Название: Telefónica
Автор: Ilsa Barea-Kulcsar
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783990650219
isbn:
»Señorita (ich werde einer Unbekannten da unten nicht Genossin sagen). Ich werde hinunterkommen und mit Ihnen reden. Sie sind im fünften Stock, nicht? Sie werden sich mir gegenüber ausweisen.«
Agustín hängte den Hörer auf und wandte sich zu Manuel, der vergebens versucht hatte, einzelne Worte zu verstehen: »Genosse García, bleib hier beim Telephon, und wenn etwas los ist, rufe mich in der Pressezensur im fünften Stock an. Da ist ein neues ausländisches Frauenzimmer. Ich muß sie mir näher anschauen. Die Sache paßt mir nicht.«
Drei schmale Wendeltreppen, totenschwarz, die der Strahl der Taschenlampe durchsticht, ein langer Korridor, Türen, Tappen an den Wänden, bis man den Lichtkegel richtig dirigiert hat, ein leeres Zimmer, kleine Taschenlampe, schattenhafte Frau, Scheinwerferlicht in ihr Gesicht: »Sie haben eben mit mir telephoniert, Señorita?«
Diese Frau hatte sehr helle Augen – grau wahrscheinlich –, deren Pupillen sich rasch verengten. Sie hatte harte Augenbrauen und einen blassen Mund – wenigstens nicht angestrichen –, der sehr gerade verlief. Sie war gar nicht hübsch. Um so besser.
»Hier sollten Sie niemand mit Señorita anreden, Comandante«, sagte die kühle, ruhige Stimme. »Und wollen Sie nicht einen Moment lang Ihre Lampe so halten, daß ich zur Abwechslung Ihr Gesicht examinieren kann?« Ihr herber Mund vertiefte und veränderte sich zu einem fröhlichen und kameradschaftlichen Lächeln, das einem knabenhaften Grinsen sehr nahekam. Die Lippen waren voll; dieser Mund war nicht hart. Agustín blickte interessiert darauf, denn es schien ihm ein Phänomen von Licht- und Schattenwirkung zu sein.
Aber er hielt die Lampe in einem anderen Winkel, so daß sie beide einander in einem schwachen Licht sichtbar wurden, und sagte ohne Gereiztheit: »Also gut, wer sind Sie eigentlich? Wissen Sie, daß bei Alarm der Keller sicherer ist?«
Sie setzte sich. Er sah, daß sie das war, was er viereckig nannte, stark muskulös, wahrscheinlich Sportlerin. Mitte der Dreißig, keine üble Figur, aber zu männlich für ihn, vor allem in Gesichtsausdruck und Benehmen. Er nahm neben ihr am papierüberladenen Tisch Platz. Sie sah die Schatten unter seinen Backenknochen und an seinen Schläfen, die langen Glieder, die dünnen Nasenflügel, die Müdigkeit. Sehr spanisch, überzüchtete Rasse, sehr nervös, wahrscheinlich sehr anständig und sehr empfindlich, alles im Extrem, taxierte sie ihn. Sie nahm sich vor, seine Mitarbeit zu gewinnen.
In diesem Augenblick kam Morton herein, der Korrespondent des »New York Telegraph«. Agustín kannte und mißachtete ihn, denn er hatte ihn oft in widerlichem Whiskyrausch in den Bars der Gran Vía gesehen; er hielt ihn für einen Faschisten und für einen unappetitlichen Fleischkoloß. Dem englischen Gespräch konnte Agustín nicht folgen, aber er sah, wie die Zensorin das Manuskript in einer, wie ihm schien, gewissenlos kurzen Zeit durchlas und billigte. Das mißfiel ihm, er fror innerlich wieder ein. Das Telephon klingelte: »Offenbar für Sie, Genosse Kommandant«, sagte die Frau und hielt ihm den Apparat hin. Manuel gab die Meldung, daß sich die Flieger entfernt hätten, aber daß noch eine Viertelstunde Alarmzustand eingehalten werden sollte; und daß die Bombe von vorhin in Vallecas gefallen war.
»Sind Sie Deutsche?« fragte Agustín die Frau, als der Journalist das Zimmer verlassen hatte.
»Ja.« Sie spürte die erneute Feindseligkeit.
»Wie heißen Sie? Zeigen Sie mir Ihre Legitimationen!«
»Ich heiße Anita Adam, und hier haben Sie meine Ausweise vom Außenministerium«, sagte sie mit einiger Schärfe. »Ich bin gestern Nacht aus Valencia gekommen und habe von nun an Nachtdienst in der Zensur.«
Die Papiere waren in Ordnung, aber das sagte ihm nicht viel. Hier war man in Madrid, nicht in Valencia. Das Ministerium war in vielen Dingen eine Domäne der alten Intriganten geblieben. Die Pressezensur war ein Departement des Außenministeriums. Aber in Madrid war Kriegszustand, die Verantwortung hatten die militärischen Autoritäten und hier in der Telefónica derzeit er selbst. Der brave, alte Hilario Gomá, der Vorstand der Zensur, bot ihm keine genügende Garantie für die Überwachung der Arbeit dieser Deutschen. Man sah, daß sie intelligent und energisch war. Warum war sie in Spanien?
