Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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СКАЧАТЬ in meiner Brust zurück, und zum ersten Male empfand ich eine Art von Genugtuung, als es in meine Hand gegeben ward, einem jungen Mann von adeliger Geburt, der um meinen Besitz sich bewarb, eine abschlägige Antwort mit aller Bitterkeit meines gekränkten Herzens zu erteilen. Bald suchten nun Spötter auszubreiten, meine liberalen Ideen brächten den Thron in Gefahr und was des Geschwätzes mehr war; indes fühlte ich nur zu deutlich, daß mein Geist zur Selbstständigkeit gereift war, meine natürliche Offenheit trat zurück, und während des Kampfes in mir beobachtete ich die strengste Kälte nach außen. In jener Zeit ward der Doktor, den Sie gestern kennen gelernt, in unserm Hause bekannt, und ich kann wohl sagen, daß er mich über mich selbst völlig ins Klare setzte. Ich gelangte immer weiter, bis zuletzt die Nähe eines so hohen und schönen Wesens, deren Erscheinung der Doktor wie eine göttliche Sendung betrachtet, mir eine Festigkeit, ja einen Trotz verliehen hat, mit dem ich gegen eine ganze Welt mit den Waffen meiner Überzeugung anzukämpfen im Stande sein könnte. Dies, mein Herr, sind in der Kürze die Beweggründe meiner veränderten Sinnesart, welche ich Ihnen gestern, glaube ich, nicht undeutlich an den Tag gelegt habe.«

      Eduard hatte dem geläufigen Fluß der Rede, so wie den sonderbaren Erfahrungen des kleinen Wesens ruhig zugehört, und dabei seine Morgentasse geleert. Auf der einen Seite konnte er ihr seine Achtung nicht versagen, auf der andern mußte er herzlich bedauern, daß seine offenherzige Vertraute nur zu gewiß den Schranken entrückt sei, für die sie bestimmt war. Er erkundigte sich nach jener wundervollen Erscheinung, deren sie am Schlusse ihrer Worte erwähnt hatte. »Ich darf Ihnen den Namen nicht nennen,« entgegnete Sophie, »es ist ihr Wille, im Verborgenen zu wirken, gleich einer Priesterin im Allerheiligsten, wie mein Doktor sich ausdrückt.« – »Doch nicht Fräulein Magdalena,« sagte Eduard halb gedankenlos vor sich hin, und wunderte sich nicht wenig, als hohe Röte die Wangen seiner kleinen Freundin übergoß. – »Sie ist's,« rief sie mit leiser Stimme, »ich kann nun einmal kein Geheimnis auf meiner Zunge bewahren, ja, Sie haben's erraten, Fräulein Magdalena ist's; nur bitte ich – Verschwiegenheit, teurer Mann, Sie könnten mich sonst beim Doktor auf ewig in Mißkredit stürzen.« – »Dacht' ich's doch,« rief Eduard bei sich, »Priesterin, Sonnambüle, Jakobinerin, Buhlerin, Alles in Allem!« Sophie wollte in ihren Erörterungen und Geständnissen von neuem beginnen, als die Türe sich öffnete und der Baron eintrat. Er grüßte und nahm Platz, indem er seine Tochter aufmerksam von der Seite ins Auge faßte; sie tat unbefangen und fing sogar an, ein Liedchen zu singen, das durch seine falschen Töne Eduards Ohr nicht wenig beleidigte. »Ich wette,« sagte der Alte zu ihr, »Du hast wieder allerlei Bekenntnisse zu Markte gebracht und nach deiner Art räsonniert, der Kaffee ist kalt geworden und ein Teil der Sahne ist aufs Tuch verschüttet.« Sie begütigte mit einem Handkuß den Scheltenden und schlüpfte zur Türe hinaus. »Wenn ich doch den Unfug in meinen alten Tagen nicht noch zu erleben brauchte,« rief der Baron, indem er ihr nachsah; »wahrlich, in die Tiefen des Meeres möchte ich mich betten, die Kammern der Felsen möchte ich aufschließen, um mich vor dem Unsinn, dem leeren polternden Treiben zu verstecken. Ich weiß, daß es nur ein Schwindel, ein Traum ist, worin die heutige Welt befangen ist, daß dieser jammervolle Zustand bald vorübergehen wird und muß – doch dauert er mir jetzt schon viel zu lange.« Er saß grimmig da, und erst dann gelang es Eduarden, ihn in eine bessere Stimmung zu bringen, als er einen Gang in die würzige Frische des Morgens vorschlug. Unser Freund konnte sich nicht entschließen, aufs Schloß zu gehen, um sein Werk anzufangen. Als man den Garten entlang ging, wurde Sophie bemerkbar, die Küchenkräuter einsammelte. »Das wird eine ächt liberale Suppe werden,« spöttelte der Alte, »da sie wiederum es sich nicht nehmen läßt, selbst die Ingredienzien einzusammeln; wir werden uns wohl, teurer Freund, den Hunger heute vergehen lassen müssen.« Nach einer Pause fragte er: »Kennen Sie das Fräulein Magdalena oben im Schloß?« – Eduard schüttelte das Haupt. »Ein treffliches Geschöpf,« fuhr der Baron fort, »ich könnte Ihnen von Wohltaten erzählen, von in der Stille verübten trefflichen Handlungen, doch lassen wir das, man muß seinem Nebenmenschen auch nichts Gutes hinter dem Rücken nachsagen.« Er schwieg und Eduard empfand durchaus keine Neigung, den Diskurs fortzusetzen; in dem Augenblick holte sie ein Diener vom Schlosse ein, und brachte von der Fürstin eine Einladung an Eduard, aufs Schloß zu kommen. Der Alte trennte sich von ihm, und sobald er fort war, erschien Sophie mit dem Bündel gepflückter Kräuter. »Nicht wahr,« sagte sie, »der treffliche Alte hat schon wieder über mich gelästert? o ich bin oft der Verzweiflung nahe; wie schwer wird es uns doch, den Schatz zu verbergen, den wir über Nacht gehoben haben! Er will mich nun einem vernünftigen kalten Mann verbinden, einem eingefleischten Altgläubigen, der sich nicht scheut, noch eine Perücke zu tragen und den Uz und Gleim zu lesen, mit einem Worte, er will mich einem Pfarrer vermählen, der im nächsten Städtchen wohnt, und von Zeit zu Zeit seine dürren aristokratischen Beine hierher in Bewegung setzt, um mir seine Person anzutragen. Wahrlich, man kann einen Abscheu gegen jede Verbindung bekommen, wenn man sieht, wie Ihr Geschlecht sich vereinigt, das unserige in ein unbedeutendes läppisches Nichts hinab zu drücken. Kindische Tändeleien füllen unsere Jugend, Sitte, Vorurteil, Männerstolz beraubt uns nach und nach jeder höhern Wirksamkeit, und indem die Eitelkeit Ihres Geschlechts einen Kitzel darin findet, mit unserer Erscheinung wie mit einer geputzten Puppe zu spielen, so lange dieser der Flitter vergänglicher Jugend und Schönheit anklebt, so findet zugleich der Stolz der Männer seine Berechnung dabei, durch eine so unwürdige Verweichlichung unsere Teilnahme den Angelegenheiten des Gemeinwesens zu entziehen, und unsern Geist zur Führung der Staatsgeschäfte untauglich zu machen. Was sind wir Weiber jetzt und was könnten wir sein? Wer mag heutzutage an Thusnelden erinnern, ohne fürchten zu müssen, lächerlich zu werden? und doch ist nicht Liebe, Vaterland, Freiheit ein und dasselbe im Busen eines jeden edleren Weibes, kann sie den Mann lieben, der unwürdigem Joche seinen Nacken beugt?« – Aus ihrem Auge stürzten, als sie dieses sprach, Tränen, zugleich entfielen ihr die Küchenkräuter, und ein Hündchen, welches sie begleitete, stürzte sogleich über den grünen Haufen her, und verschleppte unter Gebell und Sprüngen die farbigen Wurzeln; die neue Thusnelde hatte Mühe, indem sie ihm nachjagte, ihre Schätze wieder zu erlangen, als sie zurückkehrte, war Eduard schon auf dem Wege nach dem Schlosse begriffen, ein Diener trug ihm das Malergerät nach.

