Telefónica. Ilsa Barea-Kulcsar
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Название: Telefónica

Автор: Ilsa Barea-Kulcsar

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783990650219

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СКАЧАТЬ achten Stock schlug um acht Uhr abends eine Granate ein. Sie war nicht der Rede wert; eine 7,5-Zentimeter. Sie traf das Fenstersims in der Vorderfont und explodierte dort. Zement- und Holzsplitter flogen ins Zimmer, zugleich mit der zerbrochenen Fensterscheibe, zugleich mit den Sprengstücken, von denen sich einige in die gegenüberliegende Wand bohrten, andere in die dicken Eichenschränke drangen, viele ohne Durchschlagskraft auf den Boden fielen. Das Zimmer war einer der unzähligen, nun unbenützten Verwaltungsräume, die jetzt leer standen; also an sich eine uninteressante Granate.

      Der Vertrauensmann des Stockwerkes besichtigte den Schaden. Er stellte zwei nicht unwichtige Details fest, die ihm erlaubten, eine Änderung des Schußwinkels der Batterie oder die Aufstellung einer neuen Batterie anzunehmen. »Das ist die linke Seite des Fensterrahmens«, sagte er zu seiner Ordonnanz, »sie haben die Richtung geändert. Aber was fällt ihnen ein, jetzt so spät eine einzelne Granate abzuschießen. Besser, ich melde es dem Comandante.«

      Manuel García war erst seit wenigen Tagen Responsable, Verantwortlicher. Er gehört zu den Vorarbeitern der Reparaturkolonne. Aber sie hatten seit dem 6. November keinen Außendienst gemacht. Das wenige Material, das in Madrid vorhanden war, wurde von den militärischen Linien und den neuerrichteten Telephonzentralen der Kriegsbehörden aufgebraucht. Manuels Gruppe von Elektrikern und Mechanikern, die den Reparaturdienst am Telephonnetz der Hauptstadt selbst zu versehen hatte, wartete vergebens auf eine Materialzusendung. Derzeit war es immerhin noch möglich, diesen Dienst durch Kunststücke der Linienkombination und Umschaltung zu ersetzen. Aber lange ging das nicht mehr so weiter. Manuel fühlte sich überdies nicht sehr geeignet für den Dienst in der Telefónica, er war an freie Luft und die Arbeitsgemeinschaft der Gruppe gewöhnt. Aber die Freie Gewerkschaft – die UGT – hatte ihn zum Diensthabenden im achten Stock bestimmt, weil dort die Militärkanzlei und die Kommandantur lag und man da keinen Anarchisten haben wollte. Gute Kerle, meinte Manuel selbst, aber man weiß nie, was sie anstellen.

      Eben hatte er die Arbeit vor sich, den ganzen Stock zu überprüfen, nach Menschen und nach Dingen. Dann würde er zu Sánchez gehen. Comandante Sánchez war etwas schwierig zu verstehen; verschlossen und abseitsstehend, dabei ein alter Gewerkschafter. Ein tüchtiger Mensch und nicht feig – er hätte, wie so viele, am 7. November nach Valencia abhauen können und war aus freien Stücken in Madrid geblieben –, aber ihm fehlte die normale Freundlichkeit. Er war immer so angespannt. Manuel nahm an, daß Sánchez unvermeidlich in schlimme Konflikte mit Pedro Solano aus dem Arbeiterrat geraten würde; Pedro hielt den Kommandanten für ein unverläßliches Element, weil er in seinem Zivilberuf vor dem Bürgerkrieg als Abteilungsleiter und Ingenieur einer Fabrik zum Dienerkreis der Kapitalisten gehört habe.

      Manuel war anderer Meinung, aber er wollte erst dann ein endgültiges Urteil abgeben, wenn er den Mann besser kennengelernt hätte. Vielleicht würde er auch mit ihm über die internationale Lage sprechen können. Sánchez wußte davon mehr als die meisten anderen, und Manuel war gequält von dem Gedanken an das Versagen der internationalen Arbeitersolidarität und der Demokratien. »Das darf doch nicht sein«, sagte er wieder einmal laut vor sich hin und begann zwischen den Sprengstücken nach dem Zünder zu suchen, der die Herkunft des Geschosses am deutlichsten verraten würde. Der Zünder war irgendwo anders hingeflogen, vielleicht auf die Straße. Aber da war ein Sprengstück mit undeutlicher Fabrikmarke. Sicherlich deutsch, was denn – aber der Comandante würde das wissen, der war ein alter Artillerist.

      Manuel ging in den kleinen Raum, der ihm den Luxus eines Privatschlafzimmers in der Telefónica vortäuschte, und fuhr sich mit dem Kamm durch die widerspenstigen, sehr schwarzen Haare. In der einen Schicht seines Denkens formulierte er seinen Rapport an den Kommandanten, darunter aber rechnete er nach, ob der neue Schußwinkel der Batterie sein eigenes Fenster in neue Gefahr brächte. Nein, ebensowenig wie die Kommandantur. Aber man wußte es ja nie. Er sah in den Spiegel, denn er hielt viel auf seine äußere Wirkung: sehr dicke schwarze Augenbrauen, erstaunlich hellbraune, fröhliche Augen, kräftige, gerade Nase, ein breiter, fester Mund, sehr braune Haut, ein zu gerundetes fleischiges Kinn. Sein dunkelblaues Hemd ließ ihn noch schwärzer erscheinen. Er gefiel sich und erinnerte sich unklar an die Komplimente der kleinen Blonden – Wasserstoff-Blondine! –, die so lustig war und sich im Haus zu einer Art Kollektiveinrichtung entwickelte. Er dachte wirklich das Wort »Kollektiveinrichtung« und vermied das Wort Puta, Hure, das sonst so rasch zur Hand war; denn jenes kleine, lustige Mädchen war einfach toll vor Angst, ihr junges Leben nicht mehr ausnützen zu können.

