst jetzt die Folgen unserer früheren Klimaschädigung sehen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Erreichen der Klimaziele kein konkretes »Ergebnis« hat, sondern lediglich Schlimmeres abwendet. Das hat eine gänzlich verdrehte Motivationsstruktur zur Folge, vergleichbar mit dem alltäglichen Verhalten vieler Leute, Reparaturen oder Behandlungen nie aufzuschieben, während Vorsorgemaßnahmen gerne schleifen gelassen werden: Der Aufwand hat keinen greifbaren, sondern nur hypothetischen Gegenwert.

      Bilder von der Erdatmosphäre, etwa einen Sonnenaufgang aus der Internationalen Raumstation ISS, zeigen, wie hauchdünn und zart die Lufthülle ist, die unsere Erde umspannt. Gleichzeitig ist sie aber auch äußerst gewichtig: Es lasten nicht weniger als 5 Billiarden Tonnen Luft auf unserer Erdoberfläche, die wir als Luftdruck messen. Diese riesige Masse kaschiert unsere »kleinen Sünden« sehr lange: Statt die Atmosphäre respektvoll sauber zu halten, stopfen wir sie mit unseren Abgasen voll – zunächst merkt man ja nichts davon, und alle anderen tun das doch auch. Es dauert eben eine ganze Weile, bis 5 Billiarden Tonnen aufgeheizt sind, und die Reaktion der Atmosphäre auf unser Verhalten ist extrem träge. Sie kennen das von Ihrer Heizung: Drehen Sie den Thermostat drei Stufen höher, ist das Zimmer ja nicht schlagartig wärmer, sondern es wird dauerhaft mehr Energie zugeführt. Die Temperatur steigt, bis ein neues Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Wärmeverlust herrscht. Drehen Sie den Thermostat irgendwann zurück, so führen Sie weniger Energie zu und die Temperaturen sinken wieder.

      Genauso, nur viel langsamer, laufen die Prozesse in der Atmosphäre ab. Daher können wir mit Aussagen wie »in den letzten 100 Jahren ist es global um rund ein Grad wärmer geworden« auch kaum etwas anfangen oder zumindest nichts Besorgniserregendes daran erkennen – anders als bei Unwettern, die den Klimawandel heute »spürbar« machen. Wir brauchen also einen griffigen Vergleich, um Änderungen der Mitteltemperaturen erfassen und einordnen zu können: Seit dem Ende der letzten Kaltzeit vor rund 11 000 Jahren ist die globale Mitteltemperatur um gerade einmal 4 Grad angestiegen. Aber eine 4 Grad kältere Welt ist eine völlig andere als die heutige. Damals waren sämtliche Alpentäler mit Eis aufgefüllt, der Norden Europas lag unter einer Eisdecke von 2 bis 3 Kilometer Dicke. Der Nordosten Deutschlands ruhte unter einem bis zu 500 Meter dicken Eispanzer. Knapp ein Drittel des heute flüssigen Wassers war zu Eis erstarrt und der Meeresspiegel lag 120 Meter tiefer. Also noch einmal: Eine 4 Grad kältere Welt hat mit der heutigen schlicht nichts zu tun. Vor diesem Hintergrund versteht man, dass eine 4 Grad wärmere Welt ebenso eine ganz andere sein würde, mit der heutigen nicht zu vergleichen. Nur, dass wir Menschen die Prozesse erheblich beschleunigen. Folgt man Szenarien der Klimaforschung, bei denen wir wenig bis nichts zum Klimaschutz leisten, steigen die globalen Temperaturen bereits bis zum Ende dieses Jahrhunderts um weitere 4 Grad. Heißt: Die Natur braucht 11 000 und wir 100 Jahre. Linear überschlagen passiert alles 110-mal schneller, als es durch natürliche Ursachen erfolgen würde.

      Das ist der entscheidende Unterschied! Das macht diesen Klimawandel für uns Menschen, aber auch für Fauna und Flora weitaus belastender als alle vorangegangenen. Das Leben muss sich den Veränderungen anpassen, kann mit dieser Geschwindigkeit aber oft nicht Schritt halten. Das führt zum Aussterben vieler Arten. Für unseren Planeten ist das freilich alles völlig unkompliziert – ihm ist es egal, ob er Leben beheimatet oder nicht.

      Nun stellen Sie sich doch mal vor, durch den menschlichen Klimaeinfluss drohte anstatt einer Hitzeperiode eine neue Eiszeit. Es würde von Jahr zu Jahr kälter mit immer längeren Wintern, Gletschervorstößen und nur noch sehr durchwachsenen, kurzen Som­merperioden. Ich wage zu vermuten, dass wir aus Angst vor einer solchen Entwicklung hin zu einem Klimapessimum viel aktiver gegen den Klimawandel vorgehen würden. Eine Erwärmung verbinden wir klimahistorisch und intuitiv hingegen mit einem Optimum und sind weniger besorgt. Mancher freut sich auch auf eine wärmere Umwelt, schließlich kommt uns unser gewünschtes warmes Urlaubsklima dadurch sogar näher. Wie schön. Leider werden bei diesem Gedankengang Dürren, Noternten, Hitzewellen, Starkregen, Hagel, Überschwemmungen und ihre Häufung meist ausgeblendet.

      Das Klimasystem ist also ein sehr »träger Tanker«, der unglaublich verzögert auf unseren Energieeintrag reagiert. Obwohl wir schon seit Jahrzehnten höchst unvernünftig mit unserer Atmosphäre umgehen, spüren wir erst jetzt an der sich beschleunigenden Erwärmung und den Unwettern, dass sich dieses riesige System gerade in einen anderen Gleichgewichtszustand bewegt. Diesen Übergang nennen wir Klimawandel. Das Tragische ist, dass unser Zeitgefühl und die Zeitskala, auf welcher der Klimawandel stattfindet, völlig verschieden sind. Auch wenn uns all das wie ein schleichender Prozess erscheint, verlief doch noch nie ein globaler Klimawandel so schnell wie dieser. Für uns wirkt er trotzdem wie ein Asteroideneinschlag in extremer Zeitlupe. Ein riesiger Himmelskörper hängt quasi direkt vor unserer Nase, aber bewegt sich für unser Zeitempfinden so langsam, dass wir ihn nicht wahrnehmen. Stellen Sie sich vor, man wüsste, dass ein solcher Erdbrocken in wenigen Tagen mit tödlichen Folgen auf unserer Erde einschlagen würde. Was wäre die Konsequenz? Wir alle würden schlagartig alles stehen und liegen lassen, alle weltweiten Streitigkeiten beenden und mit aller Kraft an einem Strang ziehen, um das Problem irgendwie zu lösen. Viele spannende Filme befassen sich mit diesem Szenario und jedem Zuschauer ist sofort klar, dass es auch gar keinen anderen Weg gibt, als gemeinsam alle Kräfte für die Rettung zu mobilisieren.

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