Название: Telefónica
Автор: Ilsa Barea-Kulcsar
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783990650219
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»Danke, Genosse. Aber man müßte die Fabrikmarke und womöglich die Herstellungsnummer genau angeben, photographieren lassen, wenn es geht. Sehen Sie, man muß die Zeitungsleute mit echten Nachrichten füttern.« Sie sprach eifrig, ihr ganzes Gesicht war in Bewegung.
Spürt sie nicht, daß es eine Schande für alle Deutschen ist, was da geschieht, oder findet sie, daß sie nicht zu ihnen gehört? fragte er sich. Ihm war sie so neu wie er ihr. Merkwürdiger Typ, dachten sie beide fast zu gleicher Zeit. Aber als eben Johnson eintrat, tat ihnen die Unterbrechung leid.
Dieser sandhaarige Engländer war ein Freund der Frau, stellte Agustín sofort fest. Sie erklärte ihm die Nachricht, die sie soeben empfangen hatte, und war offenbar erfreut, den Mann zu sehen. Der Engländer begann in sie hineinzusprechen, eindringlich, besorgt, wahrscheinlich wollte er sie in den Keller schicken. Agustín wurde ärgerlich, daß er nicht Englisch verstand. Er wies die naheliegende Annahme, die alle seine Landsleute geglaubt hätten, nämlich, daß dies hier ein Verhältnis sei, zurück. Aber Freundschaft – wenn es Freundschaft zwischen Mann und Frau gab, was er nicht glaubte. Er, Agustín, kannte Männer und Frauen, er hielt den Engländer für schüchtern in die Deutsche verliebt, sie aber nicht in ihn. Er beugte sich über sie, sie hielt sich mit einem freundlichen Lächeln zurück. Agustín beobachtete, wie sich ihr Mund dabei veränderte; in seinen Winkeln bildete sich ein kleines Fragezeichen. Ihm gefiel der Mund, er dachte, es müßte angenehm sein, ihn zu küssen. Nur das, nicht mehr.
Als Johnson gegangen war, zögernd und unzufrieden, Anita in dieser dunklen Unsicherheit der Telefónica in einem merkwürdigen Dienst zurückzulassen, erhob sich Agustín. Er war länger geblieben, als er beabsichtigt hatte, und immer noch hätte er gern weiter mit ihr gesprochen. Anita erklärte ihm, wer Johnson war – die wichtige gemäßigte englische Zeitung, die ihn hergeschickt hatte –, und sagte noch: »Er ist ein feiner Kerl, ich kenne ihn, seitdem er einmal mit meinem Mann in einem internationalen Nachrichtenbüro gearbeitet hat.«
Sie war also verheiratet. Aber wo war der Mann? Sie sah nicht verheiratet aus, aber auch nicht wie eine unbefriedigte Frau. Hoffentlich suchte sie keine Kriegsabenteuer, mit diesem Mund da. Das hätte ihm eben noch gefehlt. Er mußte jedenfalls einiges klarstellen:
»Hören Sie, ich habe jetzt keine Zeit mehr. Ich werde Ihnen später erklären, was die Militärbehörden vom Zensurdienst verlangen. Sie werden mit mir und mit dem Kriegskommissariat arbeiten müssen. In Angelegenheiten, die das Gebäude und den Telephondienst betreffen, bin ich die Stelle, an die Sie sich wenden müssen. Außerdem – es ist für einen Ausländer unmöglich, die spanische Psychologie zu verstehen, und da es unser Krieg ist, sollten Sie das nie vergessen. Sie können hier nicht nach Ihrem Standard entscheiden. Vermeiden Sie die üblichen Fehler der Ausländer, Sie sind klug genug dazu. Wo schlafen Sie?«
»Im Hotel Gran Vía«, sagte sie beinahe schüchtern und sah ihn unsicher an. Er hatte ihr die Leviten mit klarer Freundlichkeit gelesen, ohne die verletzende Schärfe der ersten Viertelstunde. Er hatte sie ihre Grenzen so deutlich erkennen lassen, daß sie sich plötzlich ihres Alleinseins und Fremdseins erschreckend klar wurde.
»Also, damit ich Ihnen die militärischen Zensurvorschriften erklären kann, kommen Sie zu mir in den achten Stock, bevor Sie ins Hotel hinübergehen. Ich werde Ihnen für den Rückweg meine Ordonnanz mitgeben und Ihnen die letzten Nachrichten mitteilen, damit Sie Ihren Freunden, den Journalisten, rasch noch einen Gefallen tun können, wenn etwas los ist, was man weitergeben will. Haben Sie Angst?« fragte Agustín, sich selbst unterbrechend.