      Ein nettes Mädchen, aber nichts für Manolo. Ob heute Nacht ein Bombardement kommt? Der späte Nachmittag war merkwürdig gewesen, nichts los und doch immer Unruhe und Schießen. Man spürt so etwas in den Knochen. Na, er würde zu Sánchez gehen und erst dann essen, aber nicht in das Kollektivrestaurant, dazu war es schon zu spät.

      Als Manuel in die Kommandantur trat, hielt ihn die Ordonnanz auf. Diese Ordonnanz war ein alter Arbeiter, der sich niemals soldatisch benehmen wollte, aber dabei von einem großen Stolz auf die Funktion »seines« Büros, seines Obersten, seines Comandante und seiner eigenen Person erfüllt war.

      Er nahm Manuel am Arm und erklärt ihm eifrig: »Der Genosse Agustín ist jetzt gerade im Souterrain, der Architekt will ein paar Holzwände für Waschräume einziehen lassen, für die Flüchtlinge unten. Wir wissen ja nicht, wann man sie evakuieren kann. Aber bleib nur hier und warte, er wird gleich wieder heraufkommen.«

      Manuel kannte den alten Pepe und dessen Art. Er wusste alles und mußte immer alles erzählen, was er wußte. Nur wenn man ihm Verschwiegenheit auferlegte, hielt er sich mit einer unbedingten Verläßlichkeit daran. Müßig fragte Manuel den Alten, der Einladung eines pfiffigen Zwinkerns folgend: »Warum glaubst du, daß Sánchez gleich kommt? Die Inspektion unten wird lange dauern und ich könnte inzwischen essen gehen.«

      »Ja, Manolo, das ist so: Der Agustín hat doch jetzt unten seine Frau, die Pepa, mit den beiden Kindern. Die ist ein Maschinengewehr; es ist kein Wunder, wenn er ihr davonrennt. Ich kenne sie gut. Eine Zeitlang ist sie jeden Tag hier heraufgekommen und hat ihm Szenen gemacht, weil er nicht genug Geld gibt für Sofapolster und so Zeug, und weil er mit der Paquita geht. Sie hat mich sogar ausgefragt, ob er hier in der Telefónica mit der Paquita schläft; aber bis jetzt hat er es nicht getan – eigentlich eine Dummheit von ihm –, und das hab’ ich der Pepa auch gesagt. Die Pepa war einmal ein hübsches, feines Mädel, aber jetzt hat sie ein Essiggesicht. Komisch, Verschwenderinnen haben meistens ein anderes Gesicht, man würde die Pepa für geizig halten, wenn man nicht wüßte, wie sie ist. Und sie ist strohdumm. Nein, du kannst dich darauf verlassen, der Agustín kommt gleich wieder herauf, er will nichts von Weibern wissen. Gerade vorhin hat er die Paquita hinausgeschmissen. Aber die wird schon wiederkommen, die ist zäh und weiß, daß so einer wie der Agustín nicht überall zu finden ist. Weißt du, daß Miaja ihn mit du anredet?«

      »Der General redet fast alle Leute mit du an, wenn er sie nämlich gut leiden kann. Und du bist selbst ein Maschinengewehr, Pepe, das geht bei dir taka-taka-tak. Bei mir bliebest du nicht Ordonnanz, das sag’ ich dir, ich mag es nicht, wenn man mir meine Bettgeschichten nachrechnet.«

      »Teufel, Manolo, du bist grob und du kannst mich auch. Junge, du weißt ja, daß ich über den Agustín nicht mit jedem rede, sondern nur mit denen, die zu ihm halten. Und wenn du nicht zu ihm hältst, schlag’ ich dir die Zähne ein. Und außerdem ist ein Mann ein Mann und das ist keine Schande. Und …«

      »Und ich habe andere Sorgen als deinen Agustín. Laß mich ins Büro, ich will ein paar Worte aufschreiben. Wenn ich dir zuhöre – übrigens, das mit dem Zähne einschlagen geht nicht so einfach bei mir, schau sie dir nur an, die beißen! Also, wenn ich dir zuhöre, vergesse ich meinen Bericht.«

      Es war im Grunde gegen die Dienstordnung, aber Manuel war der Responsable des Stockwerkes, also durfte er auch in Abwesenheit des Chefs dessen Zimmer betreten. Er setzte sich zwar nicht auf den geschnitzten Sessel, aber das geschah zum Teil, weil die Lederfauteuils viel bequemer waren. So haben sich die Amerikaner eingerichtet, СКАЧАТЬ