Название: Zieht euch warm an, es wird heiß!
Автор: Sven Plöger
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
isbn: 9783864897733
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Die Geschichte hält noch mehr Beispiele parat: Nehmen Sie die Sklaverei. Wer einen Sklaven besaß, hatte die Freiheit mit ihm zu machen, was er wollte, während der Sklave selbst seiner Freiheit völlig beraubt war. Die Abschaffung der Sklaverei schränkte – etwas nüchtern geschildert – die Freiheit der Herren zugunsten ihrer vormaligen Untergebenen ein. Und als man später Arbeits- und Sozialgesetze einführte, verringerte das die Freiheit der Unternehmer. Der Kündigungsschutz verhinderte nämlich, dass man Arbeiternehmer grundlos entlassen konnte. Tarif- und Mindestlöhne wurden eingeführt und so ging die Freiheit verloren, die Bezahlung von Menschen unter das Existenzminimum zu drücken. Der Zwang, Sozialversicherungen mitzufinanzieren, schränkte wiederum die Möglichkeit ein, eine Notlage von alten und kranken Menschen auszunutzen. All dies waren Verbote und Regeln, die es vormals nicht gab und welche die Kosten steigen ließen. Das Ergebnis war aber, dass die Ausbeutung von Menschen eingegrenzt wurde. Freiwillig wäre davon nichts passiert.
Mit dieser Erkenntnis wird es nun ganz einfach: Ähnlich wie im Falle der ausgebeuteten Arbeiterschaft brauchen wir jetzt auch klare Regeln, um die Ausbeutung der Natur zu begrenzen! Das schränkt die Freiheiten Einzelner ein und kostet Geld, aber ist gleichzeitig gut für uns alle! Es gibt Tausende von Ideen, was man wo und auf welche Weise regeln kann – fast alles hat sein Für und Wider. All diese Ideen können im Folgenden nicht einzeln bewertet werden, sondern es geht vielmehr um grundsätzliche Erwägungen.
Marktwirtschaft oder Ordnungsrecht
Bei Regeln mit Lenkungswirkung gibt es immer zwei Möglichkeiten. Zum einen kann man etwas schlicht verbieten. Der Vorteil: Es ist gerecht, denn es trifft jeden gleich. Der Nachteil: Den Menschen Verbote auf eine Art zu vermitteln, dass sie einsichtig sind und dieses mehrheitlich akzeptieren, ist nicht gerade leicht, weshalb dieser Schritt vor einer hohen Hürde steht. Covid-19 konnte diese Hürde mühelos überspringen, denn fast jeder hat die Notwendigkeit von Verboten rund um das Virus recht zügig verstanden, zumindest zu Beginn der Maßnahmen. Die andere Möglichkeit liegt in der Lenkung durch Preise. Das ist einfacher zu vermitteln, aber weniger gerecht. Der Reiche, der im Schnitt mehr emittiert, wird dann weniger eingeschränkt als der Ärmere, obwohl dieser in deutlich geringerem Maße für den Klimawandel verantwortlich zeichnet. Bei einem solchen Ansatz müssen also flankierend Geldflüsse von Reich nach Arm erfolgen.
Um eine angemessene Wirkung bezogen auf das gesetzte Ziel zu erreichen, brauchen Preise die richtige Höhe. Die Bundesregierung hat ihre anfänglichen 10 Euro pro Tonne CO2 im Klimaschutzpaket nun auf 25 Euro angehoben und will den Preis ab 2026 zwischen 55 und 60 Euro positionieren. Die Gruppe Scientists for Future sieht 180 Euro als notwendigen Betrag. Dieser Preis beruht auf Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) nach der sogenannten Methodenkonvention 3.0 zu den Folgeschäden unserer Emissionen.
Emissionshandel und weitere Instrumente
Mit dem Emissionshandel, wie er seit 2005 als einer der flexiblen Mechanismen des Kyotoprotokolls in der EU eingeführt wurde, hatte die Politik einen lobenswerten und überfälligen Paradigmenwechsel vollzogen. Die Idee, dass die Atmosphäre ein freies Gut sei, das jedermann beliebig zumüllen durfte, wurde von einem Prinzip der Verknappung abgelöst. Erstmals musste das Recht, CO2 in die Luft zu blasen, beantragt und über entsprechende Zertifikate für kontingentierte Mengen genehmigt werden. Zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtete man Unternehmen mit besonders hohem spezifischen Ausstoß, maßgeblich aus Energiewirtschaft, Eisen-, Stahl-, Zement-, Papier- und chemischer Industrie. Im Handelszeitraum von 2013 bis 2020 waren es in Deutschland 1 900 solcher Firmen, die ihre Emissionen jährlich bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) melden mussten und ihrerseits mit den zugeteilten Zertifikaten international handeln durften.
