Zieht euch warm an, es wird heiß!. Sven Plöger
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СКАЧАТЬ die Coronakrise die Stunde demokratisch legitimierter Politik sei. Es ist zu hoffen, dass im Verlauf der Krise weiterhin demokratisch und sachbezogen agiert wird. Das würde den großen und von mancher Seite längst vergessenen Wert dieser freiheitlichen Staatsform unterstreichen.

      Darüber hinaus bietet sich – beide Krisen gemeinsam betrachtet – die Möglichkeit, die Generationen stärker zusammenzuführen und mehr gegenseitige Solidarität zu üben. Bei Corona müssen die jungen Menschen zum Schutz der Alten beitragen und beim Klimawandel sind die Älteren in der Pflicht, ihr Verhalten im Sinne der Jüngeren zu ändern. Hans Joachim Schellnhuber, der lange Jahre das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) geleitet hat, spricht hier von der konkreten Idee eines »Klima-Corona«-Vertrages zwischen den Generationen.

      Derzeit gibt Corona alle zögerlichen Klimapäckchen, welche die Regierungen in unserem und in anderen Ländern dieser Welt geschnürt haben, der Lächerlichkeit preis. Das kleine Virus leistet hier ungleich mehr, macht aber auch den Unterschied von Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit deutlich sichtbar. Auch wenn es noch sehr viele Unsicherheiten gibt, wie lange diese Krise dauert und welche konkreten Auswirkungen sie auf die Wirtschaft haben wird, so gibt es doch einige Studien, die bereits jetzt zu berechnen versuchen, um welchen Anteil die CO2-Emissionen weltweit aufgrund der Coronakrise zurückgehen werden. Da wir zwar weniger reisen, aber weiterhin viel transportieren, produzieren, heizen und kühlen, sind derzeit häufig Angaben von rund 5 oder 6 Prozent für 2020 zu finden. Trotz aller Unsicherheiten gibt uns das ein Gefühl für die Größenordnung, mit der wir es ungefähr zu tun haben. Und die liegt in der Gegend dessen, was notwendig ist, um bis zum Jahr 2100 das auf der UN-Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 beschlossene Ziel einer maximalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu erreichen. Hierfür wäre nämlich eine Reduktion von 7,6 Prozent – und zwar jährlich und das bis zur Mitte des Jahrhunderts – erforderlich.

      Betrachtet man unseren Shutdown, so erleben wir derzeit »ganz schön viel Nichts«, und trotzdem spart dieses magere Dasein nur ein paar Prozent unserer Emissionen ein. Liefe unsere Wirtschaft nach Corona nun ohne irgendwelche Konsequenzen wieder im altem Modus, also gleichsam mit dem Hyperkonsum für eine Minderheit der Erdbevölkerung, an, so würden die bisherigen Emissionsreduktionen wie in früheren Krisen, beispielsweise der Finanzkrise 2008, wohl schnell überkompensiert. Dies auch deshalb, weil das für den Klimaschutz benötigte Geld jetzt natürlich in den – vielfach notwendigen – Rettungspaketen steckt.

      Den meisten von uns ist völlig klar, dass die bedingungslose Expansion, die der Philosoph und Publizist Richard David Precht einmal als »Droge der Wertfreien« bezeichnet hat, schlicht keine Zukunftsoption ist. Erst recht keine Option ist es aber, Klimaschutz in der Weise des aktuellen Lebens mit Corona, sprich durch einen dauerhaften Shutdown, betreiben zu wollen – das käme dem absurden Wunsch nach »zurück in die Höhle« gleich. Deshalb wird an dieser Stelle fast von allein klar, dass wir jetzt und nicht in aufgeschobener Zukunft den »Green Deal« brauchen.

      Corona donnert als eine regelrechte Schockwelle über unseren Planeten und die Frage ist nun, ob diese den Fortgang unserer modernen Zeit erheblich hemmen oder kräftig beschleunigen wird. Die Wahl steht uns offen: Wenn wir einsehen, dass wir durch die zu große Einmischung in weltweite Ökosysteme die Sicherheit unserer Gemeinschaftsgüter und damit viele Bereiche von unserer Gesundheit bis hin zu einem in für uns notwendigem Rahmen stabilen Klima gefährden, dann wächst auch die Bereitschaft, wirtschafts- und sozialpolitische Fehler unseres Systems ernsthaft zu korrigieren.

      Am Ende schließt sich der Kreis, denn »flatten the curve« gilt für Corona und den Klimawandel gleichermaßen. Wir müssen mit aller Kraft versuchen, eine Überbelastung des Systems zu ­vermeiden. Bei Corona geht es darum, die Gesundheitssysteme nicht über ihre Kapazitätsgrenze hinaus zu belasten und dadurch Menschenleben zu retten. Beim Klimawandel geht es darum, die Anpassungsfähigkeit der Fauna, Flora und auch des Menschen nicht überzustrapazieren. Das rettet ebenfalls Menschenleben und verhindert obendrein das Aussterben vieler Arten. Einen großen Unterschied gibt es derzeit aber schon: Nach einem Impfstoff gegen Corona suchen wir noch fieberhaft, einen gegen den Klimawandel haben wir schon: die erneuerbaren Energien!

