Zieht euch warm an, es wird heiß!. Sven Plöger
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СКАЧАТЬ der ganzen Dynamik der täglichen und intensiven Berichterstattung schnell in einen Strudel aus »Für und Wider«, in dem wir gehörig herumgewirbelt werden, bis uns ziemlich schwindlig ist. Dieses Buch will deshalb »entschwindeln« – ein in jeder Hinsicht schönes Wort, auch wenn es nicht im Duden steht.

      Suchen wir also nach Klarheit und beginnen mit unserem Einstiegsbeispiel, den Wetterextremen: Alles »nur« Wetter? Oder doch Klimawandel? Die Antwort ist klar: Wir spüren hier den Klimawandel! Warum? Weil wir bei vielen – nicht allen – Parametern, aber etwa bei Temperatur oder Niederschlag, statistisch signifikante Veränderungen erleben. Extreme Ereignisse wie Hitze, Dürre, Starkregen oder Hagel häufen und verstärken sich und verlassen damit den bisherigen typischen Schwankungsbereich ihres Auftretens. Altbekannte Abläufe scheinen verschwunden, und ein neues, extremeres Wettergeschehen spielt sich – auch direkt vor unserer Haustür – ab. Wir können einen messbaren Trend über einen langen Zeitraum beobachten, das heißt, es ändert sich die Statistik des Wetters und damit eben das Klima. Klimawandel bedeutet also nicht mehr, dass irgendwann irgendwo irgendwem auf dieser Welt irgendetwas meist Unerfreuliches passiert, sondern er ist eine Tatsache, mit der wir hier und jetzt konfrontiert sind. Die Häufung extremer Ereignisse ist dabei kein Widerspruch dazu, dass es natürlich auch früher mitunter schon extremes Wetter gab. Das ist logisch, bekannt und nicht verblüffend. Die Veränderung liegt genau in dieser Häufung und im Auftreten neuer Extrema, die es bisher noch nicht gab.

      Die Klimaforschung hat uns die oben beschriebenen Szenarien schon 1990 für das Jahr 2020 vorausgesagt und bereits im Februar 1979 konnte man in der Tagesschau einen Beitrag sehen, in dem die Erwärmung der Atmosphäre, die wir jetzt erleben, auf die menschengemachten Treibhausgasemissionen zurückgeführt und die Folgen sehr treffend eingeschätzt wurden. Dafür darf man den Klimaforschern ein gutes Zeugnis ausstellen. Wir haben wohl vieles gut verstanden und mithilfe der Computermodelle schon früh wichtige Zusammenhänge vernünftig berechnet. Wäre das alles nicht der Fall gewesen, erschiene eine so gute Vorhersage für die heutige Zeit schon extrem verblüffend. »Verstehe nichts, rechne sinnlos und freue dich über das korrekte Ergebnis« ist noch unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto. Ich kenne überhaupt kein Beispiel, wo das in der Naturwissenschaft geklappt hätte – kein Flugzeug würde fliegen, kein Auto fahren und kein Computer funktionieren. Auch Selbstversuche dieser Art bei Mathearbeiten in der Schule erzielten nachvollziehbarerweise wenig erfreuliche Resultate.

      Kurzgefasst: Unser Wetter wird weltweit extremer und dafür verantwortlich ist der Klimawandel. Die Klimaforschung hat viel verstanden, sonst wären die Vorhersagen für heute nicht richtig. Auf dieser Grundlage werden die eingesetzten Computermodelle stets weiterentwickelt.

      Wir müssen also reden. Über noch viel mehr als Extremwetter. Und zwar ganz offen. Ohne Tabus und mit sortierten Gedanken. Dafür braucht es ein umfassendes Bild des großen Ganzen. Also lautet die erste Aufgabe bei diesem komplexen Thema, das uns alle etwas angeht: Wir müssen die sprichwörtliche Ansammlung vieler Bäume zunächst einmal als Wald wahrnehmen, sonst versumpfen wir im Dickicht der Nebensächlichkeiten. Beim Thema Klimawandel heißt das, dass wir zwei große Bereiche unterscheiden müssen: einerseits den akademischen und andererseits den gesellschaftspolitischen.

      Diese besteht darin, die Frage zu beantworten, was sich warum in unserer Atmosphäre und – erweitert – in unserem ganzen Erdsystem tut. Dazu werden alle relevanten Größen gemessen und unter Anwendung komplexer mathematischer Verfahren wird versucht, daraus eine Prognose der weiteren Entwicklung abzuleiten. Den unverrückbaren Rahmen dafür setzt die Physik des Systems, daher müssen wir sie als Erstes verstehen. Begreift und akzeptiert man die zugrunde liegenden Abläufe nicht, hat man schlicht Pech. Denn dieser Planet und seine Atmosphäre interessieren sich nicht im Mindesten für uns. Jacques Monod hatte es in Zufall und Notwendigkeit so formuliert: Der Mensch muss sich zurechtfinden in einem Universum, »das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen«.