      Eine Woche war vergangen, während er ziemlich eifrig an dem Bilde arbeitete, doch mit innerem Widerstreben. Magdalena schien seine eisige Kälte zu empfinden, manchmal zog sich ein bittendes Lächeln über ihre Züge, doch lag sie stumm in ihrem samtnen Lehnsessel. Die Fürstin ging ab und zu, die Oberhofmeisterin las zuweilen ein kleines französisches Lustspiel vor. Eduard hatte nie eine ähnliche Qual empfunden; er sah, wie unter seinen Händen die Arbeit verkümmerte, wie jede volle Linie, jede warme Form ermattete und erstarrte, dennoch konnte er sich einen gewissen Triumph nicht verhehlen, der in der Überzeugung bestand, daß es ihm gelungen sei, auch jeden Reiz aus einer Gestalt zu verbannen, den diese nur anwendete, um verderblich zu wirken. Er bat sich jetzt eine Ruhezeit aus, und das Bild wurde auf sein einsames Zimmer gebracht, wo er es verhüllte und tief in einen Winkel stellte, dann riß er das Fenster auf und lehnte sich weit in die Dämmerung des Abends hinaus. Der Holunder hing seine Blüte dicht am Fenster nieder und flüsternde Pappeln ragten in den rosigen Schein hinein. In seltsame Träume versenkt, griff er nach dem Papier und entwarf eine Zeichnung, welche er, durch die eintretende Dunkelheit verhindert, liegen lassen mußte; er lehnte wieder zum Fenster hinaus, und sein Blick verlor sich in der unermeßlichen Bläue über ihm, dann sah er am Gebirge den ersten Stern mit rätselhaftem Glanze aufgehen. Es war ihm unmöglich, in dieser Stimmung zur Gesellschaft hinabzugehen oder überhaupt Menschen aufzusuchen; seine Türe verschließend, warf er sich aufs Lager und in wunderbaren Bildern zog eine ferne Zeit an seiner Seele vorüber; ein nagender Schmerz bemächtigte sich seiner, zugleich gab ihm das Bewußtsein dieses Schmerzes ein seliges Gefühl, das er in diesem Grade noch nie empfunden hatte; so sank er zuletzt in einen wohltätigen Schlummer, durch das offengebliebene Fenster strömte Kühlung über seine heiße Stirne.

      Als er sich am Morgen erhob, fühlte er sich abgespannt und verstört; einen Teil der Nacht hatten Träume gefüllt, die ihm durchaus kein klares Bild hinterließen. Mißmutig setzte er sich an den Tisch und wühlte unter den Papieren, da kam ihm das Blatt von gestern in die Hände, er betrachtete es aufmerksam und war nicht wenig verwundert über die Zeichnung, die es enthielt. Sie stellte einen Wald vor; ein Mann im Jägerkleide stand im Vorgrund, durch die Bäume wurde СКАЧАТЬ