Название: Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien
Автор: Alexander von Ungern-Sternberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027237890
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Der lustige Mut, den diese Gebilde und Träumereien ihm eingaben, schien seinen Wächtern und Begleitern zu gefallen, eine Zither wurde ihm gegeben, und wenn die kleine Gesellschaft im Walde oder auf der Wiese haltmachte, streckten sich die bärtigen Gesellen ins Gras und lauschten dem Spiel und Singen des jungen Burschen. Nur der finstere Herr und Gebieter dieser Karawane nahm nicht an diesen muntern Stunden teil; er blieb entweder im Wagen sitzen oder wandelte ernsthaft und gravitätisch durch den Wald, und es war, als lauschte er der Sprache der Vögel oder deutete die Gestalten der vorübergleitenden Wolkenschichten am hohen Himmelsraume.
So gelangte man ans Meer. Die kleine Gesellschaft schiffte sich ein, und nun wurde aus einer stillen Landreise eine sehr bewegte Seefahrt. Stürme brausten, und mehr als einmal war das Schiff dem Untergang nahe.
Die Dienerschaft des finstern Reisenden half jetzt den Matrosen, und die vereinten Kräfte sowie die seltene Geschicklichkeit des Steuermanns brachten das Schiff glücklich immer wieder aus der Gefahr. Endlich nach einer schlimmen Fahrt, die mehrere Nächte und Tage gedauert, näherte man sich felsigen Küsten, die von einer Anzahl von prächtigen, großen Vögeln umkreist wurden, die ihre kreischenden Stimmen in der Luft ertönen ließen, so daß es von fern fast wie eine Art kriegerischer Musik erklang und man glauben konnte, ganze siegreiche Heere, die in den Wolken gekämpft, schmetterten jetzt ihre Schlachtgesänge auf die dunkle Erde nieder, und mischten diese schauerlichen Töne mit dem Brausen und Zischen der schwarzen Gewässer, die um die Klippen und Riffe tosten.
Das Schiff lief in einen engen, düstern Hafen ein.
Nach dem lustigen, lärmenden, zankenden, singenden Paris war es seltsam und aufregend genug, diese Küste zu betreten. Der Arzt schritt langsam über das hingelegte Brett ans Ufer und ging still in dieses finstere Land ein, gleichsam wie ein Sohn, der in sein Vaterhaus zurückkehrt. Nie hatten ein Land und ein Mann besser zueinander gepaßt.
Der Jüngling folgte zaghaft. Er blickte zu den Felsenzacken hinauf und fürchtete jeden Augenblick, sie würden über seinem Haupte zusammenfallen. Ein kalter Wind pfiff aus den Schluchten empor, und aus den Tiefen der Felsenspalten klang es wie rufende Stimmen. Uralte Geheimnisse waren in die Tiefen versenkt, Geheimnisse saßen in den Grotten, im Gebraus von Sturm und Meer schienen noch einzelne Strophen von Liedern nachzuklingen, die vor Jahrtausenden hier gesungen worden waren.
Dies war die Küste von Schottland.
11.
Das Jesuiten-Kollegium
In einer engen Talschlucht, rings von himmelanstrebenden Felsen eingeschlossen, lag das alte Schloß Udallan, das Besitztum eines Geschlechts, das seine Ahnen weit hinaufzählte in jene Zeiten, wo noch nicht der Klang der Stimme fremder Eroberer auf der Insel gehört wurde.
Die Herren von Udallan besaßen einst große Schätze, sie hatten sie geopfert in den bürgerlichen Kriegen, die ihr Vaterland vor einem halben Jahrhundert beunruhigt hatten; sie besaßen jetzt wenig mehr als diese alte Stammfeste im Gebirge und noch eine Anzahl Ländereien in dem heitern und sonnigen Teile der Hochebene im Süden der Grafschaft. Dorthin hatte sich der Teil der Familie begeben, der noch Lust empfand, mit der Welt zu verkehren; der morsche Stamm dieses absterbenden Baumes, der alte Graf von Udallan, residierte einsam in dem Schlosse und war menschenscheu und finster. Von ihm gingen seltsame Gerüchte im Lande um. Es hieß, daß er in seinem düstern Versteck mit den Geistern seiner Ahnen verkehre, und daß sie kämen, ihm die Geschicke zu verkündigen, die den geliebten Heimatherd einstmals treffen würden. Niemand hatte Lust, den Einsiedler in seiner Höhle zu besuchen, nur einmal im Jahre, und zwar am Tage des heiligen Patrick, kam der älteste Neffe des Grafen, sein Erbe, auf einem kleinen Gebirgsgaul, ohne Gefolge, nicht einmal von einem Diener begleitet, über die Brücke geritten, die die Grenze des Nachbargebietes bildete, und die über ein zuzeiten wildes Gebirgswasser führte. An diesem Tage war die enge, schmale, baufällige Zugbrücke niedergelassen, und der junge Graf ritt über diese, nicht ohne Lebensgefahr, um dann endlich in die Arme seines Oheims zu gelangen, der ihm zu Ehren ein Bankett anrichtete, wo die Humpen im alten Rittersaale beim Scheine düster brennender Kerzen, zwischen den beiden Männern und den wenigen hinzugeladenen Gästen kreisten. Allemal war Graf Wilhelm froh, wenn der Tag des heiligen Patrick vorüber war und er das Schloß Udallan nebst seinem Bewohner auf ein ganzes Jahr wieder vergessen durfte. Der junge Mann war lebenslustig, ein guter Jäger, ein Liebhaber von Wettrennen und ein Freund großer Städte, fröhlicher Gastmahle und der Zusammenkünfte schöner Frauen. Wie sollte ihm der Gespensterspuk auf Schloß Udallan gefallen?