      Springen wir nun zurück in eine Zeit vor Corona, die vielen von uns – gerade durch den trockenen April 2020 – noch sehr präsent ist: der Sommer 2018. Hitze und Dürre über Wochen, Noternten und in Teilen Deutschlands nur 30 Liter Regenwasser pro Quadratmeter – aufsummiert in Juni, Juli und August. Waldbrände in Schweden und tagelang über 30 Grad am Polarkreis. Das Gegenteil übrigens vom Sommer 2017, wo im Norden Deutschlands wochenlange Regenfälle für massive Überschwem­mungen sorgten.

      Sommer 2019. Der 25. Juli ist der bisher heißeste Tag in Deutschland seit Beginn der Messungen: Mehr als 60 Wettersta­tio­nen melden Temperaturen über 40 Grad im Schatten. Waldbrände in Alaska, Sibirien und Brasilien in ungeheurem Ausmaß, in Brasilien vor allem durch Brandrodung.

      November 2019. Südlich der Alpen verursacht ein unbeirrt bei Korsika stehendes Tief Regenmassen ungeahnten Ausmaßes. Vom schweizerischen Graubünden über Südtirol bis in die Steiermark und im Apennin fallen teilweise 600 Liter Wasser auf jeden Quadratmeter in nur einer Woche. Mengen, die hierzulande vielerorts in einem Jahr fallen. Die Folge: zahlreiche Murenabgänge, die Gebäude oder Straßen zerstören, Leib und Leben der Bevölkerung bedrohen und unglaubliche Kosten verursachen. Venedig wird in dieser Zeit mehrmals schwer überflutet und schon im Dezember steht die Stadt erneut zu einem Großteil unter Wasser. Dazu großflächig Stürme in Frankreich, Spanien und Portugal mit ausgedehnten Überschwemmungen und Sachschäden, die mit öffentlichen Geldern beseitigt werden müssen.

      Am 17. Dezember werden in Rosenheim 19 Grad gemessen, in Piding im Berchtesgadener Land sind es fast 20. Dann der Blick gen Süden: In Australien beginnt gerade der Frühsommer und ein neuer Hitzerekord jagt bereits den nächsten. Häufig hat es mehr als 45 Grad im Schatten, in Nullarbor und Eucla am 19. Dezember sogar jeweils 49,9 Grad – nicht auszuhalten! Das Ergebnis: Waldbrände in einem Ausmaß, das Australien noch nie gesehen hat. Das völlig ausgetrocknete Land brennt wie Zunder, Feuerstürme entstehen, brennende Äste wirbeln durch die Luft und entzünden neue Waldregionen. Die Brände wachsen zu riesigen Feuerfronten zusammen, denen die bis zur Erschöpfung kämpfenden Feuerwehrleute keinen Widerstand entgegenbringen können. Eine Apokalypse, die Menschenleben und 1,25 Milliarden – noch ­einmal: über eine Milliarde – Tiere das Leben kostet. Bis Mitte Januar sind mehr als 100 000 Quadratkilometer Wald verbrannt – eine Fläche größer als die der Schweiz und der Niederlande zusammen oder ein knappes Drittel Deutschlands. Eine solche Situation lässt sich mit Worten nicht mehr beschreiben, insbesondere wenn man bedenkt, dass Australien gleichzeitig neben den USA und Brasilien zu den Ländern gehört, deren Regierungen bei der 25. Weltklimakonferenz in Madrid verhinderten, dass ein entschlossenes Abschlusskommuniqué zustande kommt.

      Die Regierung will mit Kohle eben Kohle machen. Das sichert Einnahmen und damit Wohlstand und Arbeitsplätze. In den Städten, wo bisher keine Brände vorkommen, mag man der Argumentation folgen. Anders auf dem Land, das verbrennt und verdorrt. Für Politik und Stadtmenschen stehen weder das Leid der Farmer noch deren Auskommen und Besitz im Mittelpunkt. Jeder denkt eben aus seiner Warte …

      Man merkt schnell: Nicht der globale Temperaturanstieg um ein Grad in 100 Jahren, sondern extreme, oft tragische Wetterereignisse sind es, die uns nachdenklich auf das blicken lassen, was um uns herum geschieht. Wenn man so will, »weckt« uns die Atmosphäre gerade auf. Und wenn wir weiterschlafen wollen, dann wird sie immer neue Einfälle haben, uns aus unserem Schlummer wachzurütteln. In dieser Phase fragen wir uns, ob wir noch auf einem vernünftigen Kurs segeln oder ob wir längst auf ziemlich СКАЧАТЬ