»Ja«, antwortete sie, »gewiß, aber nicht zu sehr. Man ist nicht so wichtig, wie man früher dachte. Jedenfalls danke ich Ihnen für die Ordonnanz, ich werde um zwei Uhr bei Ihnen sein. Ich, wissen Sie, kenne hier nichts und niemand.«
Sie streckte die Hand hin und Agustín verstand die Bewegung gut; es war etwas Persönlicheres als die konventionelle Geste. Dieser Händedruck schuf eine Insel des Kontakts.
»Gute Nacht, Genossin, ich glaube nicht, daß die Junkers heute nacht zurückkommen. Auf Wiedersehen.«
Er tastete sich eben durch den Gang, als die wenigen blau verhüllten Lampen aufflammten und die ersten Leute das Treppenhaus und die Fahrstühle verließen. Der Alarm war zu Ende.
IV.
Bevan legte der Zensur den Text seines Abendberichtes vor:
»Nach einem Tag der Ruhe an der Front begann die nationalistische Artillerie in den Abendstunden das Zentrum der Hauptstadt zu beschießen, ohne jedoch nennenswerten Schaden anzurichten. Die Mehrzahl der Geschosse waren Schrapnelle und 7,5 cm-Granaten. (»Wieviel Inches sind das? Na, das sollen sie sich in London für die englische Ausgabe ausrechnen!«) Eine der letzteren traf die Telephonzentrale. Um 8.55 Uhr wurde das Herannahen von vier Bombenfliegern und sechs Jagdflugzeugen gemeldet. Der Alarm wurde sofort gegeben und das Geschwader (»eigentlich ist das kein Geschwader, aber das Wort klingt so sachkundig …«) schwenkte ab, ohne eine Bombe abzuwerfen. Nach zehn Minuten versuchten die nationalistischen Flieger, ihr Ziel von einer anderen Richtung her zu erreichen; sie warfen im Vorort Vallecas zwei Bomben ab, von denen jedoch nur eine explodierte, die von den Fachleuten auf hundert Kilogramm geschätzt wird. An Opfern werden offiziell sieben Tote, sechzehn Verwundete gemeldet. Ihr Reporter konnte vor Ort feststellen, daß infolge der Schwere der Verletzungen die Zahl der Todesopfer binnen kurzem steigen dürfte. Obwohl die Bombe in der Mitte einer Straße explodierte, sind die Fronten von acht Häusern schwer beschädigt, ein kleines Haus durch den Luftdruck und die Sprengstücke zertrümmert. Die nationalistischen Flieger versuchten, gegen das Stadtzentrum vorzudringen, gaben aber ihre Absicht auf, als die republikanischen Jagdflugzeuge in Aktion traten, und zogen sich in Richtung Talavera zurück.«
»Wissen Sie«, sagte Bevan redselig zu Anita (er war eben aus der Miami-Bar gekommen, als der Alarm einsetzte und nachdem er sich die Schlachtbank dort in Vallecas angesehen hatte, waren noch zwei Whiskys in der Gran-Vía-Bar hinzugekommen), »ich sage in meinem Bericht nichts über die Flaks, sie sind aber eine Schweinerei. Na, Sie würden mir so was ja nicht durchlassen, und überhaupt interessiert sich unsere Agentur dafür nicht. Gut, daß die Flieger eine Sensation sind seit dem großen Bombardement am Sonntag. Das war scheußlich. Sie waren noch nicht hier, nicht wahr?«
»Ich war gestern unterwegs auf der Straße von Valencia nach Madrid.«
»Ja, also eigentlich hätte ich etwas über euren Rückzug in der Moncloa und Casa de Campo berichten sollen, aber das erlaubt ihr doch nicht, und es ist heute nicht so wichtig, wie es morgen sein wird.«
»Morgen und übermorgen wird noch was ganz anderes über den Rückzug zu melden sein; und dann werdet ihr auch etwas durchlassen müssen, trotz aller Zensur. Sie sind schon mit meinem Zeug da fertig?«
»Ja, geht in Ordnung.« Sie gab eine Kopie dem Journalisten und eine der Ordonnanz. Bevan stand neben dem Schreibtisch und hatte Lust, Konversation zu machen. Die Verbindung würde heute ohnehin nicht so schnell hergestellt werden, die Linien waren mit Staatsgesprächen verlegt. Und irgendetwas mit dem Draht nach Valencia war nicht ganz in Ordnung. Er wußte nur nicht recht, wie er ein Gespräch mit der Zensurfrau da anfangen sollte.
Anita ihrerseits war zurückhaltender, als sonst ihre Art war. Sie kannte den Mann nicht, hatte auch nichts über ihn gehört. Er war Amerikaner, aber sah ungefähr so aus wie die jungen, törichten und dabei unerwartet tüchtigen Helden der Wodehouse-Romane. Wahrscheinlich war er nicht ungeschickt, seine Nachrichtenagentur – der P. S., zweitgrößte der amerikanischen Firmen – hätte ihn sonst nicht jetzt in Madrid verwendet. Sich nicht dazu verleiten СКАЧАТЬ