Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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СКАЧАТЬ verheiratet hätte, könne man sich schon etwas erlauben und mit seinem wahren Charakter langsam hervorkommen.

      »Nein, nein!« rief die Prinzessin ungestüm, »das verstehe ich nicht und will es auch nicht verstehen. Will mich einer haben, so wie ich bin, gut: etwas anderes vorstellen kann ich nicht, und dabei kommt auch meiner Ansicht nach nichts heraus, als daß ein armer Teufel geprellt wird und später, wenn er sieht was für ein Früchtchen er eingehandelt, völlig tückisch und böse wird und dann zu irgendeiner Mätresse überläuft.«

      Man lachte über diese Äußerung und ließ die Sache fürs erste ihr Bewenden haben. –

      Bald zeigte sich, daß Charlotte diese Ansichten ins Leben zu übersetzen verstand.

      Es meldeten sich kurz nacheinander zwei Bewerber.

      Dem einen war Charlotte gut, und sie hätte ihn genommen, wenn ihr ehrlicher, offener Charakter es hätte dulden können, in einer andern Frau Rechte zu treten. Der junge Prinz war der Erbprinz von Kurland, dessen Eltern diese Verbindung vorgeschlagen hatten, ohne den Sohn zu fragen, der eine heftige Liebe zu einer Tochter des Herzogs von Württemberg, Maria, gefaßt hatte. Der Herzog Ulrich wollte in der Sache keinen Schiedsrichter abgeben, hatte demnach seiner Tochter befohlen, nichts von ihrer Neigung zu dem Prinzen laut werden zu lassen. So schwiegen denn notgedrungen beide jungen Herzen, und auf Charlotte kam es an, den Bann zu lösen und die, die sich liebten, zu vereinen. Sie tat es mit der heitersten, anmutigsten Art.

      Der junge Prinz, auf seiner Reise nach Frankreich, kam durch Hannover und hatte eine Unterredung mit dem Kurfürsten, dem er sich vorstellte, und der, von seinen Absichten in Kenntnis gesetzt, ihn zu seiner Nichte schickte.

      Die Prinzessin empfing ihren Bewerber im Garten. Sie gingen auf und ab, anfangs stumm und beide verlegen. Keines konnte Worte finden. Der Prinz seufzte, und Charlotte sah ihn teilnehmend und auffordernd von der Seite an. Seine dunkeln Locken hingen ihm halb über die Stirn, das schöne Auge war mit Tränen gefüllt.

      »Was ist Ihnen, mein Herr?« fragte Charlotte, »weshalb weinen Sie?«

      »O, meine teure Prinzessin, wenn ich Ihnen das sagen dürfte!«

      »Weshalb nicht? Reden Sie, mein Herr! Durch gegenseitige Aufrichtigkeit und Offenheit gewinnt man viel im Leben.«

      »Das ist wahr!« entgegnete er. »Und ich will es wagen zu sprechen, wenn ich auch Gefahr laufe, Ihren Zorn zu erregen.«

      »Den erregen Sie nicht. Da sorgen Sie nicht. Ich kann mich über nichts ärgern, was ich nicht selbst verschuldet habe. Nur die eigenen Fehler sind es, die unsern gerechten Zorn erregen.«

      »Alsdann fasse ich Mut; denn das, was ich Ihnen zu klagen habe, hängt von keinem von uns beiden ab, sondern ist lediglich ein Befehl anderer.« Hierbei sah er starr zu Boden, als suchte er da den Mut, so fortzufahren, wie er angefangen.

      »Sie meinen unsere Heirat?« fragte die Prinzessin.

      Der Prinz neigte leise bejahend das Haupt, schwieg aber fortwährend.

      »Sie lieben bereits?« fragte die Prinzessin ihn weiter.

      Der Prinz sah sie forschend an, schwieg jedoch hartnäckig.

      »Ich weiß es, Sie lieben eine andere! Sprechen Sie; was soll daraus werden, wenn wir beide schweigen? Sie lieben und getrauen sich nicht, den Gegenstand Ihrer Neigung mir zu nennen, weil Sie fürchten, ich werde auf dem von Ihren Eltern mir gemachten Antrag bestehen,« bemerkte Charlotte; »aber vernehmen Sie mich! Ich bin so wenig mit dem Willen Ihrer Eltern einverstanden, daß ich Ihnen selbst erkläre, wie ich Sie willig Ihrer gezwungenen Zusage entbinde. Es wird für uns beide gut sein, ich behalte meine Freiheit und Sie Ihre heimliche Geliebte.«

