Название: Zieht euch warm an, es wird heiß!
Автор: Sven Plöger
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
isbn: 9783864897733
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Geeigneter ist wahrscheinlich ein gänzlich anderer Pfad, der über Bildung und Gleichberechtigung führt. Je gebildeter die Menschen sind und je mehr Frauen selbst über ihre Schwangerschaft bestimmen können, desto weniger Kinder bekommen sie. Diese Tendenz lässt sich auf der ganzen Welt anhand der Daten beobachten und – ohne es an dieser Stelle komplett zu analysieren – ist auch intuitiv nachvollziehbar. Legt man mehr Wert auf Ausbildung, bekommen die Frauen ihr erstes Kind später, und wo sie entscheiden können, erhält das Thema Verhütung oder Abtreibung einen ganz anderen oder oft überhaupt erst einen Stellenwert. Vernünftige Entwicklungspolitik reduziert den globalen Zuwachs und liefert folglich einen ordentlichen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz.
Aber – wie so oft – muss man vorsichtig sein und das ist der Grund, warum im letzten Satz das nicht gerade euphorische Wort »ordentlich« steht. Ein Mensch, der etwa in der Republik Niger geboren wurde – Niger hat derzeit das größte Bevölkerungswachstum der Welt, denn jede Frau hat im Schnitt rund sieben Kinder –, wird wahrscheinlich niemals ein Flugzeug sehen oder erst recht nicht besteigen. Will heißen, die Menschen dort verursachen durch ihren oft ärmlichen Lebensstil nur wenig Emissionen und damit verbleibt die große Klimawirkung – trotz stagnierender oder rückläufiger Bevölkerung – aufseiten der Industrienationen.
»Rückläufig« ist in diesem Zusammenhang ein spannendes Wort. Manchen Prognosen zufolge erreichen wir um das Jahr 2100 mit 11 Milliarden Menschen die maximale Bevölkerungszahl, die von den natürlichen Ressourcen der Erde getragen werden müsste, andere sehen sie knapp unter 10 Milliarden im Jahre 2070 und Jørgen Randers, der schon 1972 am Bericht »Die Grenzen des Wachstums« und auch am Nachfolgebericht »2052. Der neue Bericht an den Club of Rome« mitgewirkt hat, sieht etwa 8,1 Milliarden Menschen im Jahre 2040 als Maximum. Unabhängig davon, welche Prognose letztlich zutrifft, stets ist von einer Obergrenze die Rede. Wir wissen also schon – sonst wäre es ja kein Maximum –, dass unsere Anzahl wieder abnehmen wird. Warum aber ist das so und wohin führt das bezüglich des Klimawandels?
Schauen wir uns dazu ein paar Zahlen an: Zu Shakespeares Zeiten lebten in Summe etwa 0,4 Milliarden Menschen, die erste Milliarde wurde um 1800 überschritten, die zweite nach 128 Jahren im Jahre 1928. 1959 waren es drei Milliarden, 1973 schon vier, 1986 dann fünf, 1998 sechs und 2010 schließlich sieben Milliarden. Der zeitliche Abstand zur nächsten Milliarde damit: 128 Jahre, dann 31, 14, 13, 12 und wieder 12. Das zeigt, dass wir es schon jetzt nicht mehr mit einer Bevölkerungsexplosion zu tun haben, denn das Wachstum beschleunigt sich nicht mehr. Der Zusammenhang ist mittlerweile linear: Wir brauchen 12 bis 14 Jahre für die nächste Milliarde. Das geht natürlich nur, weil die Geburtenrate im Mittel bereits jetzt abnimmt. Damit eine Population stabil bleibt, muss jede Frau durchschnittlich 2,1 Kinder bekommen, damit die Bevölkerung nicht schrumpft. Und jetzt: Sämtliche Industrienationen und in Summe die Hälfte aller Länder dieser Erde liegen unterhalb dieses Wertes – Südkorea mit weniger als einem Kind pro Frau am deutlichsten, in Deutschland und Japan sind es beispielsweise anderthalb Kinder pro Frau. Experten sehen drei Stufen der historischen Demografie: Stufe eins dauerte von Beginn der Menschheit bis ins 18. Jahrhundert. Die Geburtenrate war hoch, die Sterberate auch, die Bevölkerung wuchs langsam. Stufe zwei hält Einzug mit besserer Ernährung und vor allem verbesserter Medizin. Die Geburtenrate ist noch hoch, die Sterberate geht aber deutlich zurück und so wächst die Population stark. In Stufe drei nimmt nun auch die Geburtenrate ab, wahrscheinlich durch die Urbanisierung. In der Stadt kostet ein Kind Geld, da es Nahrung braucht, aber anders auf dem Land nichts zum Erwerb der Familie beitragen kann. Die Geburtenrate ist in Zeiten der wachsenden Metropolen vor allem eine ökonomische Frage und mit zunehmender Bildung geht die Anzahl der Kinder zusätzlich zurück.
