Telefónica. Ilsa Barea-Kulcsar
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Читать онлайн книгу Telefónica - Ilsa Barea-Kulcsar страница 17

Название: Telefónica

Автор: Ilsa Barea-Kulcsar

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783990650219

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СКАЧАТЬ reinen, klaren Farben der Landschaft sind so friedlich, daß es sie an der Kehle faßt. Über der Casa de Campo weiße Rauchwölkchen, die sich auflösen. Im Himmel darüber schwarze Punkte. Sie kann die Frontlinien sehen. Sie hört alles, fast ohne es aufzunehmen. Die Kanonen, die MGs, die Gewehre – wer greift an? André hält ihr den Feldstecher hin. Sie unterscheidet laufende Figuren, sie glaubt zu verstehen, daß die Unsrigen einen Gegenangriff machen und daß die feindliche Artillerie sie beschießt. Aber sie versteht es eigentlich nicht. Sie sieht Granaten in die Häuser der Stadt einschlagen, sie ärgert sich, daß sie noch immer nicht recht weiß, wie die Stadtteile heißen. André nimmt ihr den Feldstecher aus der Hand:

      »Dieses Gefecht ist nicht so wichtig. Aber sehen Sie nur die Artillerievorbereitung auf der ganzen Linie. Man spricht von einem Generalangriff. Sie wollen einen Durchbruch versuchen.« Nun ist er nur Reporter; er rennt ohne weitere Erklärung die Treppe hinab, biegt in den Gang zur Kommandantur ein. Anita folgt ihm wortlos, sie fühlt sich nicht recht am Platz. André wirft ihr den Satz zu: »Vielleicht sagt mir Sánchez etwas«, und sie spürt, daß sie dabei nichts zu suchen hat.

      »Ich warte im Pressezimmer auf Sie, André«, sagt sie und geht.

      Das Treppenhaus ist nicht mehr leer; Menschen hasten von einem Stockwerk ins andere und alle sehen Anita forschend an. Sie geht ins Pressezimmer zurück und setzt sich an die Schreibmaschine. Man muß irgend etwas tun. Sie muß einen Artikel schreiben. Mit der Briefpost wird er sicherlich verspätet ankommen – diese sozialistischen Zeitungen sind von einem lächerlichen Geiz am falschen Ort. Aber es wird doch ein Bericht aus Madrid sein, der nicht gefälscht ist. Doch wie schreiben, ohne zu fälschen? Sie hat viel und nichts gesehen. Sie mag keine brave Lesebuchgeschichte erfinden. Heldentum – dummes Wort, falsches Wort. Revolution – das stimmt nicht recht, das hier ist ein Verteidigungskrieg für die Möglichkeit einer Revolution.

      Ach, Gott, wenn ich nur weniger fix mit meinen Formulierungen wäre. Das ist zu billig. Ich kann nicht schreiben. Ich müßte meinen eigenen Artikel wegzensurieren. Diese Spanier erlauben nicht, daß man die Wahrheit schreibt. Wahrheit, was ist das – wir verstehen ja auch ihre Wahrheit nicht. Es ist schrecklich kalt hier. Und so unaufgeräumt. Es stinkt nach amerikanischem Tabak. Ich bleibe lieber auf dieser Seite des Zimmers; wenn da draußen ein Schrapnell platzt, muß ich mich ihm nicht gerade in den Weg stellen. Oder eine Granate hier im Saal. Ich habe nicht einmal reine Unterwäsche an.

      Sie starrt in den Himmel hinaus und ihre Gedanken sind so flüchtig oder so schwierig, daß sie sich nicht mehr zu ganzen Sätzen formen. Sie riecht den kalten Rauch und die Winterluft, sie sieht eine einzelne blaue Rauchsäule, sie hört manchmal ein Pfeifen und immer ein Surren – der Ventilator oder ein Flugzeug? – und sie hat Hunger. Aber dann sagt sie sich, daß sie doch nichts sehen könne, und daß es besser ist, ruhig zu bleiben.

      Der Nachtreporter der »Press Agency« – P.A. – tritt ins Zimmer, grüßt flüchtig und tippt auf seiner kleinen Portable zwanzig Zeilen über den faschistischen Angriff im Westpark: »… Die starke Artillerietätigkeit läßt weitere Angriffe in den nächsten Stunden erwarten.« André kommt noch immer nicht und sie ist ganz überflüssig.

      Zwei Aufräumefrauen treten ins Zimmer und beginnen die Papierfetzen aufzulesen. Die eine von ihnen ist nicht so übel, über vierzig, stark geschminkt, heitere schwarze Augen, schöne schwarze Zopfkrone. Die andere ist dick und alt, sie bewegt sich, als hätte sie geschwollene Glieder.

      Die Schwarze begrüßt Anita mit einem sehr lauten »Salud!« – man muß mit Ausländern so laut reden, sonst verstehen sie einen nicht –, und bekommt ein sorgfältiges »Buenos Días!« zur Antwort.

      »Sie können ja Spanisch, Señorita!«

      Sie zeigt spitze, weiße Zähne und beginnt sehr viel und laut zu erzählen, von der Kälte, von den Granaten, von der Lebensmittelknappheit. Anita versteht von zwanzig Worten eines.

      Aber sie sieht die Frau mit anteilnehmenden aufmerksamen Augen an und lächelt. Ein Trick, den sie schon in der Schule mit großem Erfolg gehandhabt hat: jeder, der diesen Gesichtsausdruck sieht, glaubt, daß sie alles versteht.

      »Sie sind eine Fremde«, sagt Carmen. »Sie kommen sicher von weit her. Wie mutig! Wir müssen ja hier sein, aber Sie – haben sie keinen Mann? Weißt du«, sagt sie rasch und leise zu ihrer Kollegin, »die hat vielleicht keinen Mann, und sicher ist sie unglücklich, die Arme, sie hat so traurige Augen … Ist Ihnen kalt? Man muß Karton vor die Fenster tun; und auf der einen Seite ist nicht einmal ein Vorhang, das darf nicht sein. Sie sprechen Spanisch? Spanisch?«

      Anita will etwas für die Autorität tun und erklärt, daß sie kein Spanisch, aber Französisch und Englisch und Deutsch und Italienisch spricht – diese Ausdrücke sind leicht, soweit reicht ihr Spanisch. Carmen versteht alles, sie bewegt bei jedem Wort Anitas die Lippen, als wolle sie ihr helfen.

      »Nein, so etwas, wie kann eine Frau so viele Sprachen sprechen? Das muß schwer sein, und Sie sind sicher schrecklich intelligent. Haben Sie Kinder? Kinder?«

      Sie beschreibt mit den Händen ein Brustkind, schaukelt es in den Armen. Anita schüttelt den Kopf, zeigt aber ihren Ehering vor und sagt:

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