Zieht euch warm an, es wird heiß!. Sven Plöger
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СКАЧАТЬ passt nicht und deshalb blenden wir – wie eingangs erwähnt – das Problem aus.

      Zusammengefasst lässt sich bis zu diesem Punkt also erkennen: Der Klimawandel ist ein physikalisch komplexer Prozess, der sich schon dadurch dem inhaltlichen Verständnis vieler Menschen zunächst entzieht. Zudem wird dieser Wandel durch unsichtbare Gase ausgelöst und erscheint uns daher als schleichend, weil er auf einer ganz anderen Zeitskala stattfindet als unser tägliches Leben. Allein diese Punkte machen es schwer, die Bedeutung des Themas überhaupt zu erkennen.

      Hinzu kommt unsere – evolutionär begründbare – Eigenschaft, unser eigenes Wohlergehen, unseren Besitz und unseren Luxus über alles andere zu stellen. Jedenfalls im Mittel, was die erfreuliche Existenz einiger Idealisten natürlich einschließt. Im Kapitalismus lässt sich Wohlstand dadurch erzeugen, dass man wenig Geld ausgibt und viel einsammelt. Der daraus zwingend entstehende Preiskampf geht auf Kosten derer, die sich nicht oder schlecht wehren können. Das ist zum einen der ärmere Teil der Weltbevölkerung und zum anderen die Natur – die neben der ­Atmosphäre die Ozeane und die Biosphäre, also die Tiere und Pflanzen, einschließt. Wir beuten diese wissentlich aus, die Wertschätzung dafür geht immer mehr verloren – und wenn diese Erkenntnis mal »wehtut«, machen wir schnell die Augen zu!

      Neben mehr Klimabildung, die verhindern würde, dass wir uns immer und immer wieder mit längst widerlegten Scheinargumenten von Klimawandelleugnern beschäftigen müssten, könnten wir zur Lösung des Problems versuchen, den Kapitalismus abzuschaffen. Das klingt sehr verwegen und das ist es auch, denn bisher haben wir einfach keine funktionierende Alternative: Alle Systeme, die ausprobiert wurden, erwiesen sich als erfolglos. Solange es also keine Idee gibt, die wir quasi automatisch zu übernehmen bereit sind, bleiben die heutige Art des Wirtschaftens und damit der Kapitalismus mit all seinen Nachteilen die Grundlage unseres Handelns. Mit dieser Einsicht müssen wir unsere weiteren Überlegungen führen. Dennoch sollte sich hier nicht sofort Pessimismus breitmachen, denn das System des Kapitalismus bietet auch einige Möglichkeiten, den Klimawandel mit einer gewissen Effizienz zu bekämpfen. Dazu später mehr.

      Der Klimawandel ist da, er betrifft die ganze Menschheit und wir verhalten uns dem Problem nicht angemessen. Wir beklagen die Situation, kommen aber nicht voran. Wenn wir den Klimawandel einfach ignorieren, dann wird er den nachfolgenden Generationen unermesslichen Schaden zufügen und macht die von Stephen Hawking einst geäußerte Prognose wahrscheinlich, dass die Erde in 100 Jahren dann nicht mehr bewohnbar sein könnte. Die Konsequenz ist also völlig klar: Wir müssen uns ändern! Aber ist das realistisch?

      Ein Freund sagte mir mal, dass sich ein Mensch nur aus zwei Gründen wirklich verändert: aus Liebe oder durch ein Unglück. Ich glaube, er hat Recht. Ersteres ist unbestritten, denn was machen frisch Verliebte nicht alles für merkwürdige Dinge, und was kann eine tiefe Beziehung zu einem Menschen nicht alles für neue Interessen wecken? Und das zweite, das Unglück? Manchmal ist es ganz offensichtlich: Wer plötzlich erblindet oder querschnittsgelähmt ist, kann gar nicht anders, als sein Leben und damit sich selbst zu verändern. Auch der Tod eines geliebten Menschen oder die Verwüstung der eigenen Heimat durch einen Krieg oder eine Schlammlawine kann das ganze bisherige Leben verändern – selbst, wenn man körperlich unversehrt davongekommen ist. Doch die meisten Dinge, die uns widerfahren, sind irgendwo zwischen großer Liebe und großem Unglück und damit allenfalls geeignet, unser Verhalten kurzfristig zu beeinflussen. Bisher zeigen wir jedenfalls unbeeindruckt von allen Herausforderungen dieser Welt eine große Beharrlichkeit in unserem Verhalten – wider besseres Wissen.

