Telefónica. Ilsa Barea-Kulcsar
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Название: Telefónica

Автор: Ilsa Barea-Kulcsar

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783990650219

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СКАЧАТЬ Schule von Getafe gefallen war. Dem Mann war ganz schlecht, und er hatte nur immer wieder gesagt: »Diese Mörder, diese Mörder, und das wollen Menschen sein?«

      Die Kinder sollen so etwas nicht sehen müssen. Sie dürfen nicht in dieser Gefahr bleiben. Eigentlich sollten sie gar nicht wissen müssen, daß es so etwas gibt.

      Gerade deshalb will Concha nicht zu viel von Gefahr und Tod reden: der Tod kommt, wenn er kommen soll, aber das Leben des Kindes soll nicht im Schatten der Angst stehen. Sie sagt daher etwas Tröstliches zu Lolita: »Vielleicht geht dein Vater mit euch nach Valencia, wo das Leben ruhig ist.«

      Sie fühlt bei ihren Worten eine innere Abwehr. Mit Männern ist das anders, sie gehören nach Madrid auf ihren Posten. Vielleicht auch die Frauen, die sich irgendwie nützlich machen können, die den Männern eine Hilfe sind und keine Last. Die kleine Lolita da, wenn sie erwachsen wäre, die könnte man sicher gut brauchen.

      »Willst du, daß dein Vater mit euch geht?« fragt Concha.

      »Nein. Weißt du, der Papa hat mir erklärt, daß sie ihn hier brauchen, damit die Moros nicht nach Madrid hereinkommen. Und er hat Tag und Nacht Arbeit. Ich finde, daß er hier bleiben muß«, sagt das Kind.

       VI.

      Nach Mitternacht war der mondlose Himmel dicht von schwarzen Wolkenfetzen verhangen. Das bedeutete eine relative Sicherheit – nein, eine relative Wahrscheinlichkeit der Sicherheit – vor Fliegerangriffen. Auch die Artillerie des Feindes schwieg. Aber durch die Gran Vía fuhren Motorräder und schwere Lastwagen in Richtung Front. Die Front lag etwas mehr als einen Kilometer straßenabwärts. Um halb ein Uhr nachts grollten in rascher Folge die Explosionen von fünf Wurfminen. Man konnte nicht unterscheiden, ob sie in den eigenen oder den feindlichen Stellungen fielen. Dann ratterten eine Viertelstunde lang Maschinengewehre. Und dann fielen nur noch vereinzelte Gewehrschüsse in die Stille.

      Es war sehr still in Madrid. Es war still in der Telefónica. Es war still in der großen Straße.

      Der Wachtposten an der Kreuzung schrie lauter und schärfer als vorher sein Halt, so oft ihm ein Fußgänger oder ein Auto die Möglichkeit dazu gab. Dann hallten die Diskussionen über die Legitimationspapiere weithin durch die leere Straße. Kam ein Auto, so hörte man es kilometerweit. Man hörte ein leises Summen, ein Surren, ein Rattern. Man hörte einen Motor, der auch der eines Flugzeuges sein konnte, und folgte mit dem Ohr angespannt dem Anschwellen des Tones, bis man ein vertrautes Geräusch des Fahrzeuges herausfand und die Nerven wieder erschlaffen konnten.

      Die Posten der Telefónica langweilten sich. Der eine drückte sich an die Mauer, Kopf, Schultern und Karabiner in die gestreifte Wolldecke gehüllt, der andere stellte sich an die Innenseite der Tür, so daß er gelegentlich ein Wort mit dem Kameraden vom Hausdienst tauschen konnte. Die Haupttür war verschlossen, ihre zerschossenen Scheiben mit Decken verhangen. Die frostige marmorne Vorhalle war ganz schwach erhellt, es durfte kein Lichtschein auf die Straße fallen. Die Kontrolle der kleinen Seitentüren war nicht schwierig; um diese Zeit kamen und gingen nur noch diejenigen, die etwas mit den verschiedenen militärischen Stellen im Haus zu tun hatten, und die von der Presse. Die Flüchtlinge in den Kellern schliefen oder waren wenigstens ruhig. Die Telephonistinnen hatten um zwei Uhr Schichtwechsel, aber alle Mädchen vom Nachtdienst schliefen im Haus. Inzwischen lagen die Korridore und die Stiegen der dreizehn Stockwerke verlassen. Aber eben deshalb war die Kontrolle der fremden Besucher wichtig, vor allem die der Ausländer. Wie kann man wissen, wer von den ausländischen Zeitungsleuten ehrlich ist und wer ein Spion?

