Название: Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien
Автор: Alexander von Ungern-Sternberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027237890
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Zum Glück trat jetzt der junge August herein; er kam aus der Residenz und brachte Nachrichten und politische Blätter mit. Der Journalist eilte auf ihn zu; der Geistliche wollte den Zeitpunkt benutzen, und mit seiner kleinen Braut einige herzliche Worte wechseln, doch sie fand Gelegenheit, ihm zu entschlüpfen und der Gruppe zuzufliegen, die sich um ihren Bruder bildete. Der Pastor nahm mit einer Miene der Resignation eine Priese und tat einen mächtigen Zug aus der Kaffeetasse.
Den nächsten Tag hatte Eduard dazu bestimmt, an dem Bilde fortzuarbeiten; er nahm es hervor und erschrak davor, wie vor einer Erscheinung. Aus bleichen schroffen Zügen sahen ihn in einem kranken Antlitz zwei erloschene Augen mit dem höchsten Ausdruck des Schmerzes an. War das das schöne achtzehnjährige Mädchen, waren das die Formen, denen er Anmut und edle Größe nicht absprechen konnte. Sorgsam verdeckte er das Bild und ließ er sich nachtragen aufs Schloß. Er wurde ins bestimmte Gemach geführt, es war leer; nach ein paar Sekunden erschien eine Kammerfrau und führte ihn zur Fürstin hinüber, diese empfing ihn freundlich und bedauerte, daß eine kleine Unpäßlichkeit das Fräulein verhindere, zu erscheinen. Unschlüssig, was er tun solle, ging unser Freund in den Saal zurück. Er setzte sich ans Bild, um daran zu ändern, doch je mehr er versuchte und übermalte, desto lebhafter fühlte er, wie er vom Urbilde sich entfernte; mißmutig legte er den Pinsel nieder. Tiefe Stille herrschte im Gemache; Magdalenens Lieblings-Papagei hing im goldenen Käfig und sah ihn mit klugen Augen an, indem er sich langsam in seinem Ringe hin- und herbewegte, und zuweilen durch die warme Stille des Gemachs einen lauten Schrei tat. Der Mittag lag auf den geöffneten hohen Fenstern, und nur von Zeit zu Zeit wölbte ein Luftzug die schweren rotseidenen Falten der niedergelassenen Vorhänge. Eduard stand am Pfeiler gelehnt und schaute auf die in der Schwüle daliegende Natur, dann verließ er den Saal, und betrat, in Gedanken vertieft, die daran stoßenden Gemächer. Immer weiter und weiter wandelnd, gelangte er in ein mit Sammetteppichen bekleidetes Eckzimmer, eine in der Tiefe des Gemachs ertönende Spieluhr zog ihn weiter, und endlich blieb er vor einem Bilde stehen, welches die Prinzessin darstellte, von einem vorzüglichen Künstler gemalt. Eine Uhr schlug in den inneren Gemächern, Eduard hörte nichts, jetzt wandte er sich aus seinen Träumen nach der Türe um, da stand sie – Magdalena – groß, in weicher Stellung gebogen an die Türe gelehnt. Einen Moment blieben sich beide stumm gegenüber; Eduard konnte den Blick des großen blauen Auges, das mit einem unaussprechlichen Ausdruck auf ihm ruhte, nicht ertragen, er erhob seine Stimme, um sie anzureden, da plötzlich stürzte mit einem kurzen, kaum hörbaren Laut das schöne Bild zusammen, und lag leblos da auf dem roten Teppich des Bodens. Der dumpfe Ton, mit dem das Haupt auf dem Absatz der Schwelle niederschlug, hallte durch die tiefe Stille, und preßte dem erstarrten Jünglinge einen Schrei des Entsetzens aus; er stürzte nieder, fing den Busen und das von den aufgelösten bleichen Locken umspielte Antlitz in seinen Armen auf, und schaute in trostlosem Schmerze auf die gebrochene Gestalt nieder. Endlich hob sich die leblose Brust wieder, ein langer, aus der Tiefe des gepreßten Herzens aufzitternder Seufzer brachte das entflohene Leben zurück, doch noch lag auf den geschlossenen Augen, auf den marmorgleichen Zügen der Ausdruck eines unendlichen Schmerzes. Die