      Passen wir uns den Bedingungen dieses Planeten nicht an, so ist das unser Problem – und fertig! Deshalb sind Meinungen und Emotionen hier völlig uninteressant. Auch wenn mir persönlich der Aufkleber »Schwerkraft, nein danke!«, den ein paar heitere Physiker im Zuge der Diskussion über Atomkraft erfunden hatten, viel Freude bereitete: Es half nichts, die Schwerkraft blieb und wird unabhängig von unserem ironischen Protest auch immer bleiben. Es gibt eben Dinge, die wir hinnehmen müssen, unabhängig davon, ob es uns gefällt. Und so laufen auch in unserer Atmosphäre schlicht physikalische Prozesse ab, nicht mehr und nicht weniger.

      Und die Dynamik dieser Prozesse verändert sich, wenn etwa der Mensch durch sein Zutun in die Zusammensetzung der Atmosphäre eingreift. Wenn er Chlor in die Luft pustet, das dort ursprünglich nicht vorhanden war, dann verändert sich in der Folge etwas – chemische Reaktionen ließen das Ozonloch entstehen. Wenn immer mehr Kohlendioxid (häufig mit CO2 abgekürzt) in die Atmosphäre gelangt, so wird diese wärmer und in der Folge verändern sich die Wetterabläufe, unter deren Bedingungen wir uns vor Hunderten oder Tausenden Jahren angesiedelt haben und an die wir bis heute gewöhnt sind. Das kann man etwa an Kapstadt beobachten. Der Metropole geht durch den ausbleibenden Regen als einer Folge des Klimawandels das Wasser aus und das bedeutet aus heutiger Klimasicht schlicht und einfach, dass die Stadt an der falschen Stelle steht. So leicht es sich schreibt, so tragisch ist dieser Umstand für die Menschen dort – aber natürlich nur für den ärmeren Teil der Bevölkerung, denn die reichen Bürger bohren sich tiefe Privatbrunnen und sind deshalb noch gut mit Wasser versorgt. Das Wort »noch« spielt allerdings eine große Rolle, denn der Grundwasserspiegel sinkt schnell. Und dieses Problem ist nicht etwa den entlegenen Regionen dieser Welt zu eigen, denn auch in Deutschland bekommen wir gerade ein veritables Problem mit der Grundwasserneubildung.

      Die Klimaforschung – es seien noch mal die zutreffenden Prognosen erwähnt – ist sich heute sicher, dass der Mensch erhebliche Auswirkungen auf das Klimageschehen hat und stellt klar fest, dass die derzeitigen rasanten globalen Veränderungen unseres Klimas, die wir unbestritten beobachten können, mit rein natürlichen Prozessen nicht erklärbar sind. Hierin stimmen 99 Prozent der Wissenschaftler überein – eine Einigkeit, die sich über mehrere Jahrzehnte intensiver Forschungsarbeit mit zigtausenden Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften herausgebildet hat. So sicher, wie heute vernunftbegabte Menschen sagen, dass zwei plus zwei vier ergibt und dass die Erde eine Kugel ist, können wir auch sagen, dass der Mensch das Klima maßgeblich beeinflusst. Der letzte Satz schließt natürlich nicht aus, dass es Menschen gibt, die in Gänze an der Mathematik zweifeln, und lässt auch zu, dass heute in etwa 3 500 Menschen der »Flat Earth Society« anhängen und von der Scheibenerde überzeugt sind. An dieser Stelle müssen Sie vielleicht lachen, weil es so ein offensichtlicher Unsinn ist. Lachen befreit und glücklicherweise denken die wenigsten Menschen so. Würden wir alle in weltfremdem Irrsinn durch die Welt geistern, wären wir schon vor langer Zeit ausgestorben. Die natürliche Selektion ist ein mächtiges Korrektiv, wenn man die Realität falsch einschätzt.

      Aber lacht man auch sofort über jemanden, der anzweifelt, dass der Mensch maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich ist? Weit gefehlt! Das Thema Klimawandel wird in der Öffentlichkeit und – wie man an manchen Staatschefs sehen kann – auch in der Politik durchaus kontrovers diskutiert. Warum aber folgen wir bei diesem Thema oftmals nicht den eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen? Was berechtigt uns, die Klimaforschung trotz ihrer sichtbaren Qualität offen und häufig ohne eigene physikalische Kenntnis anzuzweifeln?

      Das hat mit kognitiver Dissonanz zu tun. Kognitionen sind die Erkenntnisse eines Individuums über die Realität, nachdem es die Eindrücke verarbeitet hat, die es aus unserer Wahrnehmungsrealität erhält. Da es davon aber viele gibt, können sie auch zueinander in Widerspruch stehen, und dann entsteht in uns eine Dissonanz, ein Spannungszustand. Diesen empfinden wir als nicht gerade schön, aber wir halten ihn aus, weil wir die widersprüchlichen СКАЧАТЬ