Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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СКАЧАТЬ sie ändert nichts? Wir denken und fühlen gewiß nicht mehr so, wie man damals dachte und fühlte. Und der Orden – er ist unterdessen – ganz etwas anderes geworden.«

      »Er ist derselbe geblieben.«

      »Den Beweis hiervon zu liefern, würde dir schwerfallen, Olivier. Alle Dinge ändern sich in der Welt, wie sollte es hier allein anders sein?«

      »Dennoch ist es so. Daß die Jesuiten nie von ihrer Regel lassen, nie ihre Geheimnisse enthüllen, das macht sie zu der gewaltigsten Macht, die der Welt Gesetze vorschreibt.«

      »Ach, ich glaube, die Welt ist dem Leitseil entwachsen.«

      »Lästre nicht.«

      »Haben wir nicht gesehen, wie die Welt sich den großen Wahrheiten, die Luther verkündete, zu ihrem Heile hingegeben hat?«

      »Lange vorher schlummerten sie als Geheimnisse in dem Innern der Kirche.«

      »Da sie nun aber einmal offenkundig geworden, so ist der Orden unnütz.«

      »Der Orden wird nie unnütz sein. Während die alten Geheimnisse wie gereifte Früchte dem Markte des Lebens anheimgegeben werden, zeitigt er neue in seinem Schoße. Er ist der tief in der Erde wurzelnde Stamm, der seine Äste zum Himmel kehrt und an dessen Zweigen silberne Apfel in goldenen Schalen hängen. Aber Baum und Früchte hüllt ein undurchdringlicher Nebel ein, und die Wurzeln des Baumes dringen in die Tiefe durch gesprengte Gräber, und der Saft der Verwesung nährt sie.«

      »Wie man mir gesagt, ist die Lehre Luthers dem Orden ein Greuel.«

      »Sie ist ihm ein Ärgernis, weil sie unrichtig und halbverstanden ins Leben trug, was er lehrte. Dann ist sie eine hochmütige Doktrin, die sich über ihre eigene Lehrerin und Mutter stolz erhebt. Sie muß gezüchtigt und in ihre Schranken zurückgewiesen werden. Aber ich glaube, das sind Dinge, über die zu urteilen wir beide noch nicht berufen sind. Auf den Stufen des Tempels stehen wir, und noch nicht einmal die Pforte des äußern Einganges hat sich uns geöffnet – hat sich dir nicht geöffnet,« setzte er mit gedämpfter Stimme hinzu.

      »Ich habe, obgleich du dich abgewendet, dennoch vernommen, was du sagtest. Mir traust du nicht so viel Kenntnis der geheimen Dinge zu als dir selbst!« sagte Georg mit einem Tone leichter Gereiztheit.

      »Vergib, Freund. Ja so ist es auch. Aber ich habe einen Lehrer gehabt und habe ihn noch, der dir fehlte. Deshalb kann ich so sprechen, wie ich spreche. Achte es nicht als leere Prahlerei und kindischen Dünkel!«

      »Wer ist dieser Lehrer?«

      »Du sollst ihn kennenlernen. Dort wohnt er.«

      »Ich sehe nichts als eine elende Köhlerhütte.«

      »Und in dieser Hütte wohnt ein Märtyrer und Heiliger.«

      Als die Jünglinge sich näherten, trat der Greis hervor mit einem Spaten in der Hand und einem Korbe am Arm, in welchem allerlei Waldkräuter lagen.

      »Mein Vater,« sagte Olivier mit großer Demut, »du hast mir erlaubt, dir meinen Genossen und Bruder zuzuführen, hier ist er.«

      »Er ist willkommen,« grüßte der Köhler den Jüngling.

      Die drei gingen den Waldweg entlang. Der Greis in der Mitte, seine beiden Begleiter ihm zur Seite.