Bewegungen des Busens wurden heftiger und ließen den Ausbruch eines Krampfes fürchten; in Besorgnis und Angst preßte Eduard seine heiße Hand ihr unter die Brust. Jetzt erwachte die Arme, und ein Strom von Tränen rann auf die weiße Atlasrobe herab; der besorgte Jüngling leitete sie zu dem nächsten Armstuhl, dort lispelte sie einige Worte des Danks, und ein bittender Wink sprach den Wunsch aus, sich allein zu sehen. Er gehorchte augenblicklich, im Vorbeigehen hob er ein kleines einfaches Kreuz auf, welches sich von einer Kette am Busen des Fräuleins gelöst hatte; betäubt und an allen Sinnen erregt, langte er auf seiner einsamen Stube an. Seiner Aufmerksamkeit entging es, daß alles im Hause wild durcheinander lief, daß Verwirrung und Bestürzung der Gemüter, selbst des Barons sich bemächtigt hatte; die Türe hinter sich abschließend, warf er sich auf sein Ruhebett, und Tränen quollen unwillkürlich aus seinem Auge. Wie ein zündender Strahl kam ihm jetzt der Gedanke, jenes kleine Bild auszuführen. Er arbeitete bis in den sinkenden Abend unausgesetzt, und als er es vollendet hatte, waren es Magdalenens Züge, die jene umschauende Gestalt zeigte; sie war es – der hohe siegreiche Wuchs, die Fülle der hellen Locken, dem Nacken entflatternd, so eilte sie dahin, und in dem rückschauenden Auge lag jener wunderbar schmerzliche und doch beseligende Blick angedeutet, den sie auf ihn geheftet hatte. Ein tiefes Weh zog durch seine Brust, er preßte beide Hände gegen das Antlitz, und eine Stimme, leise, aber durch alle seine Pulse zuckend, klang: »Warum verfolgst du mich?« Ja, er fühlte es, er liebte, liebte das Mädchen, das er mit so schneidender Kälte verfolgt – sich selbst marternd, hatte er ihren weichen Busen gemartert, ihr edles Herz zerfleischt. Ottfrieds Worte vom Schmerz, jenes Liedchen, die bewußtlosen Träume und Bilder, die ihn bis jetzt verfolgt, endlich der fürchterliche Augenblick, wo er das angebetete Mädchen in der Qual ihres gebrochenen Herzens niederstürzen sah – Alles stürmte jetzt auf ihn ein, und wie ein Kind weinend, warf er sich in seinen Stuhl, und zitternd, im ungemessenen Ausbruche des ersten tiefen Gefühls, flogen seine Glieder. Immer und immer tönten die Worte:
»Warum verfolgst du mich?« Immer wieder traf jener Blick in sein Herz, immer von neuem vernahm sein Ohr den dumpfen gebrochenen Laut, mir dem sie niederstürzte; seine Marter erstieg den höchsten Gipfel. Die Nacht kam auf leisen Fittichen, die Sterne zogen hinauf, noch immer lag er im Sessel. Armes, armes, süßes Mädchen! Du konntest in der Gemißhandelten warmen Brust das Bohren des kalten Dolches nicht länger erdulden, es warf die Kälte des Freundes dich, eine Leiche, zu Leichen, dein schöner Leib schlug zu seinen Füßen nieder! Wider deinen Willen sollte dein brechendes Auge das seinige öffnen. Wie kalt, wie arm, wie dürftig lagst du da, und dennoch gegen deine Engelglorie wie höflich, wie elend stand ich da in der Verzerrung meines Innern, ausgehöhlt von kalten Hohn gegen alles Edle und Schöne, was die Erde trägt. Ich Thor, erschlossen glaubte ich mir schon jede Erdenseligkeit, auf den Höhen des Lebens meinte ich gewandelt zu haben, und stehe als Neuling geblendet vor den ausfliegenden Toren eines nie geahneten Paradieses. Sie liebt mich! Du liebst sie! O seltsames, schmerzliches Rätsel – habe ich nicht oft geträumt, zu lieben? in süßer Trunkenheit suchten im Kusse sich die Lippen, Auge entzündete sich im Auge, und ein kurzer Schmerz drückte das Erwachen aus; – hier aber greift der Schmerz zuerst in das Leben, vernichtend, entsetzlich! o Magdalena, Magdalena! –
Sturmwolken trieben am Himmel hinauf und verhüllten den Glanz der Gestirne, ein Gewitter ließ sich in leisen, dumpfen СКАЧАТЬ