Telefónica. Ilsa Barea-Kulcsar
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Название: Telefónica

Автор: Ilsa Barea-Kulcsar

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783990650219

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Sie fragte plötzlich: »Hören Sie, Mr. Bevan, warum haben Sie in Ihrem Bericht das Interessanteste von heute Abend ausgelassen? Nämlich, daß es Junkersapparate waren und daß die Bomben in Vallecas deutsches Fabrikat sind?«

      »Ich weiß nicht, ob das wahr ist«, sagte er.

      »Was die Junkers anlangt, müssen Sie sich freilich auf die Fachleute verlassen, genauso wie ich. Aber der Blindgänger und die Reste der zweiten Bombe haben sicher irgendeine Marke. Haben Sie die nicht gesehen?«

      »Ja, aber ich kenne sie nicht.«

      »Da haben Sie sich wahrscheinlich die Zeichen notiert, nicht?«

      »Nein, hören Sie« – er war beinahe grob –, »ich weiß, was unsere Leute interessiert. Ich gebe keine Propagandameldungen durch!«

       V.

      Man sitzt in dieser Nische des unterirdischen Korridors – zweiter Keller der Telefónica – wie in einer Sackgasse.

      Vor zehn Tagen, die man sich an den Fingern ausrechnen muß, so endlos ist der Zeitraum, waren sie aus Carabanchel weggegangen, zwei Stunden früher als die Nachbarn. Concha selbst wäre lieber dort geblieben. Aber sie kannte die Hilflosigkeit der Schwester in allen praktischen Dingen, die Nachdenken erforderten, und wollte nicht in die große Fluchtwelle hineingeraten. So hatte sie gepackt, was in ein paar Säcke und Bündel ging und hatte den Esel vor den Karren gespannt. Guter, kleiner Esel – er war nun wohl verloren.

      Damals war viel Lärm in der Luft, ein Lärm, den man noch kaum verstand, aber doch schon Flieger benannte. Granaten schlugen in die Häuser ein und gingen durch die Lehmwände wie durch Käse, um oft in einem leeren Zimmer oder einem Hof, wo sonst die Kinder spielten, zu platzen. Am grauen Himmel entfaltete sich manchmal ein rosiger Schein. Das war ein Schrapnell, so nannten es die Offiziere. Viele Dinge gibt es, die im Kriege verwendet werden und alle töten, wenn ihre Stunde da ist. Nur war es so schwer zu verstehen, daß der Krieg nach Carabanchel gekommen ist.

      Alle Leute redeten davon, daß die Moros kommen würden, aber niemand hatte es wirklich glauben können. »Sie kommen nicht bis hierher, Madrid ist doch vor den Toren, und nach Madrid kommen sie nicht, das gibt es nicht.« Aber dann kamen Tag und Nacht die Karren aus den Dörfern, aus immer näheren Dörfern, und mit Menschen, die man kannte, mit Frauen, von denen man wußte, sie würden niemals ihr Haus und ihre Habe im Stich gelassen haben, wenn es nicht um das nackte Leben gegangen wäre. Und diese Frauen sagten, daß alles wahr wäre und daß die Moros kämen. Concha sah sich die Karren aufmerksam an und überlegte sich eine genaue Liste der Dinge, die mitzunehmen waren. Dann erst erklärte sie Schwester Pilar die Notwendigkeit der Flucht; sie wollte ihre eigene Ruhe nicht vor der Zeit durch das Weinen und Jammern der Schwester zerstören lassen.

      Das Wichtigste waren warme Sachen, Decken und Pölster, ein paar Pfannen, ein Spirituskocher, Sachen für die Kinder. Der Novemberfrost begann schon unter die Haut zu kriechen. Keine schönen Kleider, keine Spiegel, keine Deckchen, selbst nicht die gestickten. Die Pilar verstand noch immer nicht, daß Krieg war und daß man da seine Sachen verliert, wenn man schon nicht das Leben verliert. Ach, sie selbst verstand es kaum besser.

      Aber da war der Lärm schlimmer geworden, es war ein vielfältiger, bösartiger, unbekannter Lärm. Viele Milicianos kamen durch, die vor dem Feind davonliefen und sagten, daß er alle Waffen habe und wir keine, gar keine; und andere Milicianos kamen durch Carabanchel, die dem Feind entgegengingen. Dann erklärten die Männer, die in den Komitees saßen, und die Offiziere, die im Dorf das Anlegen der Verteidigungsgräben überwachten, daß alle Frauen und Kinder weg müßten. Denn hier würde Krieg sein. Krieg im kleinen, weißen Haus, man kann es sich nie und nimmer vorstellen. Es hat keinen Sinn, es ist dumm. Was geschieht in Carabanchel und warum?