      Der Prinz küßte ihr feurig die Hand. »Gott vergelte Ihnen Ihren heldenmütigen Entschluß,« rief er höchst freudig. Jetzt berichtete er seiner Freundin, wie er die Prinzessin von diesem Augenblick nannte, sein Verhältnis zu der Württembergerin und erging sich in der Beschreibung ihrer Reize so ausführlich, daß die Prinzessin ihn mit Lachen darauf aufmerksam machte, daß er das, was er sagte, seiner ehemaligen Braut erzähle. Charlotte übernahm es, die Sache ihren Eltern auseinanderzusetzen, und der Prinz von Kurland reiste ab. Die Stunde Gespräch hatte zwei Glückliche gemacht. Charlotte lief sogleich zu ihrer lieben › ma tante‹ und berichtete ihr den Ausgang der Unterhandlung. Sophie lobte sie wegen ihres Freimuts, fügte indes kopfschüttelnd hinzu: »Ich weiß nicht, liebes Kind, wie wir dich werden unter die Haube bringen. Du bist glatt wie ein Aal, wenn es darauf ankommt, der Ehe zu entschlüpfen; und dennoch mußt du dran!« –

      Der zweite Bewerber war ein Markgraf von Durlach, den ihr Bruder ihr ausgesucht hatte, der jedoch eine Eigenschaft an sich hatte, die ihn sogleich, ohne alle weitere Erforschung und Untersuchung für Charlotte unerträglich machte; er war nämlich ein Zierbengel von der abgeschmacktesten Art. Das derbe, natürliche Mädchen sollte mit einem unwissenden Stutzer durchs Leben gehen? Welche Zumutung! Das erste Zusammentreffen war entscheidend. Der Prinz war wie ein Papagei in alle Farben gekleidet, sein Gespräch war ebenfalls der Ausdrucksweise dieses Vogels abgeborgt und enthielt immer dieselben Worte, die er bald ernsthaft, bald lachend immer wieder anbrachte. Als er fort war, übernahm sein Leibarzt die Verhandlung und erklärte, daß der Prinz eigentlich auf den Wunsch seines Vaters eine Prinzessin von Holstein heiraten solle, daß aber seine Neigung sich für Charlotte entschieden hätte. Diese ergriff die Gelegenheit und schrieb an den Prinzen, indem sie ihn aufforderte, nur ja nicht seinem Vater ungehorsam zu sein. Er möchte die ihm bestimmte Braut heiraten, sie würde sich mit dem Gedanken trösten, ihn glücklich zu wissen.

      So war auch dieser Angriff abgewendet. Charlotte machte ihrem Bruder Karl bemerkbar, wie sehr verdienstvoll für seinen Freund es sei, sich in die Wünsche seines Vaters zu fügen, und wie nichts den Kindern mehr Segen brächte, als gehorsam gegen ihre Eltern zu sein.

      »Jetzt bin ich zwei Bewerber los!« sagte sie zu Frau Uffeln, »ich will nun sehen, ob sich ein dritter meldet, oder ob man mich meine Wege gehen läßt.«

      Es meldete sich aber der dritte, und dieser mußte genommen werden.

      8.

       Heimkehr nach Heidelberg

       Inhaltsverzeichnis

      Charlotte war jetzt neunzehn Jahre, als sie ihre väterliche Burg wiedersah. Vieles fand sie darin verändert. Der Vater lebte von ihrer Mutter gänzlich getrennt, statt der Gemahlin herrschte die Geliebte, die sanfte, anmutige Degenfeld. Sie war unterdessen Mutter mehrerer Kinder geworden, als Charlotte einzog und sogleich eine herzliche Freundschaft mit der Degenfeld schloß. Der älteste Sohn, dem der Vater den Titel Raugraf beigab, war nur wenige Jahre jünger als die Prinzessin, ein schlanker, schöner junger Mann, der zu Charlotten die Neigung eines Bruders faßte, was ihm die Prinzessin erwiderte, wodurch sie sich den Dank ihres Vaters verdiente, der diese Zuneigung als eine ihm erwiesene Hingebung betrachtete.

      Aus Hannover nahm Charlotte die fast mütterliche Zuneigung ihrer lieben Tante mit, die nicht leben zu können versicherte ohne ihr geliebtes Rauschen-Platten-Knechtchen. Sie mußte ihr versprechen, ihr regelmäßig zu schreiben, und nichts hielt Charlotte getreulicher als das Versprechen, das sie hier gab. Auch von Frau von Hörling, die in Hannover verheiratet zurückblieb, wurde auf das zärtlichste Abschied genommen.

      Welche glücklichen Tage verlebte sie in Heidelberg! Wie entzückten sie die ganze Schönheit und der Reichtum der Gegend, СКАЧАТЬ