      Georg betrachtete seine neue Bekanntschaft, und sie schien ihm nichts Außergewöhnliches an sich zu haben, er faßte daher Mut und fragte: »Vater Willi, wie lange glaubt Ihr wohl, daß uns der Wille des ehrwürdigen Schloßherrn hier zurückhalten wird?«

      Olivier machte ihm ein Zeichen, daß diese Frage kühn und unüberlegt sei. Der Köhler zögerte mit der Antwort, dann sagte er rasch: »Ich weiß es nicht. Was geht mich überhaupt der Schloßherr an? Ich bin in seinem Dienste, das ist wahr, allein wenn ich ihm von dem Gewinn meiner Arbeit gebe, was ihm zukommt, so habe ich weiter nichts mit ihm zu tun.«

      »Setze deine Worte, wie du willst,« hub Georg wieder an, »mich täuschest du nicht, Alter. Du hast mehr Einfluß auf den Grafen, als du eingestehen willst, und das ist ja auch ganz natürlich. In der Einsamkeit des Ortes können der Herr und sein Diener lange nicht so getrennt und geschieden voneinander leben, wie dies in der Welt der Fall ist, die groß genug ist, daß man leicht einander ausweichen kann, wenn man nicht zusammentreffen will.«

      »Sind wir denn schon zusammengetroffen?« fragte der Köhler, dem die offene Sprache des Jünglings nicht zu mißfallen schien.

      »Das wäre ohne Zweifel mit der Zeit geschehen,« bemerkte Georg. »Wenn ich angefangen hätte den Forst nach dieser Gegend hin zu durchstreifen, was ich mir schon lange vorgenommen, so wäre ich notwendig auf Euch gestoßen. Es ist aber besser, daß ich Eure Bekanntschaft auf diese Weise mache. Olivier hat Euch mir gerühmt, und Olivier rühmt und preist nicht leicht jemand. Wenigstens habe ich ihn viel öfter tadeln als loben hören.«

      »Mein Sohn, wer die Welt kennt, findet auch wenig an ihr zu loben.«

      »Was mich betrifft, ich habe sie sehr belustigend gefunden, und ich sehne mich, zu ihr zurückzukehren.« –

      Olivier näherte sich hier dem Greise und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr.

      »Noch nicht!« entgegnete dieser abwehrend.

      Sie gingen den Waldpfad weiter bis er auf einen freien Platz mitten im dichten Forst ausmündete. Auf diesem Platze lag ein Trümmerhaufen; es schienen hier die Reste eines uralten Bauwerkes sich dem Beobachter darzustellen, anziehend genug, um einige Augenblicke zu verweilen. Die drei Wanderer nahmen einen Rasensitz ein, der sich in der Nähe dieser merkwürdigen alten Steine befand.

      »Dies war ein heidnischer Opferaltar,« erklärte der Greis, »und auf dieser Stelle floß einst das Blut von Menschenopfern. O Freunde, wir leben auf einem merkwürdigen Platze der Erde. Dieser Boden ist gleichsam mit Geheimnissen bedeckt. Geh, Olivier, und öffne den verborgenen Eingang.«

      Der Befehl wurde ausgerichtet. Hinter einem der Trümmerhaufen wurde eine morsche Falltür sichtbar, und nachdem man sich mit einer kleinen Blendlaterne ausgerüstet hatte, ermahnte der Köhler die jungen Leute, vorsichtig die Stufen hinabzusteigen, und folgte ihnen. Der Gang war gewölbt und niedrig und führte tief unter die Erde. Ein Toben und Tosen, wie von verschlossenen unterirdischen Wassern, füllte das Ohr und erzeugte in der Seele undeutliche Vorstellungen von nahen Schrecken und von drohender Gefahr.

      »Folge mir nur kecklich,« sagte Olivier, indem er die Hand des Gefährten an sich zog. »Ich bin diesen Weg schon oft gegangen.«

      Der Köhler blieb auf einem Vorsprunge stehn, Olivier hob die Leuchte, als wollte er den Zögernden zur Eile mahnen; doch jener rührte sich nicht. Die Jünglinge gingen noch einige Stufen hinab, dann blieben sie wieder stehen und schauten sich nach ihrem Begleiter um. Die graue Gestalt stand oben unbeweglich. Jetzt eilten sie zurück, und wie sie mit der Kerze hinleuchteten, sahen sie zu ihrem Schrecken daß das, was sie für die Gestalt des Köhlers gehalten, ein Teil der grauen Felswand war. Der Greis war verschwunden. Zu gleicher Zeit war der Ausgang verschlossen worden.

      »Er hat uns hier allein gelassen, der Alte!« sagte Olivier mit einem leichten Schauder zu seinem Gefährten.

      »Allein? In dieser grausenvollen Höhle?« sagte Georg.

      »Es СКАЧАТЬ