Zieht euch warm an, es wird heiß!. Sven Plöger
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СКАЧАТЬ der Wälder«.

      Wir lieben unsere Freiheit, tun zu können, was immer wir möchten. Und das ist in der Tat ein hohes Gut. Ein Gut, über das viele Zeitgenossen, die in diversen Diktaturen leben, nicht verfügen – was wieder dazu führen sollte, dass wir unsere Demokratie eher loben und uns für ihren Erhalt einsetzen sollten. Wer alle Freiheiten hat, lehnt Einschränkungen oder – um ein unerfreuliches Wort einzuführen, das ich im weiteren Verlauf des Buches möglichst selten gebrauchen möchte – Verbote natürlich ab. Jetzt kommt der zentrale Konflikt: Uns ist mehrheitlich klar, dass wir unsere Umwelt zerstören, wenn niemand auf irgendetwas Rücksicht nimmt, und alle die völlige Freiheit genießen, zu tun, was auch immer sie wollen. Regeln oder gar Verbote wollen wir aber ebenfalls nicht und Politiker sorgen sich – wie bereits beschrieben –, nicht gewählt zu werden, wenn sie Menschen Regeln oder Verbote ankündigen. Das Ergebnis dieser unterschiedlichen Kognitionen ist immer gleich und ein für alle zustimmungsfähiger Konsens: Wir einigen uns, dass wir freiwillig etwas ändern werden. Die Einigung ist prima, der praktische Nachteil: Es klappt nicht!

      Eine im Jahr 2018 durchgeführte repräsentative Umfrage des Pew Research Center mit fast 28 000 Befragten in 26 Ländern förderte zutage, dass weltweit 67 und in Deutschland 71 Prozent der Menschen den Klimawandel als größte Bedrohung für ihren Wohlstand empfinden. Er steht damit sowohl bei uns als auch weltweit auf Platz 1 – was bedeutet, dass es sich also in der Wahrnehmung nicht um einen Fall von »German Angst« handelt. Daraus müsste eigentlich eine Bereitschaft hervorgehen, sich freiwillig zu ändern. Doch was geschieht? In Deutschland gab es noch nie so viele Flugreisen wie 2019, es wurden noch nie so viele Autos zugelassen, mit dem höchsten Anteil von SUVs (Sport Utility Vehicle, große Geländewagen) jemals, und es haben auch noch nie so viele Passagiere Kreuzfahrten unternommen. Nebenbei, um das Bild abzurunden: Wir hatten auch noch nie so viel Plastikmüll zu verantworten wie 2019. Wurden in den 1950er Jahren pro Jahr noch weniger als 1,5 Millionen Tonnen Plastik produziert, so sind es heute rund 300 Millionen Tonnen.

      Noch einmal: All das passiert, während wir immer mehr über Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit reden, während die Unwetter in der Weise, wie sie uns die Klimaforschung berechnet hat, zunehmen, und während wir sagen, dass uns das Thema Klimawandel am stärksten von allen Einflüssen um uns herum bedroht. Gäbe es die dissoziative Identitätsstörung (gespaltene Persönlichkeit) nicht schon, so müsste sie an dieser Stelle wohl erfunden werden.

      Unser offenkundig widersprüchliches Verhalten zeigen wir in fast allen Bereichen, nicht nur beim Klima. So beklagen viele grobe Verstöße bei der Tierhaltung, möchten für Fleisch aber trotzdem möglichst wenig Geld ausgeben. Das funktioniert nicht, denn entweder bringt man dem Produkt eine Wertschätzung entgegen, dann kostet es entsprechend, oder man tut das eben nicht. Weil bei uns Preis vor Wertschätzung steht, passiert etwa bei unserer Schweinehaltung dies: Durch schlechte Bedingungen und Platzmangel verlieren in Deutschland jährlich 13 Millionen Schweine schon während der Aufzucht ihr Leben. Sie werden dann im wahrsten Sinne des Wortes in die Tonne geschmissen. Nahezu jeder von uns, der so etwas hört, findet das unerträglich, und so sagen 68 Prozent der Deutschen, dass sie sofort bereit wären, mehr Geld für Biofleisch auszugeben, wenn entsprechend auf das Tierwohl geachtet wird. Im Supermarkt kaufen 73 Prozent der Kunden dann das günstigste Fleisch. Dieses Ergebnis hat damit zu tun, dass wir im Alltag die immensen Probleme nicht wahrnehmen, die sich daraus ergeben, dass wir Fleisch zu einem »falschen Preis« kaufen. Man muss wohl nicht lange darüber diskutieren, dass der Fleischkonsum ein anderer wäre, wenn jeder sein Wild selbst jagen, häuten, zerlegen und einlagern müsste.

