Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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СКАЧАТЬ drang ein lieblicher Duft von heißen Dämpfen geistiger Getränke, untermischt mit dem fetten Aroma einer Hammelkeule oder kleiner Pastetchen. Die Hände auf dem Rücken, stand der Inhaber dieser Räume und sah sich mit einer Miene, in welcher sich ein phlegmatisches Wohlgefallen spiegelte, die lärmende Jugend an, der er hier und da einen Zügel anzulegen für gut befand, damit der Übermut nicht jede Schranke durchbreche. Er nickte beifällig, als sich jetzt die Tür öffnete und ein junger Bursche von vierzehn Jahren eintrat, der sein besonderer Liebling war. Er ging auf den Eintretenden zu, faßte mit seiner schweren, plumpen Hand in die blonden Locken des Jünglings und rief, indem er den Kopf zurückbog und ihm in die blitzenden Augen schaute: »Wo hast du gesteckt, Bübchen? Man hat dich ja eine volle Woche hindurch nicht gesehen.«

      »Mein lieber Vater,« sagte der junge Bursche lachend, »ich habe studiert. Und weil ich jetzt keine Bücher mehr nötig habe, komme ich her, dir mein letztes, noch übriges Buch anzubieten. Ich will und muß mir nach so vieler Mühe und Anstrengung einen lustigen Abend machen.«

      »Du hast vollkommen recht, mein Sohn!« sagte Bertholet, indem er die hingehaltene Tasche öffnete und die gelehrten Schätze des Studenten musterte. Es waren ein paar seltene Bücher, die der Wildfang bis heute aufgespart und die Herr Jacques jetzt für ein Billiges erstand, immerwährend dabei klagend, wie hoch er diese alten, wertlosen Lederbände bezahlen müsse, lediglich nur um seinen Kindern nicht die Mittel zu rauben, sich einen lustigen Abend zu machen.

      Der junge Student murmelte vor sich hin, als er dem Wirte den Rücken kehrte: »Wenn ich dich an den Galgen bringen könnte für die Hiebe, die du uns übers Ohr erteilst, alter Schelm, so wäre es eine Erhöhung, deinen Verdiensten würdig.«

      Mit diesem wohlgemeinten Wunsche trat er in den Kreis der Freunde, die ihn laut und freudig bewillkommneten.

      »Was treibt ihr hier?« fragte er.

      »Nichts von Bedeutung!« antwortete eine Stimme. »Wir sprachen eben von der kleinen Madrilena, der Tänzerin in der Gauklerbude auf dem Platze nebenbei. Wahrhaftig, wenn es erlaubt ist, eine Sylphe mit einem Bären zu vergleichen, so hat es Vinzent getroffen, der uns eben einige Sprünge vorgemacht hat, die er für den Tanz der Madrilena ausgab.«

      »Vinzent!« rief der junge Blondkopf, »du übersetzest einen schönen, griechischen Vers in dein plumpes Patois. Ich glaube, da wäre ich noch eher imstande, euch die Madrilena vorzutanzen.« –

      »Ja – ja! Du kannst es, du allein!« riefen jetzt alle im Chor. »Tanze, kleiner Eros, tanze, du hübscher Bacchus – tanze uns die Madrilena. Dein Körper hat die Biegsamkeit, die dazu erforderlich ist, ein verwildertes, kleines Weib darzustellen, wie sie die weißen Arme in die Höhe wirft und den jungen Busen, wie zwei Büschel weißer Rosen, gen Himmel glänzen läßt. Tanze kleiner Eros, tanze hübscher Bacchus!«

      Und der Student warf sein Kleid ab, knüpfte sich den Hemdkragen los, machte einen Teil der Brust und den einen Arm frei, schlang sich ein rotes Tuch um die Hüfte, das leicht und flatternd bis auf die Knie niederfiel, und so gerüstet, trat er vor und in den Kreis hinein, der sich um die eine von der Decke herabhängende Lampe gebildet hatte. Ein Trio von hellen Stimmen gab die Takte des Tanzes an, und das Zusammenklappen der Zinndeckel der Kannen und Gläser bildete den Rhythmus dieser ausgelassenen Ballettmusik.

      Immer wilder wurde der Tanz, in immer mutwilligeren Stellungen schwang sich der junge Tänzer umher. Seine blonden Locken flogen, seine weiße Brust atmete voll, seine Wangen glühten wie in Purpur getaucht, die weißen Zähne und die dunkeln Augen blitzten.