      Um dem Klimawandel pragmatisch zu begegnen, müssen wir uns wohl oder übel eingestehen, dass wir sind, wie wir sind! Unsere hinderlichen Eigenschaften sind ein Teil von uns. Alle Ideen, die darauf beruhen, dass wir uns zunächst kollektiv zum Guten mit durchweg vernünftigen Einsichten wandeln, müssen scheitern. Solch ein »Wandel der Menschheit« ist in der Vergangenheit nicht erfolgt und wird wohl auch weiterhin ausbleiben. Diese Erkenntnis ist keinesfalls als Widerspruch dazu zu verstehen, dass sich nicht jeder von uns nach Kräften darum bemühen sollte, die Dinge zum Besseren zu wenden. Was da möglich ist, besprechen wir weiter hinten im Buch (Kapitel »Der Wettlauf zum Klimaziel – was jetzt zu tun ist«). Der Wandel zu einem klimafreundlichen Lebensstil kann eine äußerst bereichernde Erfahrung sein. Aber aus einem Erfolg einiger zu schließen, dass das Gros der Menschen es schlagartig schafft, plötzlich einfach mal anders zu sein und vernünftiger zu handeln, ist wohl an der Lebenswirklichkeit vorbeigewünscht.

      Regierungen in einer Demokratie haben es nicht unbedingt leicht. Sie können nämlich nur dann entscheiden und gestalten, wenn sie vorher gewählt wurden. Nun kann ein Politiker aus reiner Überzeugung für etwas eintreten, sodann für seine Haltung kämpfen und damit gewinnen oder eben verlieren. So ist Demokratie gedacht. Die Wirklichkeit sieht aber oft so aus, dass viele auf die Umfragen schielen und möglicherweise bereit sind, an der ein oder anderen Stelle bisweilen auch opportunistisch zu agieren. Die eigene Macht steht eben doch schnell im Mittelpunkt. Letzteres führt beim Umgang mit dem Klimawandel oft zu sehr ambivalenten Aussagen, schließlich will man ja keine potenziellen Wähler verprellen. Das Thema verlangt Klarheit, doch die könnte zum Verlust von Stimmen führen. Hier hilft aber ein Blick auf die Europawahl 2019. Sie hat eindrücklich gezeigt, dass eine klare Haltung doch goutiert wird. Das Klimathema liegt den Menschen am Herzen und wer sich dazu politisch klar positioniert, kann damit auch Wahlen gewinnen. Freilich verschiebt sich die Bedeutung von Themen in extremen Krisenzeiten wie bei Corona, aber der Grundsatz, dass Klarheit ein guter politischer Weg ist, gilt dennoch.

      Wenn nun große Finanzinvestoren erklären, dass sie nachhaltige Geldanlagen fördern wollen, ist das – sofern sie auch tun, was sie sagen – gut. Noch viel wichtiger wäre für die Gesellschaft aber ein politisches Zeichen, ein Konsens. Eine globale Verabredung darüber, dass man sich einig ist, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ein nachhaltiges Wirtschaften planbar und gewinnbringend zu gestalten. Ein Emissionshandel für alle, der etwa den CO2-Ausstoß in ausreichend hoher Weise bepreist, sodass wirklich eine Lenkungswirkung entsteht, ist ein vernünftiger Ansatz. Bisher gilt für diese Form des Handels eher »gut gedacht, schlecht gemacht«, weil die Vergabe viel zu vieler kostenloser Zertifikate und die zahlreichen Ausnahmen vom Handel das System binnen Kürze völlig durchlöchert hatten.

      Ganz ohne Moralisieren oder Ideologie kann man den Klimawandel mit diesem mächtigen Werkzeug bekämpfen: Geldströme steuern und dadurch schnell für nachhaltige Technologien sorgen, die dann als Investitionsziel und Kapitalanlage erkannt werden! Dann wird jeder, der nichts weiter tut, als seinen Alltag zu leben – und genau das tut die Masse der Menschen nun einmal –, automatisch umweltfreundlicher. Hier sitzen die großen Hebel erfolgreichen Umgangs mit dem Klimawandel!

      Gier steckt in uns allen und der Kapitalismus fördert sie. Diese Gier hat 2008 zur weltweiten Finanzkrise geführt, die mit der Lehman-Pleite begann. Schnell erkannte man, welch schreckliche Fehler unser Finanzsystem enthielt, und beschloss, dass von nun an alles ganz anders werden muss. Im Umfeld des weltweiten Börsenhandels mit seinen exorbitanten Bonuszahlungen ist bis heute allerdings vieles geblieben, wie es immer war – mal abgesehen vielleicht von größerem bürokratischem Aufwand für jene Banken, die am damaligen dramatischen Schaden durch ihr Anlageverhalten gar nicht beteiligt waren. Die Gier hat gewonnen, weil sie in uns steckt. Die Vernunft, die gegensteuern muss, hat verloren. Moralisch bedauerlich, aber eine Tatsache. Wir können unsere Gier nicht abschaffen und sollten keinen Kampf führen, den wir ohnehin nie gewinnen werden. Vielmehr müssen wir die Gier lenken, sie ausnutzen und quasi hinterlistig mit uns selbst sein. Wäre es nicht allemal besser, wenn jemand dadurch richtig reich würde, dass er die Umwelt sauber hält, anstatt ihr zu schaden? Um das zu erreichen, benötigen wir Regeln, die unser Verhalten steuern. Sich auf solche Regeln weltweit politisch zu einigen, sollte СКАЧАТЬ