Er fragte das so, wie er es dachte: »Was suchen Sie hier in Madrid?«
Anita verstand sein Mißtrauen nicht. Sie war bisher nur der spontanen Herzlichkeit ihrer Chauffeure und der überschwenglichen Höflichkeit der Ministerialbeamten gegenüber der ausländischen Journalistin begegnet und glaubte überdies in ihrem fanatischen Arbeitswillen und ihrer langen politischen Tätigkeit einen Freibrief für das republikanische Spanien zu besitzen. »Was ich suche? Ich verstehe Sie nicht gut, Comandante. Ich sehe nur, daß Sie meine Funktion hier in Frage stellen. Ich bin natürlich hier wie wir alle, als Sozialistin und Antifaschistin oder wie Sie es nennen wollen. Jedenfalls als Genossin, die hier helfen will.«
»Haben Sie draußen nichts zu tun gehabt?«
»O ja, Genosse, verzeihen Sie: wenn ich mich einmal entschließe, Sie nie mehr als Genosse anzureden, so wird das eine Bedeutung haben, die ich diesem Gespräch einstweilen noch nicht verleihen will. Also nenne ich Sie weiter Genosse. Ja, ich habe draußen Arbeit. Aber nichts ist jetzt so wichtig wie Spanien. Und ich bilde mir ein, hier nützliche Arbeit leisten zu können und zu müssen. Warum haben Sie diese Frage gestellt?«
Auf die Rückfrage war er nicht gefaßt gewesen. Er sah sie an – jetzt waren ihre Lippen wieder schmal und ihre Brauen zuckten. Sie mußte sehr zornig sein. Macht nichts, sie sollte nur merken, daß man ihrer ausländischen Autorität erst recht auf die Finger sah.
Unwillkürlich schaute er ihr tatsächlich auf die Finger. Sie hatte sehr weiche, kleine, weibliche Hände.
Agustín war so furchtbar übermüdet, daß er nicht merkte, wie lange er mit der Antwort zögerte und wie deutlich sein Blick zu verfolgen war. Anita sagte mit ihrer kältesten Stimme (sie zog bewußt dieses Register): »Sie wollen hier wohl keine Ausländerin und keine Frau sitzen haben. Leider kann ich einige Sprachen und kenne die ausländischen Presseverhältnisse, Kenntnisse, die hier fast ganz zu fehlen scheinen.« (Schweinerei, aber wahr, dachte er. Umso gefährlicher ist sie. Aber sein Mißtrauen kam ihm auf einmal übertrieben vor.) »Ich arbeite hier, wie meine Freunde in der Internationalen Kolonne kämpfen.«
Sie hätte das nicht sagen sollen, sie spürte es sofort. Er war Spanier, seine Reaktion war doch ganz logisch: aber sie tat weh. Sein Schweigen nach dem indirekten Vorwurf war peinlich. Ein unguter Anfang der Arbeit.
Inzwischen gingen ihm die Gedanken widerspruchsvoll durcheinander. Die Internationale Kolonne – Fremdenlegion. Nein, das nicht, es sind außer Abenteurern auch Revolutionäre dabei – und unsere Milizianer sind davongelaufen. Aber die deutschen Flieger und Granaten – die da ist eine ehrgeizige Abenteurerin – aber wenn sie doch ehrlich ist, hab ich ihr weh getan – sie antwortet gut – das Schlimme ist, daß wir keine gebildeten Spanier für diese Arbeit haben – sie hat vernünftige Augen, vielleicht kann man mit ihr reden. Die Funktion hat sie nun – die Konferenz mit Valencia ist gleich fällig – abschließen und hinaufgehen.
»Warum sind Sie allein hier heroben?« fragte er unvermutet in verändertem Tonfall. Er setzte sich dabei auf die Tischkante, was gewöhnlich ein Zeichen innerer Abrüstung ist.
Anita tastete dem neuen Stimmklang nach und kam zu dem Schluss, daß er sie wohl für mutig hielt. »Ich habe die Ordonnanz in den Keller geschickt, ich mußte hierbleiben. Ich finde, daß Bombardementsnachrichten von unserem Propagandastandpunkt aus sehr wichtig sind und man da der Presse alle Unterstützung geben muß.« Auch sie veränderte ihre Stimme, СКАЧАТЬ