      Wir landen nun da, wo wir immer landen: bei der Feststellung, dass wir sind, wie wir sind. Es ist schlichtweg nicht zu ändern: Wir tun auch hier – wie die Zahlen uns zeigen – exakt das Gegenteil von dem, was wir noch in der Umfrage besorgt als nötig bewertet haben. Böse formuliert sind wir fast alle scheinheilig. Stehen wir vor der Entscheidung »SUV oder Klimaschutz?«, dann machen wir wohl wissend, dass es eigentlich besser wäre, nicht immer 3 Tonnen Blech zum Supermarkt zu bewegen, bei der eigenen Kaufentscheidung einfach mal »eine Ausnahme«. Ja, man müsste eigentlich ein kleineres Auto kaufen, aber man möchte sich gleichzeitig einmal im Leben ein schönes Fahrzeug leisten, jetzt wo man das Geld hat und ja auch älter wird und man so nun komfortabler einsteigen und sitzen kann. So hört man es nicht selten und das ist aus der Sicht des Einzelnen absolut nachvollziehbar. In der Summe vieler ergibt sich daraus dann aber unser riesiges Umweltproblem, an dem der Anteil jedes Einzelnen marginal erscheint. Da ist es also wieder, das Additionsproblem.

      Freiwilligkeit klappt aus exakt dem gleichen Grund nicht, weshalb es auch die Tragik der Allmende gibt: Schuld sind die anderen! Stellen Sie sich vor, Sie machen sich massiv Sorgen über die Entwicklung unseres Klimas und beschließen deshalb, Ihr ganzes Leben umzustellen: Sie verkaufen Ihr Auto, machen keine Flugreisen mehr, beginnen vegan zu leben, vermeiden Müll, wo immer es geht, und so weiter und so fort. Was passiert ziemlich schnell: Sie sehen, dass Sie fast allein auf weiter Flur sind und dass die Menschen um Sie herum weiterhin das süße Leben genießen, während Sie sich selbst kasteien. Emotional noch unangenehmer: Sollten Sie tatsächlich etwas zum Besseren bewirken, bekommen die Untätigen das dann gratis, der berühmte »free ride«: Manche strampeln, während sich andere die milde Brise durch die Haare wehen lassen. Sehr schnell merken Sie nun, dass Sie allein die Welt ja überhaupt nicht »retten« können, und geben vielleicht sogar auf in der Erkenntnis, dass Sie machtlos sind. Quasi eigener Verzicht ohne Sinn.

      Dass sich das so einpendelt, hat bei Freiwilligkeit damit zu tun, dass jeder eben völlig frei entscheiden kann, was er tut oder nicht tut. Es wird Leute geben, die sofort aktiv werden, und es wird Leute geben, die das Thema für unwichtig halten oder es vielleicht sogar trotzig ablehnen. Vor allem wird es die Masse geben, die unsicher ist, was sie eigentlich tun soll, und deswegen abwartet, oder Leute, die immer gerade einen stressigen Tag haben und einfach keine Zeit finden, jetzt auch noch am Alltagsverhalten herumzudoktern. Schließlich sind unsere Tage vollgestopft und es kommt immer mehr hinzu. An dieser Stelle bemerkt gerade so mancher von uns im Shutdown, wie schön Momente der Entschleunigung auch sein können. Vielleicht lässt sich etwas davon für die Zukunft mitnehmen.

      Die Freiwilligkeit funktioniert eigentlich nur dann, wenn es einen sehr konkreten gemeinsamen Wunsch gibt, der zeitnah erreicht werden kann. So etwas gab es beispielsweise 1989, als die Bürger der damaligen DDR um ihre Freiheit kämpften. Das gemeinsame Ziel lag vor Augen und so wusste bei den Leipziger Montagsdemonstrationen jeder, dass er teilnehmen muss, weil erst eine große Menge von Menschen auch eine Wirkung erzielt und weil es für solche Demos gerade ein »Zeitfenster« gab. Die damalige Sowjetunion unter Gorbatschow griff nicht ein und weil gleichzeitig viele auf die Straße gingen, konnte dieses Kapitel der Geschichte friedlich geschlossen und ein neues aufgeschlagen werden. Hätte jeder Bürger argumentiert, dass es keine Rolle spiele, ob er mitmache, weil ja eh schon so viele andere dort seien, wäre am Ende genau niemand dort aufgekreuzt und die Mauer nie gefallen. Wieder ein Beleg fürs Addieren: Erst in Summe vieler wird etwas erreicht. So könnte es auch beim Klimaschutz sein, würden wir die Dringlichkeit und Wichtigkeit erkennen.

      Wir stellen fest, dass die freiwillige Verhaltensänderung nicht stattfindet und damit wird es etwas eng für uns. Es geht dann wohl nur unfreiwillig, sofern wir das ignorante Zerstören unserer Umwelt als Option für intelligente Lebewesen ausschließen. Wie wir »unfreiwillig« nun nennen, ist eigentlich egal. »Verbot« klingt unerfreulich, »Regeln für alle« schon besser. Diese sinnvollerweise in einem demokratischen Diskurs zu erringen am besten. Wenn wir so wollen, muss das Gleiche herauskommen wie bei unserer Gier. Wir müssen unser Verhalten lenken und uns austricksen. Aber bei diesem Thema haben wir schnell das Gefühl, dass Verhaltensregeln und sicher auch der ein oder andere Verzicht СКАЧАТЬ