Название: Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien
Автор: Alexander von Ungern-Sternberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027237890
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Als unser Freund später zur Abendtafel erschien, trat mit ihm ein ältlicher Mann mit ehrwürdigen Zügen, den die Fürstin als Freiherrn von Werner, den Intendanten des Schlosses, vorstellte, wo Eduard seinen Wohnort aufschlagen sollte, ein. Das Fräulein sprach wenig, ein grüner Schirm bedeckte ihre Augen vor dem Glanze der Kerzen, und da sie den Kopf gesenkt hielt, gewahrte der Blick nur die zarte Rundung und Weiße des Kinnes, so wie ein schön gebildetes blaßrotes Lippenpaar. Öfters reichte ihr die Fürstin die Hand über den Tisch und sagte: »Nun Liebe? – so traurig!« Eduard höhnte im Innern die welke Zartheit und spröde Resignation; alles an diesem Wesen erschien ihm falsch, er sehnte sich nach der heißen, offenen Sinnlichkeit Eras. Mit Entzücken vernahm er den Abschiedsgruß der Damen, Ketten sanken von seiner Brust, und er eilte mit dem Baron über die vielen Brücken und Stiegen dem neuen lichten Gebäude zu, in dem er die erste Nacht nun zubringen sollte. Hier hatten alle Gegenstände ein durchaus verschiedenes Äußere; im Wohnzimmer, in welches der Freiherr ihn führte, war die Familie versammelt und begrüßte den Ankömmling offen und freundlich. Der Baron war Wittwer, seine Gemahlin hatte ihm eine Tochter und einen Sohn geschenkt. Die erste war ein kleines lebendiges Wesen mit hellbraunen, unsteten Augen; sie besorgte die Wirtschaft, es zeigte sich jedoch bald, daß sie bei diesem Geschäft mit der größten Eilfertigkeit und Zerstreutheit zu Werke ging, und hundert Dinge vergaß oder falsch ausrichtete; man sah ihr den Wunsch an, immer wieder so schnell als möglich ihren Platz einzunehmen bei einem Manne in den mittleren Jahren, der sich unserem Freunde als einen Journalisten aus der Residenz ankündigte. Den Bruder Sophiens, ein junger Mensch von blühendem Aussehen, bezeichnete seine Kleidung als einen Forstzögling aus einem nahen Waldstädtchen. Bei seiner kräftigen Jugend und männlichem Geschäfte trat eine große Weichheit seltsam kontrastierend bei seinem Benehmen, so wie bei der Gesichtsbildung, deutlich hervor. Er stand lange, während ein munteres Gespräch in der Stube durcheinanderkreuzte, stillschweigend ans Fenster gelehnt und blickte hinaus auf das einsam erleuchtete Zimmer im Schlosse, welches in die Nacht herab glänzte; sein Vater trat endlich zu ihm, und indem er etwas unsanft in die blonden Haare des Träumers fuhr, faßte er ihn um den Leib und zog ihn in die Stube hinein. »Mein Sohn August,« rief er Eduarden zu, den Jüngling vorstellend – »Forstkadet in R –.« Man setzte sich zum Nachtische, den Sophie besorgt hatte, und in dem Moment trat ein ältlicher Mann ein, den der Hausherr Ottfried nannte und als seinen jüngsten Bruder bezeichnete. »Ich bin mit meiner Familie,« fuhr der Baron fort, »in eine sonderbare Verwirrung geraten; ein Teil, zu dem mein Bruder auch gehört, ist offenbar zu alt, der andere – dort meine lieben Kinder, möchten fast ein wenig zu jung sein, es fehlt an einem gewissen Mittelstand.« – »Den bildet doch wohl unser Freund dort,« sagte Ottfried, indem er auf den Journalisten zeigte. – »Gott behüte,« rief dieser, »ich gehöre unbedingt der neuen und neuesten Zeit an, es gibt kein Bündnis mit alten Irrtümern; Krieg, offener Krieg und keine Vermittelung ist mein Wahlspruch.« Er sprach diese Worte wie im Scherze leicht hin, dennoch war es nicht zu verkennen, daß seine wahre Ansicht sich nur dürftig maskierte, um in Gegenwart eines Fremden, dessen Gesinnungen ihm noch ein Geheimnis waren, nicht zu entscheidend aufzutreten. Sophie ließ sich angelegen sein, ihrem Freund allerlei Leckerbissen zuzuwenden, und dieser zog endlich zum Dank für diese zarte Aufmerksamkeit die neuesten politischen Blätter hervor, indem er sich anschickte, Einiges daraus vorzulesen. »Halt, halt, Teuerster,« rief der Baron, »lassen wir unsern jungen Freund nicht gleich zum Willkommen die alten kreischenden Trompeterstückchen hören, die jetzt alle Ohren gellen machen – nachher, nachher findet sich wohl ein Stündchen; besser wird es sein, etwas über unsere Bekannten in der Residenz zu vernehmen.« Der Doktor schlug seine Blätter mit merklichem Unwillen zusammen, und Eduard ward aufgefordert, zu erzählen. Das Gespräch kam auf die Poesie und die neuesten Erscheinungen in diesem Fach. »Wenn wir davon reden sollen,« nahm der Journalist wieder das Wort, »so ist die erste und wichtigste Frage, was suchen wir heutzutage in der Poesie?« – »Zerstreuung, Erheiterung, Erhebung aus der verwirrten dumpfen Zeit,« rief der Baron mit Nachdruck. – »Freilich wohl,« nahm der Erstere wieder das Wort, »Erhebung – das soll sie uns geben und СКАЧАТЬ