      Den Fahrstuhldienst versah nachts der Einarm. Die Mädchen vom Tagdienst taten nie, was er tat: bei jedem Fremden aufpassen, ob er auch tatsächlich in den Raum ging, den er als sein Ziel angegeben hatte. Die Mädchen entschuldigten sich damit, daß sie zu tun hätten; aber in Wahrheit interessierten sie sich nur für ihr Strickzeug und für die Komplimente ihrer Fahrgäste. Und wenn ihnen ein Engländer oder ein Amerikaner irgendeinen Blödsinn sagte, waren sie schon von ihm begeistert. Der Einarm war überzeugt, daß Frauen für ernste Arbeit nicht taugen. Höchstens kann man es einer Frau überlassen, sich mit anderen ihresgleichen herumzustreiten, wie man das auch in der Gewerkschaft tat. Aber die Kontrolle der Ausländer – wenn man schon ihre Sprache nicht versteht, so muß man wenigstens einen gewissen Blick für sie haben. Die von der Zensur waren Hohlköpfe; nun hatte man ihnen auch noch von Valencia eine ausländische Frau geschickt. Gerade wo es nun in Madrid so ernst stand. Das konnte eine schöne Geschichte werden. Das alles setzte er langsam und ernst, jeden Satz wiederholend, dem Moreno auseinander.

      Moreno vom Hauskomitee erklärte, ganz der Ansicht des Einarm zu sein. Er sprach rasch und viel, abwechselnd in künstlich geschraubter Sprache und in übermäßig derben Flüchen. Was ihn anlangte, meinte er, so langweilte er sich, wenn die Liftmädchen nicht da waren und er ihnen nicht der Reih um Komplimente oder Bosheiten über ihre täglich wachsende Koketterie sagen konnte. Aber auch er ließ als Mitarbeiterin höchstens Lucrecia gelten – die Vertreterin der Telephonistinnen im Arbeiterrat der Telefónica und in der Leitung der Gewerkschaft. Sie war eine alte Anarchistin; sie war so häßlich, daß sie auf der Welt nichts anderes als die Organisation hatte, und sie war schlau. Aber sonst waren Frauen im Dienst wie Dynamit in der Küche. Moreno nahm sich vor, der Neuen in der Zensur auf die Finger zu schauen, und der Einarm sollte ihm dabei helfen. Mit wem geht sie in der Nacht fort? Interessiert sie sich für Angelegenheiten der Telefónica außerhalb der Zensur? Mit welchem Journalisten steckt sie am meisten zusammen, mit wem spricht sie im Korridor und auf der Treppe? Und warum ist sie eigentlich in Madrid? Die Regierung in Valencia ist zu allen Dummheiten imstande, setzte Moreno auseinander, man weiß ja, daß die Leute dort kein Herz für Madrid haben. Die feigen Buben, die am 6. November davongelaufen sind, wollen die echten Männer, die hier blieben, vom Platz verdrängen und dann einen schäbigen Frieden machen. Und so schicken sie nun auch ein ausländisches Mannweib her, von dem man nicht wissen kann, ob sie Freund oder Feind ist.

      »Ein Mannweib ist sie nicht«, meinte plötzlich der Soldat in der Türecke. »Ich hab’ sie mir angesehen, wie sie hereingekommen ist. Man sieht ihr auf hundert Meter die Ausländerin an – sie hat Kleider wie Säcke und geht wie ein Mann –, aber sie ist als Weib nicht so übel.«

      »Darauf kommt es jetzt gar nicht an«, sagte Moreno, und er versuchte das Unmögliche: sein breites Bulldoggengesicht die kalte Schärfe ausdrücken zu lassen, mit der Pedro Solano im Komitee jeden dummen Zwischenrufer mundtot machen konnte, ohne ein Wort auszusprechen. Moreno hatte die Funktion, jeden zu kontrollieren, der das Gebäude betrat und den er als nicht zum Hause gehörig ansah; er fragte die Leute aus, wohin sie wollten, gegebenenfalls die Legitimationspapiere überprüfend, nahm Revolver und Pistolen ab und fuhr manchmal, wenn er besonders mißtrauisch wurde, mit dem Fremden in den betreffenden Stock hinauf, um ihn an Ort und Stelle einer Vertrauensperson zur näheren Ausforschung zu übergeben. Moreno trug eine saubere Uniform, die Kappe sehr schief in die Stirn gesetzt, ein mächtiges, schwarzrotes Seidentuch um den Hals geschlungen, große Abzeichen der Telephongewerkschaft CNT und der FAI auf Kappe und Brust. Er war Garagenmeister der Telephonautos gewesen. Um den Dienst in der Türkontrolle hatte er gebeten, weil er auch den entschlossensten Kameraden aus der Beamtengruppe mißtraute, sobald es um Fragen der Behandlung von ausländischen Herrschaften ging. Und außerdem, weil er beweisen wollte, daß seine frühere Interesselosigkeit an politischen Fragen nicht auf Lauheit der Überzeugung zurückgegangen war.

      »Es kommt nicht darauf an«, sagte er nun, »aber die Weltpolitik, Mensch, die Weltpolitik, das ist eine böse Sache. Da sind die Amerikaner mit ihrem Geld und die Deutschen mit ihren Kanonen und die Italiener mit ihrem Papst. Und wir haben noch immer im neunten Stock die Herren Amerikaner von der Direktion sitzen. Auch wenn sie nichts mehr außerhalb ihrer Büros dreinreden können, machen die Journalisten ihnen oben Besuche. Und wer weiß, was sie sich gegenseitig erzählen. Und die Journalisten wohnen in den ausländischen Botschaften. Das ist ein feines Spiel, man muß es nur verstehen. СКАЧАТЬ