      Aber damals, vor zehn Tagen – vor zehn Tagen, nicht mehr und nicht weniger –, da hatte sie, Concha, alles fertiggemacht und es war schnell und glatt gegangen, obwohl Pilar gerade nur dazu zu gebrauchen war, auf ihre Kinder aufzupassen. Und dann trottete man neben dem Esel – arre, burro! – auf der Straße und hatte vor sich Hunderte von Karren und viele Hunderte von Menschen mit ihrem Bettzeug, ihren Kindern, ihren Hunden, alle die Straße nach Madrid abwärtstrottend. Wie Vieh.

      Der Esel und der Karren sind in der Herberge; dort werden sie bestimmt verlorengehen, es sind so viele Leute und so viele Karren dort. Die Nachbarn sind bei ihren Verwandten hier in der Stadt. Und man sitzt in einer Sackgasse, im Keller des großen Hauses und starrt die schmutzige Wand an.

      Sie lassen hier unten die ganze Nacht das elektrische Licht brennen. Das muß sehr viel Geld kosten, aber es ist notwendig, sonst würde alles Schreckliche geschehen, alles. Man hört hier keinen Lärm von draußen. Das ist ein Glück. Da war nun eben Fliegeralarm und die Feinde haben eine Bombe geworfen. Es ist schwer, sich eine Bombe vorzustellen. Sie kann nur ein kleines Ding sein, denn man nimmt sie im Flugzeug mit. Aber sie kann alles zerstören. Die Telefónica nicht, die ist zu hoch. Aber sonst beinahe alles. Es gibt dabei eine Explosion, die hundertmal stärker ist als bei einem Feuerwerk. Die Bombe von heute abend ist in Vallecas niedergefallen, nicht in Carabanchel.

      In Ober-Carabanchel und in Nieder-Carabanchel sind jetzt die Moros, deshalb werfen die Feinde dort keine Bomben mehr. In Vallecas sind nur arme Leute. Die Moros sind nicht hingekommen. Die Leute aus Vallecas sind noch in ihren Häusern. Aber die Feinde werfen Bomben auf sie und es gibt viel unschuldiges Blut. Unschuldiges Blut, das klingt wie in den Geschichten von den frommen Märtyrern. Wenn man an die noch glauben könnte …

      Die Flieger heißen Junkers, dann sind sie Deutsche, oder Capronis, dann sind sie Italiener – und alle sind Faschisten. Und sie machen den Krieg zusammen mit den Generalen. So ist das. Eine Frau kann da nicht viel anderes tun als warten und nicht zu viel Lärm machen, denn jetzt sind andere Dinge wichtig. Aber man muß sich selbst immer wieder erklären, was geschehen ist, sonst versteht man nicht mehr, wer man ist und wo man ist.

      Aber so ist Concha Martínez. Man hat seit jeher von ihr gesagt, daß sie nie Ruhe gibt und alles wissen will. Sie hat sogar den Comandante gefragt, warum Alarm war, als er hier im Korridor stand und nicht zuhörte, was seine Frau zu erzählen hatte. Concha kann auch nicht zuhören, wenn Pilar wieder einmal davon zu reden anfängt, daß sie nur Kindersachen mitgenommen und gar nicht an sich gedacht hat. In dieser Nische sind eigentlich nur sie beide und die Frau des Comandante. Aber Pilar hat vier Kinder, die Doña Pepa zwei, das macht sechs, und alle unter zehn Jahren – wie ein Schwarm von Heuschrecken. Die beiden Familien haben es ganz gut, sie verfügen über viele warme Sachen und sogar über Bargeld. Das kann man freilich derzeit kaum ausgeben. Jedenfalls, man kann bei ihnen nicht von Elend reden. Um die Ecke, den Gang entlang, sitzt das Elend. Aber diese Frauen sind so müde und zerschlagen, daß sie nicht viel sprechen. Sie haben sich während des Alarms gar nicht gerührt.

      Pilar und die Doña Pepa – wie dumm, daß sie sich so anreden läßt – haben lauter Männergeschichten im Kopf. Sie sprechen die ganze Zeit von ihren Gatten, was der eine wohl bei der Intendanz in Guadalajara treiben mag, wo es so viele unverschämte Mädchen gibt, und was der andere da oben im achten Stock anstellt. Concha ist Witwe, sie besitzt niemanden, um den sie Angst oder Eifersucht haben muß. Wenigstens hat sie den Kopf frei, sich der Kinder anzunehmen. Eigentlich sollte man sich um alle Kinder hier unten kümmern. Es gibt viele, die verlaust sind. Es gibt viele, die Angst haben und nicht spielen wollen. Und es gibt so viele Brustkinder ohne Windeln, daß die Luft sauer riecht. Gleich die Familie nebenan – die aus Ober-Carabanchel mit dem niedlichen und frechen kleinen Ding, der Carmencita, die allen Soldaten und sogar allen Beamten mit der Frage ins Gesicht schaut, wozu sie ihr nützlich sein könnten –, diese Familie hat keine Windeln für das Kleinste und es stinkt bis hierher in die Nische.

      »Doña СКАЧАТЬ