Für das Thema Klimawandel bedeutet diese wichtige Komponente zusammengefasst folgendes: Je schneller die Klimaänderung kommt, desto schwieriger wird es, weil sie dann mit dem Zeitpunkt der höchsten Weltbevölkerung zusammenfällt. Wenn gut gemachte Maßnahmen den Klimawandel frühzeitig erfolgreich abmildern, dann wird die spätere Abnahme der Zahl der Menschen automatisch zum Klimaschutz beitragen. Noch kürzer: Emissionen und Population werden beide ein Maximum haben und wir müssen organisieren, dass beide Maxima nicht zeitgleich eintreten. Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit des Wahlspruchs »flatten the curve« – genau wie beim Umgang mit dem Coronavirus.
Klimakonferenzen neu denken
Die weltweiten jährlichen Klimakonferenzen sind zunächst natürlich sinnvoll. Würde man international gar nicht mehr miteinander sprechen, hätte niemand etwas gewonnen. Aber die Systematik gehört auf den Prüfstand! Heute muss jeder Beschluss von den 190 Unterzeichnerstaaten der Klimarahmenkonvention einstimmig getragen werden. Es erklärt sich damit eigentlich ganz von selbst, dass wir seit Jahren immer das Gleiche erleben: ermüdende Konferenzen an deren Ende eine verwaschene Minimalaussage steht. Der Zwang zur Einstimmigkeit führt dazu, dass der Bremser bestimmt und nicht die Mehrheit, getreu der Eskimoweisheit: Der Schlitten ist so schnell wie der langsamste Hund. Übrigens: Die Top Ten der Emittenten machen zusammen zwei Drittel der jährlich produzierten CO2-Menge aus.
Ein neues Format könnte ein Zusammenschluss derer sein, die wirklich etwas verändern wollen, egal ob beim CO2, beim Lachgas, beim Methan, beim Feinstaub oder an anderen Stellen. Oft geschieht das aus eigener Einsicht, wie etwa im Fall Chinas, wo die Gesundheitskosten durch die vielen Smogwetterlagen förmlich explodieren und die Lebensqualität spürbar sinkt – auch und gerade in der Hauptstadt Peking. Dort leben rund 25 Millionen Menschen, vor allem aber auch die chinesische Regierung. Sind die Lenker selbst betroffen, reagieren sie bedeutend zügiger.
Aber bringt es etwas, wenn einige – zumal auch bedeutende Emittenten dieser Welt wie die USA oder Brasilien und vielleicht auch andere – nicht mitmachen? Natürlich wäre es besser, wenn alle entschlossen und gemeinsam gegen den Klimawandel vorgingen und eine große Transformation aller Lebensbereiche vorantrieben. Quasi eine große gemeinsame Revolution. Aber ist so etwas realistisch? Die großen Revolutionen in der Geschichte wurden nie in einer konzertierten Aktion geplant und dann allerorten gleichzeitig umgesetzt. Die industrielle Revolution etwa begann in England und breitete sich von dort über Jahrzehnte auf die ganze Welt aus. Ähnlich war es mit der neolithischen Revolution, die den Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu Hirten- und Bauernkulturen zur Sesshaftigkeit markierte. Es wurde nie einstimmig beschlossen, dass man sich überall auf einen Schlag niederzulassen hatte. Vielmehr brachte die Sesshaftigkeit mehr Vor- als Nachteile und setzte sich daher gegenüber anderen Lebensentwürfen durch.
Denken wir das Gleiche für eine »Klimarevolution«. Der Zug derer, die wirklich etwas erreichen wollen, könnte sich endlich in Bewegung setzen und wird dabei nicht von Bremsern zurückgehalten. Die laufen aber sicher interessiert nebenher und sehen früher oder später womöglich auch die Vorteile des sinnvollen Umgangs mit der eigenen Umwelt – und springen dann auf den Zug auf.
Beim Blick in die USA drängt sich freilich der in nahezu allen Belangen mehr als erstaunlich agierende Präsident Trump in den Vordergrund. Dabei übersieht man leicht die wirklich interessanten Zusammenhänge. In vielen Staaten der USA herrscht nämlich eine gänzlich andere Denke als die von Trump propagierte Rückwärtsgewandtheit. Denken Sie nur an Kalifornien, Florida oder New York. Wenn der Deckel dann irgendwann mal vom Topf ist, kann durchaus ein zügiges, vernunftorientiertes Handeln einsetzen.
Vielleicht an dieser Stelle eine kurze Anmerkung zum 45. US-Präsidenten, der – ganz nebenbei bemerkt – wohl Kabarettisten arbeitslos machen will, da er immer selbst noch einen draufsetzt: Herr Trump ist schlicht bauernschlau. Wenn er seiner Lieblingsbeschäftigung »Deals machen« ungestört nachgehen will, dann passt der Klimawandel wirklich nicht ins Konzept. Einfache СКАЧАТЬ