      »Dieser junge Deutsche hat den Teufel im Leibe!« murmelte Meister Bertholet.

      Ein großer, finsterer Mann stand neben ihm, der während des Tanzes unbemerkt in die Schenke getreten war.

      Dieser Gast forderte einen Becher Wein und setzte sich in eine Ecke der Halle.

      Jetzt trat der Tänzer erschöpft beiseite oder er fiel vielmehr einem seiner Kameraden in den Schoß.

      »Bravo!« rief der ganze Kreis. »Das nennen wir tanzen! Bravo, Bacchus! Recht so, Eros! Hätte die Kleine selbst zugeschaut, sie hätte bekennen müssen, daß sie noch von dir hätte lernen können.«

      Der Tänzer streifte wieder sein Gewand über und zog sein kleines, schwarzes Röckchen an, über dessen abgenutzten Sammetkragen er die gleichfalls abgenutzte, weiße Halskrause breitete. Dann ergriff er eine Zither und hub an zu singen.

      Der finstere Mann in der Ecke der Halle hatte sich unbemerkt erhoben und lauschte den Tönen des Liedes.

      »Was singst du da, Bacchus?« fragte einer der Studenten. »Ist das chinesisch?«

      »Es ist ein deutsches Lied!« antwortete der Gefragte.

      »Ah – vom Gestade des Eismeeres wahrscheinlich?«

      »Wenigstens nicht weit davon,« lachte der junge Wildfang.

      »Höre, Bacchus; wir lieben das Brummen der Eisbären nicht, behalte diese musikalische Kostbarkeit für dich.« –

      »Es fällt mir auch nur eben zufällig ein. Oder soll ich es keinen Zufall nennen? Wenn ich recht ausgelassen fröhlich bin – dann überkommt es mich plötzlich, und ich muß, ich mag wollen oder nicht, ein paar Strophen jenes alten Liedes singen, das von der fernen – fernen Heimat herüberklingt. In dem Liede fliegen die Schneeflocken und sausen die Stürme.«

      »Gut – aber singe uns Lieder, wo Mailüfte wehen und man Küsse rauschen hört.«

      »So will ich euch ein Lied singen,« rief der Jüngling, »das ich kürzlich von einem andalusischen Mädchen lernte. Hoffentlich wird euch dabei nicht frieren.«

      Der lange, finstere Mann trat wieder in die dunkle Ecke zurück. Während des Singens näherte sich der Knabe der Schenke vorsichtig dem Sänger und flüsterte ihm etwas zu. Der Blondkopf stand auf, gab die Zither seinem Nachbar, der wohl oder übel das Lied fortsetzte, und folgte dem Boten hinaus auf den Flur. Dort stand im Schleier gehüllt eine Frau, die den Jüngling bat, näher heranzutreten.

      »Es ist derselbe!« murmelte die Verhüllte, »ich habe mich nicht getäuscht. Messire,« wendete sie sich rasch zu dem jungen Mann, »darf man auf Eure Verschwiegenheit bauen?«

      »So gut wie Ihr auf Eure Tugend baut, schöne Dame.«

      Die Verhüllte zögerte einen Augenblick, dann sagte sie leise: »Findet Euch um die zwölfte Stunde heute nacht an der St. Magdalenenkirche ein, dort wo die Bildsäule des heiligen Nepomuk steht, Ihr werdet eine vornehme Dame in einer Portechaise vorbeitragen sehen. Sie wird sich herausbeugen und Euch ein Zeichen geben, alsdann folgt ihr. Gibt sie Euch kein Zeichen, so bleibt zurück. Beim Lichte der Fackeln werdet Ihr die Dame deutlich sehen können, und hoffentlich werdet Ihr sie so schön finden, wie Ihr nur irgend wünschen könnt; und es kommt nur auf Euch an, sie ebenso großmütig und verschwenderisch zu finden, als sie schön ist.« –

      »Ich komme, Dame.«

      »Nun gut. Der heilige Nepomuk beschütze Euch und mich!«

      Die Verhüllte war im Dunkel der Nacht verschwunden. Als der Jüngling in die Halle zurückkehrte, glitt mit ihm zusammen die schattenhafte Erscheinung des hagern Schwarzen herein. Er hatte das Gespräch auf dem Flur belauscht.

      Unter den Singenden und Trinkenden hatte sich unterdessen ein Streit eigener Art entsponnen. Es kam drauf an zu bestimmen, welchen Wert das Talent, die Schönheit, die körperliche Geschicklichkeit СКАЧАТЬ