Die Idee markierte zwar einen Fortschritt gegenüber dem vorigen Laissez-faire, doch war sie anfangs schlecht umgesetzt. Denn um die energieintensiven Industrien vor Konkurrenznachteilen zu schützen, verteilte die Politik kostenlose Zertifikate, deren Volumen man überdies noch für ein deutlich überhöht angenommenes künftiges Wachstum nach oben »korrigiert« hatte. Der Markt war geflutet mit Verschmutzungsrechten, ihr Preis verfiel rapide und der beabsichtigte Druck auf die Industrie, sich in Richtung Effizienz und Einsparung zu entwickeln, löste sich in Luft auf. Ein klassischer Fall von Marktversagen, unter dem das System bis in die aktuelle Handelsperiode leidet, denn noch immer müssen diese überflüssigen Zertifikate abgefischt werden.
Immerhin hat die EU für diesen Zeitraum die Spielregeln für alle Mitgliedstaaten weitgehend angeglichen und zumindest der Stromsektor muss mittlerweile seine Zertifikate vollständig über Auktionen einkaufen. Ebenso wurden nun alle Treibhausgase einbezogen, also auch Lachgas und perfluorierte Kohlenwasserstoffe. Zwar erhalten Industriebranchen und Wärmeproduktion noch immer kostenlose Kontingente, aber sie müssen sich dem Wettbewerb untereinander stellen, da die Menge der Zertifikate sich daran orientiert, wie viel Treibhausgase die europaweit effizientesten 10 Prozent aller Anlagen eines Sektors pro Tonne des jeweiligen Produkts abgeben. Die Gesamtzahl der Berechtigungen nimmt dabei jährlich um gut 1,7 Prozent ab. Seit 2012 erstreckt sich der Emissionshandel auch auf den Flugverkehr mit Start- oder Landepunkt innerhalb der EU, dieser Anwendungsbereich wird 2020 überarbeitet. Da auch hier zahlreiche Geschenke und Ausnahmen gemacht wurden – 85 Prozent der Zertifikate waren kostenlos und bis 2016 wurden nur innereuropäische Flüge eingebunden – blieb die Wirkung minimal. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel investiert die Bundesregierung in Klimaschutzmaßnahmen in den Kommunen, der Wirtschaft und bei den Verbrauchern, zum Beispiel für Zuschüsse zur Heizungsmodernisierung in privaten Haushalten.
Der Emissionshandel in der EU ist sicherlich weiterhin verbesserungswürdig, doch dürfte er einen wesentlichen Anteil daran haben, dass die deutschen Emissionen bereits 2019 stärker zurückgegangen waren als zunächst geschätzt. Man kann dies aber auch so lesen, dass ein stärkerer Gesetzesrahmen uns den notwendigen Klimaschutzzielen noch deutlich schneller nahebringen würde. Tatsächlich gehen die Überlegungen der EU-Kommission genau in diese Richtung. Bislang wurden die energieintensiven Branchen geschont, auch um zu verhindern, dass sie aus der EU abwandern und mit ihren Emissionen lediglich andernorts das Weltklima belasten – der sogenannte »Carbon-Leakage-Effekt«. Nun könnten bald CO2-intensive Produkte beim Import an den Außengrenzen der EU mit einem Aufpreis belastet werden (»Border Carbon Adjustment«), der sich nach der Höhe ihrer Klimaschädlichkeit richten würde.
Wie auch immer solch ein Ansatz ausgestaltet wird – als Steuer, Zoll oder in anderer Form – eines zeichnet sich bereits ab: Die Emissionsgeschenke an die Hochverbraucher innerhalb der EU sind mit einem solchen Aufschlag für Importeure nicht mehr vereinbar und ihre Zeit dürfte sich dem Ende neigen. Damit müssten die Produzenten ihre Effizienz endlich unabhängig von ihrem Standort steigern. Es sieht so aus, als ob sich das Blatt doch noch in die richtige Richtung wendet, denn nicht eine billige oder teure Tonne CO2 entlastet das Klima, sondern nur eine, die nicht produziert wird. Allerdings, auch hier lernen wir aus der Coronakrise: Der CO2-Preis ist aufgrund der stark geminderten Produktion und folglich mangels Nachfrage nach Zertifikaten rapide in den Keller gegangen. Dort dürfte er nach Einschätzung des Brüsseler Think Tanks Centre on Regulation in Europe (CERRE) wegen der wirtschaftlichen Unsicherheiten auch noch auf einige Zeit bleiben. Dies offenbart eine typische Schwäche СКАЧАТЬ