Ein Mann, der offenbar in diese Mauern gehörte, war Onofrius, der Arzt, der Hexenmeister, der Tausendkünstler, oder wie wir ihn sonst nennen wollen, den wir eben haben mit dem erkauften und geraubten Jüngling an dieser Küste landen sehen. Onofrius führte seine Beute dem alten Herrn des Schlosses zu. Dieser saß, als beide in den Saal traten, in einer Ecke an einem Tische, der mit Büchern bedeckt war. Trotzdem es noch hoher Tag war, brannte wegen der durch die überall einschließenden Felsenwände erzeugten Dunkelheit eine Lampe vor dem Alten und beleuchtete dessen scharfe Züge durch eigentümliche Lichter. Die weit vorhängenden, schneeweißen Augenbrauen ließen die darunter liegenden Augen in ihren tiefen Höhlen um so dunkler und wilder erscheinen; der lange Silberbart warf seine Wellen über die Pergamentblätter des riesigen Buches hin, in dem der einsam Studierende eben las. Eine Hand, ausgedörrt bis auf die Knochen, hielt gekrümmt einen Stift und war in ihrer schwarzbraunen Färbung einem Gebilde, aus Holz geschnitzt, ähnlich. Eine kleine Mütze, aus prachtvoll gefertigtem Goldstoffe geformt, wie eine kleine Krone gestaltet, deckte den Scheitel und warf bei der gebückten Stellung des Mannes einen zackigen, seltsamen Schatten über die hochgewölbte und gefurchte Stirn. Hinter der Stuhllehne standen wie aufwartende Pagen zwei kolossale Skelette, deren Schatten durch die Lampe fast bis an die Decke hinaufgeworfen wurden, und deren weiße, schimmernde Schädel sich von der geschwärzten Lederwand der Tapete grell abhoben. Diese Skelette hielten ein kleines Wappen empor, das in der Mitte zerbrochen war, und dessen beide Hälften kaum noch zusammenhielten.
Als Onofrius mit dem Jüngling sich nahte, erwachte ein gezähmter und erblindeter Adler, der zu den Füßen des Greises saß, und hob die Flügel. Der alte Graf sah empor, und die Lampe zur Seite schiebend, erkannte er die Nahenden. Er begrüßte sie, beruhigte zugleich den unruhig gewordenen Vogel und richtete dann seine volle Aufmerksamkeit auf den Jüngling. Auf eine stumme, fragende Bewegung antwortete ihm Onofrius.
»Ja – er ist's!«
Jetzt zog der Greis den jungen Mann an sich und umarmte ihn. Eine lange Pause trat ein. Onofrius hatte sich auf einen Lehnsessel zur Seite des Tisches gesetzt und beobachtete ein feierliches Stillschweigen.
»Enkel meines ersten und einzigen Freundes!« rief der Greis mit einer vor Rührung bebenden Stimme, »sei mir gegrüßt! – Georg ist dein Name? – Ja, du trägst die Züge meines Friedrich! – Komm! Willst du bei mir bleiben? – Willst du? – Sprich.«
Onofrius nahm das Wort, als jener zögerte zu antworten und verwirrt und unstät seinen Blick bald zu Boden richtete, bald über den Tisch hingleiten ließ. »Laßt ihn, gnädiger Herr, sich erst sammeln. Bedenkt, daß die Jugend lebhafte Eindrücke in die Seele aufnimmt. Es ist nicht wie bei uns, die wir überwunden haben. Dieser Knabe hat vor wenig Wochen noch ein wildes, zügelloses und in buntem Wechsel hinspielendes Leben geführt, ich habe ihn mitten aus dem Schoße des frechen Sinnentaumels geraubt; ist es da nicht erklärlich, daß die tiefe, heilige Stille dieses Landes, dieser Gegend und dieses Hauses ihm entgegenstarrt wie das Haupt der Medusa, das die Sinne lähmt und sprachlos macht? Laßt ihm Zeit, sich zu fassen, Herr.«
»Du СКАЧАТЬ